Playmobil-Prärie und echter Schweiß (projiziert: Wiltrud Schreiner) in "Winnetou eins bis drei" im Phönix Theater.

Helmut Walter

Das in die abgefilmte Realität gezwungene Theater richtet sich jetzt an genau diesen oktroyierten filmischen Möglichkeiten auf. Das Phönix-Theater in Linz bzw. Regisseur Erik Etschel haben einen Winnetou-Abend in umfänglicher Postproduktion als reich befrachteten Bilderrausch präpariert, ohne dabei das Theater- und Bühnenhafte und die dem Theater eigenen Dekonstruktionsangebote zu verraten. 90 Minuten lang wird collagenhaft aus mehreren Richtungen der Kosmos Karl May und dessen Weltliteratur durchgesiebt.

Es geht um Wildwestfantasien eines sächsischen Kleinstädters (Karl May wurde 1842 in Ernstthal geboren), aber noch viel mehr um das Thema der Aneignung. Welche Bilder über ein nie gesehenes Land triggert ein Autor, was macht die Filmindustrie daraus, und was wäre die "Mayworld" heute im Zeitalter der Hashtags und der kapitalistischen Pulverisierung jedes Gedankens? Da werden einige gute Fragen herausgeackert.

Old Shatterhand sein

Inklusive Fake-News: Winnetou eins bis drei und am Ende stirbt Karl May von Erik Etschel und Lisa Fuchs ist eine dynamische Inszenierung in drei Akten, die den Diskurs der Cultural Appropriation nur sachte streift und einmal auch die Hautfarben-Crux anspricht. Der Häuptling, nach seiner sichtlich weißen Schauspielergesichtsfarbe befragt, antwortet, man möge sich doch bitte nicht nach der "Color" orientieren, sondern nach seinem Namen.

Aneignung meint aber auch die biografisch belegte Hybris des Schriftstellers Karl May, der schon in jungen Jahren als Hochstapler aufgefallen und für einige Jahre hinter Gitter gesteckt wurde und später von sich behauptete, selbst Old Shatterhand zu sein. Lex Barker wiederum, der Winnetou-Freund in den Rialtofilm-Arbeiten der 1960er, sonnte sich im Ruhm des unfehlbaren Indigenenverstehers. Aneignung ist es auch, wenn die Social-Media-gestählte und auf oberflächliche Meinungsbildung vertrauende Nachwelt sich ihre funky Gut-und-böse-"Mayworld" zusammenbaut, je nach Bedürfnis.

Hohe Scherzdosis

Winnetou eins bis drei liefert die Geschichte über den Häuptling der Apachen und den Kampf gegen die weißen Landräuber, synchron dazu aber auch die diskursive Ebene, auf der hinterfragt wird, von der Abbildbarkeit der Prärie bis hin zur Glorifizierung männlicher Helden mit – im Gegenzug – MeToo-Atmosphäre am Filmset der Sixties.

Schnelle Szenenwechsel, hohe Scherzdosis. Der Abend bringt sich in seiner Verspieltheit (Soundkreation zu pantomimisch dargebotenen Hinschlachtszenen) auch an die Kippe. Der Dialog zweier Pferde war aber unverzichtbar. Man beachte die sorgfältige Antwort des bejahenden Gauls: Iiiiijjaaahaaaa! (Margarete Affenzeller, 20.2.2021)