Die FPÖ will wissen, was Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Kanzler Sebastian Kurz knapp vor und nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos besprochen haben.

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Der Countdown hatte Politikjournalisten in Aufregung versetzt: Seit knapp einer Woche kündigte die FPÖ auf der Webseite "TuEsFuerMich.at" neue Enthüllungen an. Diese haben aber wider Erwarten nichts mit den aktuellen Ermittlungen gegen Finanzminister Gernot Blümel zu tun, der ja mit den Worten "Tu es für mich" einen Anruf des Finanzministeriums beim damaligen Novomatic-Chef Harald Neumann erbat. Die FPÖ will vielmehr die Tage rund um die Veröffentlichung des Ibiza-Videos thematisieren – und die Rolle des Bundespräsidenten. Dazu hielt U-Ausschuss-Fraktionsführer Christian Hafenecker am Montagvormittag eine Pressekonferenz ab.

Für die FPÖ ist diese Woche nach wie vor traumatisch: Sie verlor durch die Korruptionsfantasien ihrer Parteispitze auf Ibiza nicht nur Obmann Heinz-Christian Strache und seinen Vize Johann Gudenus, sondern auf absehbare Zeit auch die Chance auf eine Regierungsbeteiligung im Bund. Zwar hat die FPÖ mittlerweile mit Strache abgeschlossen; die Partei treibt aber weiterhin die Frage um, wer vorab über das Ibiza-Video gewusst und für dessen Veröffentlichung gesorgt haben könnte.

Warnung an Bundespräsidenten

Durch ein STANDARD-Interview mit Ibiza-Videoregisseur Julian H. wurde bekannt, dass einige Tage vor der Veröffentlichung auch eine Warnung an die Präsidentschaftskanzlei erging. So wurden einem langjährigen Mitarbeiter der Grünen, der damals in der Privatwirtschaft tätig war, Szenen aus dem Video vorgespielt. Dieser behauptet jedoch, davon niemandem erzählt zu haben. Außerdem sandte H. einen Brief an die Präsidentschaftskanzlei – diese überlieferte das Dokument erst vor wenigen Tagen an die Ermittler der Soko Tape, wie die FPÖ moniert. "Auf so eine E-Mail kommt man erst nach zwei Jahren drauf?", fragte Hafenecker.

Außerdem wurde durch STANDARD-Recherchen publik, dass offenbar ein Mitarbeiter der Hofburg kurz nach der Publikation des Ibiza-Videos den persönlichen Outlook-Kalender von Bundespräsident Alexander Van der Bellen abfotografiert und an Strache übermittelt haben. Deshalb laufen Ermittlungen gegen unbekannte Täter. Auf dem Kalendereintrag soll angeblich klar zu sehen sein, dass Van der Bellen vorab über das Ibiza-Video gewusst hat.

"Gerüchte 'Spiegel'/'Süddeutsche'"

Am Montag präsentierte die FPÖ in einer Pressekonferenz nun diesen abfotografierten Kalender. Er zeigt am Donnerstag, einen Tag vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos, eine Besprechung mit den Van-der-Bellen-Beratern Martin Radjaby und Lothar Lockl zum Thema "Gerüchte Spiegel/Süddeutsche zu Strache/Gudenus". Zu diesem Zeitpunkt waren offenbar schon erste Presseanfragen der beiden Medien bei Strache eingegangen.

Am nächsten Tag stand im Kalender des Präsidenten am Abend: "Die Bombe platzt: Str + Gud in Ibiza" – laut Präsidentschaftskanzlei habe Van der Bellen diesen Eintrag nachträglich vorgenommen.

Am Samstag ist dann eine Besprechung mit Sebastian Kurz, dessen Berater Stefan Steiner sowie Kabinettschef Bernhard Bonelli eingetragen. Befragt nach Gesprächen mit Van der Bellen, sagte Bonelli im U-Ausschuss: "Ich glaube, da gab es Gespräche im Laufe des Samstags, aber wann genau, in welcher Form, weiß ich nicht genau." Für Hafenecker ist Van der Bellen ein "Mitdirigent" des Ibiza-Skandals.

Hafenecker monierte, dass beispielsweise der Kalender von Bundeskanzler Kurz als "privat" eingestuft wurde und den Abgeordneten des U-Ausschusses nicht vorliegt. Es gebe "Beamte und Institutionen", die dem Parlament Informationen vorenthalten würden; ein "tiefer Staat", wie Hafenecker sagt. Das zeige sich daran, dass Chatnachrichten, die auch Kurz als Sender oder Empfänger betreffen, erst diese Woche in den U-Ausschuss gelangen werden. (Fabian Schmid, 22.2.2021)