„Medien sind seit langem ein zentrales Handlungsfeld im Rechtsextremismus“, schreibt der Sozialwissenschafter Thomas Pfeiffer in einem 2016 für die Bundeszentrale für politische Bildung verfassten Text. Darin macht er darauf aufmerksam, dass sich parallel zur Veränderung rechtsextremer Spektren in den letzten Jahren die rechtsextreme publizistische Landschaft gewandelt habe.

Rechtsextreme Medien verfolgen dabei mehrere Ziele, zu denen die Informationsweitergabe über eigene Tätigkeiten (künftige wie vergangene Veranstaltungen, Kampagnen und so weiter) sowie die Einordnung tagespolitischer Ereignisse zählen. Vor allem stehen sie im Dienst von Gemeinschaftsbildung entlang geteilter, andernorts vermeintlich unterdrückter Wahrheit und gegen die angebliche Lügenpresse. Sie bieten für Sympathisantinnen und Sympathisanten die Möglichkeit, sich zu informieren, für ihre Anhängerschaft wiederum verfolgen sie den Zweck, auf dem Laufenden zu bleiben. Zudem wird mittels Debattenbeiträgen oder Kommentaren auch Ideologieproduktion betrieben und durch die Einführung bestimmter Begrifflichkeiten (wording) oder Argumente nicht nur die ideologische Programmatik vorgegeben, sondern auch gleich unter der Anhängerschaft verbreitet.

Selbiges trifft auch für Strategiediskussionen zu. Rechtsextreme Medien fungieren somit auch als Verbindung zwischen den intellektuellen Vordenkenden des jeweiligen Spektrums und dem dazugehörigen Publikum. Auch für Forschungsarbeiten und Recherchen stellen sie wichtige (und in den meisten Fällen relativ einfach zugängliche) Quellen dar, um Einblicke in die aktuellen Debatten, Stichwortgebenden und Tätigkeiten des jeweiligen Spektrums zu erlangen. Durch die Etablierung eigener Informationsplattformen versuchen rechtsextreme Medien Gegenöffentlichkeiten zu schaffen, in der rechtsextreme Autorinnen und Autoren vermeintlich alternative Erzählungen verbreiten und dadurch eine spezielle Sicht der Wirklichkeit konstruieren und Deutungsmacht erlangen können. Das bedeutet auch, dass es darum geht, die bislang verbreiteten Sichtweisen bestimmter gesellschaftlicher Problemlagen mit rechtsextremen Sinnstiftungen zu versehen oder in ihrem Sinne so umzudeuten, dass langfristig rechtsextremer Ideologie entsprechende Problemlösungen attraktiv(er) erscheinen.

Rechtsextreme Sinnstiftungen und Deutungsweisen

Schließlich dienen rechtsextreme Medien auch der Stärkung der jeweiligen Gruppenidentitäten, indem in den veröffentlichten Texten Wir-Konstruktionen bestärkt und aufgewertet sowie von vermeintlichen Anderen abgegrenzt und diese oft sogar als Feindbilder und Bedrohungen dargestellt werden. Auch die in den Medien präsentierten rechtsextremen Deutungsweisen und Erklärungen wirken identitäts- und sinnstiftend, weil sie in der Regel einfache Antworten auf komplexe gesellschaftliche Fragen liefern, in denen das angerufene konstruierte Wir-Kollektiv zumeist bestimme Vorrechte und Bevorteilungen gegenüber anderen haben sollte und damit Herrschafts- und Dominanzansprüche aufrechterhalten werden können. Bereits ideologisch gefestigte Anhängerinnen und Anhänger können sich zudem in ihren Gesinnungen bestätigt fühlen, zumal sie ihre Meinungen in gedruckter Form oder auch im Internet wiederfinden. Nicht zuletzt hat „das geschriebene, vor allem das gedruckte Wort“, wie Pfeiffer betont, „auch symbolischen Wert: Es gibt rechtsextremistischen Botschaften scheinbares Gewicht, Substanz und Dauerhaftigkeit […].“ In diesem Sinne verleiht auch das (nicht auf den ersten Blick als rechtsextrem erkennbare) Format gedruckte Zeitung oder Magazin den Anschein von Seriosität und Glaubwürdigkeit, was dessen Relevanz für den Rechtsextremismus auch im Zeitalter der Digitalisierung erklärt.

