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Man kann einiges an der Einführung der Informationsfreiheit bemängeln. Vor allem, dass sie viel zu spät kommt: Österreich ist das letzte Land der Europäischen Union, in dem das Amtsgeheimnis noch im Verfassungsrang steht. Dass seine Abschaffung erst jetzt eingeleitet wird: Dieser Vorwurf ist den Vorgängerregierungen von Türkis-Grün zu machen.

Aber auch eine umfangreiche Ausnahme von der Pflicht zur automatischen Veröffentlichung von Informationen irritiert: Verträge mit der öffentlichen Hand müssen erst ab einem Auftragswert von 100.000 Euro automatisch veröffentlicht werden. Das erscheint sehr hoch gegriffen.

Schlussendlich fehlt auch ein eigener Beauftragter für Informationsfreiheit, der als niederschwellige Anlaufstelle für Bürger dient, die die gewünschten Daten nicht auf Anhieb bekommen. Stattdessen muss das Verwaltungsgericht angerufen werden – eine deutlich größere Hürde.

Mehrheit gesucht

Trotz all dem bedeutet die Reform, die die Koalition nun endlich auf Papier gebracht hat, einen erfreulichen Paradigmenwechsel in Österreich. Das Amtsgeheimnis fällt. Besser spät als nie. Die Einigung zwischen den Regierungsparteien ist allerdings nur der erste Schritt auf dem weiten Weg zur Informationsfreiheit. Denn um das Gesetz zu beschließen, braucht die Regierung eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Sie benötigt die Stimmen von SPÖ oder FPÖ, die Verhandlungen könnten sich schwierig gestalten – immerhin weiß die Opposition, wie dringend vor allem die Grünen diese Reform wollen, und kann dementsprechend Druck machen.

Ist die Mehrheit gefunden und das Gesetz beschlossen, wird es außerdem – da sind sich alle Beteiligten einig – noch eine Übergangsfrist von mindestens einem Jahr für die Verwaltung brauchen, um sich auf das neue System einzustellen. Und auch nach dieser Zeit ist noch nicht gesagt, dass auch tatsächlich in allen Ämtern fortan größtmögliche Transparenz einkehrt: Die Verwandlung von der schweigsamen zur redseligen Behörde ist auch so etwas wie eine Kulturreform. Statt dass alles geheim ist, muss fortan standardmäßig alles öffentlich sein, sofern keine wirklich gewichtigen Gründe dagegen sprechen. Eine völlig neue Denkweise muss einkehren.

Die Zivilgesellschaft ist gefragt

Und sie muss genauso durchgesetzt werden wie das formale Gesetz: Das bedeutet einerseits, dass die Spitzenpolitik mit bestem Beispiel vorangehen muss und sich bei Anfragen nicht mehr hinter angeblichen wirtschaftlichen Interessen oder zu Unrecht vorgeschobenem Datenschutz verstecken darf.

Andererseits sind nun Zivilgesellschaft und Medien gefragt, von den neuen Rechten auch Gebrauch zu machen und die Informationsfreiheit mit Leben zu erfüllen. Das wird zunächst auf Widerstand stoßen, vor allem Aktivisten werden schnell einmal als Querulanten abgeschasselt, die den Beamten nur auf die Nerven gehen wollen.

Ein lohnender Weg

Aber so bequem das Amtsgeheimnis für viele Behörden ist, so ungemütlich wird es nach der Reform vor allem anfangs für sie werden. Das wird auch bedeuten, dass in strittigen Fällen die Instanzen der Justiz ausgereizt werden müssen, um höchstgerichtliche Entscheidungen zu erzwingen. Denn auch das beste Gesetz kann nicht für jeden Fall eindeutige Regeln schaffen – und gerade die Wirksamkeit des Informationsfreiheitsgesetzes steht und fällt damit, wie weit oder eng die Ausnahmen gefasst sind. Es ist also ein weiter Weg hin zur transparenten Republik – aber einer, den es sich zu gehen lohnt. (Sebastian Fellner, 20.2.2021)