Von der Stadt Wien wird eine externe Onlineplattform für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber eingerichtet.

Foto: APA / Roland Schlager

Wien – Im rot-pinken Wiener Koalitionspakt wurde es vereinbart, am Montag wurde es präsentiert: Die Stadt Wien startet eine Whistleblower-Plattform, die die Eingabe von anonymen Hinweisen bei Verdacht auf Korruption, Wirtschaftsdelikte wie Untreue, Bestechlichkeit oder Compliance-Verstöße ermöglicht. Erreichbar ist diese unter www.bkms-system.net/stadtwien.

Meldungen können alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Wien abgeben – sowie Kunden oder Vertragspartner. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) versprach mit der externen Plattform eine "absolute Anonymität" für Hinweisgeber. Gleichzeitig verwies er aber auch darauf, dass die Plattform "kein Misstrauen gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt" bedeute.

Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr von den Neos, der auch Transparenzstadtrat ist, nannte die Website einen "wichtigen Meilenstein der Transparenz- und Korruptionsbekämpfung". Es gehe darum, dank der Hinweisgeber auch möglichen Schaden für die öffentliche Hand abzuwenden. Und es gelte, das Vertrauen in Politik und öffentliche Verwaltung zu stärken. Durch die Diskussionen auf Bundesebene sei das "angekratzt" worden.

Geschützter Postkasten zur Kommunikation kann eingerichtet werden

Laut Website liegt der Schwerpunkt des Systems bei Korruption und Wirtschaftsdelikten sowie bei schwerwiegenden Compliance-Verstößen. Wenn es für Whistleblower aber Anhaltspunkte gibt, "dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Wien nicht im Interesse der Stadt oder nicht korrekt handeln, sich zum Beispiel bestechen lassen, öffentliche Gelder verschwenden, ihre berufliche Position zum persönlichen Vorteil missbrauchen, vielleicht sogar strafbare Handlungen begehen, helfen Sie uns, wenn Sie das melden".

Gemeldet werden kann anonym – aber auch mit Namen. Dateien bis zu fünf MB können hochgeladen werden. Es obliegt laut Stadt Wien dem Hinweisgeber oder der Hinweisgeberin, ob er oder sie der Einrichtung eines geschützten Postkastens die Zustimmung erteilt. Damit können Stellen der Stadt mit dem Whistleblower in Kontakt treten, falls es Rückfragen gibt. Versichert wird, dass Hinweisgeber – so sie das wollen – auch über den geschützten Postkasten anonym bleiben, wenn sie keine Daten eingeben, die Rückschlüsse auf die Person zulassen.

Unklarheiten gibt es aber über folgenden Punkt. Wiederverkehr versicherte bei der Präsentation, dass "jeder Meldung nachgegangen" wird. Auf der Website steht aber auch, sofern der Hinweisgeber oder die Hinweisgeberin auf die Einrichtung eines geschützten Postkastens für Rückfragen verzichtet: "In diesem Fall kann es sein, dass wir Ihre Meldung nicht weiterbearbeiten können."

Die Meldung wird jedenfalls verschlüsselt auf einer externen Datenbank in einem Hochsicherheitsrechenzentrum hinterlegt, wie Wiederkehr ausführte. Die Mitteilung selbst kann technisch nicht rückverfolgt werden, sofern der Hinweisgeber auf gängige Mittel zur Verschleierung der Online-Identität, beispielsweise VPN-Dienste, zurückgreift. Bearbeitet werden die Meldungen innerhalb des Magistrats von der Gruppe Interne Revision und Compliance.

50 Anrufe beim Antikorruptionstelefon – pro Jahr

Neben der Whistleblower-Plattform gibt es seit längerem auch das Wiener Antikorruptionstelefon, die Kontaktaufnahme ist per Telefon (+43 1 4000-82400, Montag–Freitag, 9 bis 16 Uhr), Fax, E-Mail oder Brief möglich. Auch hier war bisher die Gruppe Interne Revision und Compliance zuständig.

Stadtchef Ludwig verwies darauf, dass es diese Einrichtung bereits seit dem Jahr 2005 gibt. Allerdings dürfte diese Möglichkeit über das Antikorruptionstelefon bisher mäßig bekannt gewesen sein. Zum STANDARD hieß es von zuständigen Personen im Magistrat, dass es nur "rund 50 Anrufe pro Jahr gab. Der Großteil waren eher Beratungsgespräche und Anfragen zur Korruptionsprävention." In "wenigen Fällen" seien aber auch mögliche Verstöße gemeldet worden.

Mit der Whistleblower-Plattform sah Ludwig die "Vorreiterrolle" Wiens bestätigt. Er verwies auch auf Transparency International, wonach Wien im Bereich Austrian Chapter und im Index Transparente Gemeinde zwischen 2017 und 2019 den ersten Platz in Österreich belegte.

Unklarheit über Bericht für Gemeinderat

Für Wiederkehr können sich aus Meldungen über die Whistleblower-Plattform und Bearbeitungen durch die Interne Revision auch weitere Schritte hin zur Anzeige ergeben. Ein schriftlicher Bericht ist aber laut Wiederkehr nicht vorgesehen. "Wir werden uns aber jedenfalls berichten lassen."

Im Koalitionspakt steht hingegen etwas anderes: "Dem Gemeinderat wird einmal jährlich ein Bericht zur Korruptionsbekämpfung vorgelegt, der über aktuelle Maßnahmen und Entwicklungen in diesem Bereich informiert."

Im rot-pinken Übereinkommen ist ebenfalls die Schaffung einer weisungsungebundenen Wiener Antikorruptions-Ombudsstelle in der Magistratsdirektion vorgesehen. Diese soll es "spätestens nächstes Jahr geben", sagte ein Sprecher von Neos-Chef Wiederkehr dem STANDARD. Der im Koalitionspakt angesprochene Bericht zur Korruptionsbekämpfung für den Gemeinderat soll dann von dieser Ombudsstelle gestaltet werden. "Und natürlich fließen hier auch Erkenntnisse der Whistleblower-Plattform mit ein."

Opposition geht Transparenz nicht weit genug

Wenig abgewinnen konnte die Opposition der Präsentation. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp ortete eine "Blamage der Sonderklasse". Von den "groß angekündigten Maßnahmen der Neos" sei nichts übrig geblieben, außer die Ankündigung einer "Whistleblower-Plattform" ohne nähere Details. Nepp fordert Transparenz im Bereich der stadtnahen Unternehmen.

Die ÖVP kritisierte, dass es noch keine Details zum regelmäßigen und transparenten Bericht über die Aktivitäten der Plattform gebe. "Schon alleine die Tatsache, dass es offenbar keine Bilanz zum Antikorruptionstelefon gibt, das bereits seit vielen Jahren existiert, spricht nicht gerade für eine transparente Antikorruptionsarbeit der letzten Jahre", sagte die nicht amtsführende Stadträtin Bernadette Arnoldner.

David Ellensohn, Klubchef der Grünen in Wien, vermutet, dass die SPÖ offenbar von der Causa Nevrivy abzulenken versuche. Gegen den Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ) wird wegen eines Grundstücksdeals wegen Korruptionsverdachts ermittelt. "Anstatt mit dünnen Plattformen abzulenken, wäre es ein Zeichen von echter Transparenz, wenn jetzt die Vorwürfe an den Donaustädter Bezirksvorsteher rasch aufgeklärt würden", so Ellensohn. Für "echte Transparenz" brauche es in Wien ein "gekonntes Vorgehen gegen alte Strukturen und eine weitreichende parlamentarische Kontrolle". (David Krutzler, 22.2.2021)