Nach den Angriffen der ÖVP auf die WKStA hat das Justizministerium klargestellt, dass der medial thematisierte Kalendereintrag "Kurz" kein "entscheidender Grund" für die Anordnung der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) gewesen sei.

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Wien – Die Frage, wie relevant ein Kalendereintrag von Novomatic-Chef Johann Graf für die Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) war, beschäftigt seit Tagen Medien und Politik. Nachdem Martina Kurz, Schwiegertochter Grafs, angab, der Kalendereintrag Grafs hätte ihr gegolten, nicht dem namensgleichen Bundeskanzler, war die ÖVP – gelinde gesagt – empört und sah die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) einstürzen.

Nun stellte das Justizministerium, derzeit unter der Obhut von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), klar: Der Eintrag mit dem Wort "Kurz", der im Kalender von Grafs Assistentin gefunden wurde, war kein "entscheidender Grund" für die Anordnung der Hausdurchsuchung. Mehr noch: Der Termin wird von der WKStA "nicht als rechtlich relevant" für die Maßnahme betrachtet.

Tatsächlich nimmt der Termin in der Anordnung recht wenig Platz ein: In zwölf Seiten kommt er nur in einem Satz vor. Außerdem gibt es eine Aktennotiz, in der festgehalten wird, dass die WKStA sich sehr wohl der Existenz von Martina Kurz bewusst ist, sich allerdings kein einziger anderer Termin mit "Kurz" im Terminkalender von Grafs Assistentin finden lässt.

SMS-Verkehr

Ausschlaggebend für die Hausdurchsuchung ist also laut Justizministerium nicht der Termin, sondern der medial thematisierte SMS-Verkehr zwischen Blümel und Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann gewesen – dieser wurde als rechtlich relevant eingestuft. Neumann hatte im Juli 2017 an Blümel geschrieben und um einen Termin beim damaligen Außenminister und Neo-ÖVP-Chef Sebastian Kurz gebeten, um über eine Spende und "eines Problems, das wir in Italien haben", zu sprechen.

Was das Justizministerium in seiner Aussendung aber ebenfalls betonte: Die Staatsanwaltschaften seien gesetzlich verpflichtet, "bei entsprechender Verdachtslage Ermittlungsschritte zur Aufklärung des Sachverhalts zu setzen". Und dabei würden sie alle Umstände, die gegen den Beschuldigten sprechen, ermitteln – aber auch alle, die die Person entlasten. "Dies geschieht ohne Ansehen der Person", hält das Ministerium fest.

Juristen auf Seite des Justizministeriums

Schon am Freitag hatten mehrere renommierte Juristen im STANDARD festgehalten, dass der Kalendereintrag nur ein Nebenstrang in der Causa Blümel sei, und dass durch die Erklärung von Martina Kurz die Ermittlungen nicht – wie von der ÖVP dargestellt – in Misskredit gebracht werden würden. Wollte Blümel darüber Klarheit schaffen, betonte etwa Friedrich Forsthuber, Präsident des Straflandesgerichts in Wien, müsse er Beschwerde gegen die richterliche Anordnung einlegen. Dann müsste das Oberlandesgericht die Anordnung prüfen. Blümel schloss das aber aus.

Die ÖVP reagierte irritiert auf die Darstellungen des Justizministeriums. Sie bezeichnet die Argumentation als widersprüchlich und meint – anders als Juristen und die WKStA – der Verdacht fuße "sehr wohl" auf den Termin. Zudem weise die WKStA explizit im Zusammenhang mit einem Treffen wegen einer Spende auf den betreffenden Kalendereintrag hin. Denn in den Akten halte die WKStA fest, dass im elektronischen Kalender Neumanns nach der Chat-Nachricht an Blümel kein Treffen in "unmittelbarer zeitlicher Nähe eingetragen ist", verweist aber auf den Eintrag mit dem Betreff "Kurz" im Terminkalender der persönlichen Sekretärin von Graf vom 25. Juli.

Die Neos hingegen betrachten die Sache mit der Stellungnahme der WKStA als erledigt. Die Darstellung der ÖVP habe sich damit als "komplett falsch" herausgestellt, die ÖVP müsse "die Rundumschläge der letzten Tage gegen die WKStA und die österreichische Justiz" zurücknehmen, wird der stellvertretende Neos-Klubobmann Nikolaus Scherak in einer Aussendung zitiert.

Anzeige wegen Falschaussage

Blümel droht in der Causa weiteres Ungemach: Die Fraktionsführer von SPÖ, Neos und FPÖ zeigten den Finanzminister wegen Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss an. Grund ist die Diskrepanz zwischen den Aussagen des Finanzministers bei seiner Befragung am 25. Juni des vergangenen Jahres und diversen an die Öffentlichkeit gelangten Chatnachrichten, wie etwa jene zwischen Blümel und Neumann.

Wie die drei Oppositionsvertreter im U-Ausschuss in einer der APA vorliegenden Sachverhaltsdarstellung anführen, bestehe der Verdacht, dass Blümel "tatsachenwidrig" angab, dass er nicht wisse, ob Vertreter der Novomatic, insbesondere Neumann, jemals in zeitlichem oder sachlichem Konnex zu einer möglichen Spende Anliegen oder Wünsche ausgedrückt hätten. Ein mittlerweile aufgetauchte Nachricht von Neumann an Blümel vom Juli 2017 legt nämlich das Gegenteil nahe: "Guten Morgen. Hätte eine Bitte. Bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz, erstens wegen Spende und zweitens bezüglich eines Problems, das wir in Italien haben!".

Erinnerungslücken

Blümel hatte jedoch im Juni etwa auf eine Frage von Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper, ob jemals Vertreter der Novomatic an ihn herangetreten seien und dabei Spenden in Aussicht gestellt wurden, laut stenographischem Protokoll gemeint: "Nicht, dass ich mich erinnern könnte." Auf Nachfrage, ob er ausschließen könne, dass Spenden ein Thema waren, antwortete Blümel: "Ich kann für mich ausschließen, dass ich mich erinnern kann, dass das ein Thema war, ja." Auf abermalige Nachfrage, ob Spenden ein Thema waren, meinte Blümel dann: "Ehrlicherweise kann ich das nicht ausschließen, dass jemals jemand etwas angeboten hat. Ich war aber auch nicht für diese Themen zuständig und ich könnte mich auch nicht erinnern, dass es solche gegeben hat."

Laut den Oppositionsparteien habe Blümel darüber hinaus auch verschwiegen, dass er mit Neumann zumindest seit 2012 in regelmäßigem Kontakt stehe. Und auch rund um die Besetzung des Aufsichtsrates der Casinos Austria AG 2018 im Sinne einer "österreichischen Lösung" sowie in Hinblick auf den möglichen Erwerb von Anteilen der Sazka Group an der Casinos Austria in regelmäßigem Austausch mit Neumann stand.

SPÖ, Neos und FPÖ brachten die Sachverhaltsdarstellung am Freitag bei der WKStA ein. Für eine Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates drohen gemäß §288 StGB Strafgesetzbuch wie bei einer Falschaussage vor Gericht bis zu drei Jahre Haft. (elas, red, APA, 20.2.2021)