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Sind die betriebsfremden Arbeitnehmer im Rahmen von Arbeitskräfteüberlassung tätig? Auftraggeber müssen hier weiterhin sehr aufpassen.

Foto: AP / Martin Meissner

Werden betriebsfremde Arbeitnehmer vorübergehend in einem Unternehmen wie eigene Arbeitnehmer beschäftigt, so spricht man von Arbeitskräfteüberlassung. Die betriebsfremden Arbeitnehmer haben dann Anspruch darauf, nach dem in diesem Unternehmen anzuwendenden Kollektivvertrag entlohnt zu werden, ihr Arbeitgeber benötigt als Arbeitskräfteüberlasser eine entsprechende Gewerbeberechtigung.

Als atypische Beschäftigungsform ist Arbeitskräfteüberlassung umstritten. Kontrovers ist auch die Frage, wann sie überhaupt vorliegt. Denn im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) ist der Begriff sehr weit definiert, sodass sie auch dann vorliegen kann, wo man sie auf den ersten Blick nicht vermutet – etwa wenn ein Partnerunternehmen im Betrieb einen Auftrag erfüllt. Das führt dazu, dass das Vorliegen der Arbeitskräfteüberlassung in der Praxis übersehen werden kann, was unangenehme Anzeigen oder Klagen mit sich bringen kann.

Die großzügige Definition des Begriffs möchte verhindern, dass Werkverträge geschlossen werden, um Arbeitskräfteüberlassung zu verschleiern, und so überlassenen Arbeitskräften der ihnen gesetzlich zustehende Schutz durch Vertragskonstruktionen entzogen wird. Allerdings, und auch das führt der Gesetzgeber in seinen Materialen an, ist der Einsatz von Erfüllungsgehilfen bei der Erfüllung eines Werkvertrags keine Arbeitskräfteüberlassung.

Trennlinie

Die Trennlinie ergibt sich aus § 4 AÜG: So liegt, wenn ein Werkvertrag im Betrieb des Auftraggebers vom Auftragnehmer mit seinen Arbeitskräften erfüllt wird, immer dann Arbeitskräfteüberlassung vor, wenn entweder eine Leistung erbracht wird, die sich nicht von den Leistungen oder Produkten des Auftraggebers unterscheidet oder die vorwiegend mit den Betriebsmitteln des Auftraggebers erbracht wird – oder wenn die Arbeitnehmer des Auftragnehmers bei der Leistungserbringung in das Unternehmen des Auftraggebers organisatorisch eingebunden sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterliegen oder wenn der Auftragnehmer nicht für den Erfolg der von ihm zu erbringenden Leistung haftet.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes führt bereits das Vorliegen eines der genannten Kriterien zu Arbeitskräfteüberlassung. Dies wurde auch vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) und Obersten Gerichtshof (OGH) überwiegend so judiziert.

Übers Ziel hinaus

Gesetzgeber und Judikatur wurden für diese sehr weitgehende Definition von Arbeitskräfteüberlassung vielfach kritisiert. Man habe über das Ziel hinausgeschossen und behindere die Abwicklung von Werkverträgen, war eine oft geäußerte Kritik. Eine Gesamtbetrachtung aller im Gesetz genannter Elemente erschien sachgerechter, aber zu einer Änderung kam es nie.

Im Sommer 2015 kam schließlich frischer Wind in die juristische Debatte, als sich erstmals der Europäische Gerichtshof mit der österreichischen Definition von Arbeitskräfteüberlassung auseinandersetzte. Es handelte sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt im Anwendungsbereich der Entsenderichtlinie.

Dem EuGH ging das österreichische Verständnis schlicht zu weit (C-586/13, vom 18.6.2015, Martin Meat). Für Arbeitskräfteüberlassung sei vor allem das Zurverfügungstellen von Arbeitskräften als Vertragsgegenstand maßgeblich, und dass der Auftraggeber die Arbeitnehmer seines Vertragspartners beaufsichtige und leite, und zwar über eine angemessene rein fachliche Kontrolle hinaus.

Dieser Gesamtbetrachtung des EuGH folgt der VwGH nun in grenzüberschreitenden Sachverhalten. Offen und viel diskutiert war, ob sich die Judikatur österreichsicher Höchstgerichte auch bei reinen Inlandssachverhalten ändern muss, d. h. auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Entsenderichtlinie. Immerhin handelt es sich stets um die Auslegung derselben Norm, nämlich § 4 AÜG, die sonst, je nachdem ob es sich um einen rein österreichischen oder um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt, anders zu verstehen ist.

Neben der bereits geäußerten Kritik an dem für viele überschießenden Verständnis von Arbeitskräfteüberlassung wurden jedenfalls Gleichheitserwägungen für ein einheitliches Verständnis von § 4 AÜG vorgebracht.

Keine Gesamtbetrachtung

Der Oberste Gerichtshof hat nun diesen Überlegungen eine Absage erteilt (OGH 23.10.2020, 8 ObA 63/20b). Bei rein innerstaatlichen Sachverhalten bleibt es bei dem – nach dem Wortlaut des Gesetzes gebotenen – weiten Verständnis von Arbeitskräfteüberlassung.

Das Erfüllen auch nur eines im Gesetz genannten Kriteriums ist für das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung weiterhin ausreichend. Eine Gesamtbetrachtung – die im zu entscheidenden Fall wohl auch zu dem Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung geführt hätte – lehnt der OGH dezidiert ab.

Die Bedenken hinsichtlich der Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Sachverhalten teilen die Höchstrichter nicht, wobei sich die unionsrechtlichen Überlegungen, auf die sich der OGH hier u. a. stützt, in dieser Form in der Judikatur des EuGH bisher nicht finden.

Im Ergebnis bleibt das rein innerösterreichische Verständnis von Arbeitskräfteüberlassung unverändert, was für Unternehmen vor allem heißt: Augen auf. Denn hinter fast jeder Auftragsvergabe kann sich eine Arbeitskräfteüberlassung verstecken. (Daniela Krömer, 22.2.2021)