Schlagzeilen des rechtsextremen Mediums Info-Direkt vom 22. Februar 2021.
Foto: derstandard

Alternative Medien versus Systemmedien

Um ihre Medien als Alternative zu klassischen Medien darzustellen, versuchen rechtsextreme Spektren selbige durch abwertende Bezeichnungen wie Systemmedien oder Lügenpresse zu diskreditieren und die Erzählung vom zunehmenden Vertrauensverlust in öffentlich-rechtlichen wie auch etablierten privaten Medien zu verbreiten. Dass Qualitätsmedien an Glaubwürdigkeit eingebüßt hätten, lässt sich jedoch, wie wissenschaftliche Studien belegen, bislang nicht erkennen, sondern wird von rechtsextremen Akteurinnen und Akteuren vielmehr gezielt eingesetzt, um die eigene Glaubwürdigkeit zu steigern.

In den damit verbundenen Diskursen geschieht gleich mehreres: Unter dem Deckmantel vermeintlicher Medienkritik wird den Qualitätsmedien einerseits vorgeworfen, als gleichgeschaltete Medien Propaganda zu betreiben, weil sie im Sinne einer Einheitsmeinung alle die Meinung der Herrschenden vertreten und reproduzieren würden. Es komme also zu einer bewussten Aussparung oder Verheimlichung bestimmter Informationen ganz im Sinne des Systems, zu einer Art Zensur, was gesagt werden dürfe und was nicht. Hinzu gesellt sich der Vorwurf der Politischen Korrektheit, die ebenfalls dazu führe, dass bestimmte Themen nicht angesprochen werden dürften sowie das antikommunistische Ressentiment der Rotpresse oder des Rotfunks, der wie in ehemaligen realsozialistischen Ländern Umerziehung betreibe. In diesen Erzählungen ist jedoch noch ein weiterer Aspekt von Relevanz, da letztlich die Behauptung transportiert wird, dass es eine „absichtliche Manipulation im Dienste einer höheren Macht“ gebe. Die Anhängerschaft dieses strukturell antisemitischen Verschwörungsnarrativs sprechen auch von einer veröffentlichten Meinung, die im Gegensatz zur eigentlichen oder wahren öffentlichen Meinung stehe.

Diskreditierungsversuche

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich hinter diesen Diskreditierungsversuchen nichts anderes verbirgt als der Versuch, über die Verbreitung von Verschwörungsmythen Misstrauen zu säen, kritischen Qualitätsjournalismus sowie journalistische Mindeststandards zu delegitimieren und sich dadurch selbst gegen Kritik zu immunisieren, indem diese stets als systemgeleitet und unseriös abgetan wird. Während der Großteil der genannten Vorwürfe sich bei genauerer Überprüfung für die klassischen Medien nicht halten lässt, treffen hingegen viele der von Rechtsextremen beanstandeten Aspekte auf sie selbst zu.

So betreiben rechtsextreme Medien in vielen Fällen tatsächlich Propaganda, klammern im Dienste der eigenen Ideologie für aufklärerischen Journalismus relevante Details aus der Berichtserstattung aus oder übersteigern bestimmte Aspekte bis hin zur Verfälschung von Fakten. Ebenso wenig wird Wert auf Sorgfaltspflicht, Objektivität, Kontroversialität und Ausgewogenheit gelegt oder sind Bemühungen erkennbar, zu einer respektvollen, demokratischen Gesellschaftsstruktur beizutragen. Im Gegenteil, Diskriminierungen, beispielsweise in Form von Abwertungen, Stereotypisierungen oder Pauschalisierungen bestimmter Personengruppen, werden als vorgeblich freie Meinungsäußerungen präsentiert. Gerade aufgrund der zentralen Bedeutung, die Medien bei der Verbreitung rechtsextremer Denkmuster zukommt, muss ihnen auch im Kampf gegen Rechtsextremismus durchwegs mehr Aufmerksamkeit beigemessen werden. (Judith Goetz, 24.2.2021)

Judith Goetz ist Literatur- und Politikwissenschafterin, Gender-Forscherin und Rechtsextremismus-Expertin, Mitglied der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit sowie des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus.

Bei dem Beitrag handelt es sich um einen gekürzten Wiederabdruck eines Beitrags aus dem Sammelband „Rechtsextremismus Band 4: Herausforderungen für den Journalismus“, herausgegeben von Judith Goetz, FIPU und Markus Sulzbacher. Mehr Infos zum Sammelband finden sich sowohl auf der Fipu-Homepage sowie der Verlagsseite.

Foto: mandelbaum

Zuletzt erschienen die von Goetz mitherausgebenen Sammelbände „Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremen 'Identitären'“ (2017) und „Rechtsextremismus: Band 3: Geschlechterreflektierte Perspektiven“ mit mehreren Beiträgen von ihr.

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