Wiens Polizeichef Gerhard Pürstl und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei einer Pressekonferenz. PR-Berater Fußi hatte in einem Tweet das Vorgehen der Polizei bei den Demonstrationen der Corona-Gegner in Wien sowie bei der Abschiebung von Kindern und Jugendlichen vor einigen Wochen scharf kritisiert – Polizeihunde seien intelligenter als der Durchschnittsmitarbeiter der Landespolizeidirektion Wien, schrieb er unter anderem im mittlerweile gelöschten Tweet.

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Es ist ein ungewöhnliches Match, das sich das Innenministerium (BMI) und dessen Chef Karl Nehammer (ÖVP) mit PR-Berater und Politaktivist Rudi Fußi seit Tagen liefern: Wie berichtet, schaltete das Ministerium wegen eines Tweets, in dem Fußi die Wiener Polizei kritisierte, die Staatsanwaltschaft ein und kündigte die Prüfung rechtlicher Schritte gegen Fußi zuvor auf Twitter und sehr prominent auf der eigenen Ministeriums-Website an. Zahlreiche Politiker und Juristen sahen in der Aktion einen Einschüchterungsversuch. Der Tweet sei "genauso gefährlich für das demokratische Zusammenleben wie das Verbreiten von Verschwörungstheorien oder extremistischen Ansichten", sagt Nehammer in dem Artikel.

Nehammer und Ministerium als Beschwerdegegner

Nun geht Fußi selbst rechtlich vor: Seine Anwältin Maria Windhager, die auch den STANDARD vertritt, macht mehrere Verletzungen nach dem Datenschutzgesetz – konkret geht es um Verletzungen im Grundrecht auf Geheimhaltung – geltend. "Der Bundesminister und die Behörde haben grobe Verletzungen zu verantworten. Für die Veröffentlichungen gibt es keine Rechtfertigung", sagt Windhager zum STANDARD.

Sowohl Nehammer als auch das Ministerium werden als Beschwerdegegner angeführt. "Wenn die Behörde aktiv wird und wie in diesem Fall Aussendungen macht, dann ist das als hoheitliches Handeln einzustufen und damit relevant", sagt Windhager dazu.

"Gefahr im Verzug"

Bei der mehrfachen namentlichen Nennung von Fußi im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Straftat in einem Artikel auf der BMI-Website, in Tweets auf dem Twitter-Account des BMI und in der APA-OTS handle es sich um eine Verarbeitung personenbezogener Daten, für die es keine Rechtsgrundlage gebe, heißt es in der Beschwerde, die dem STANDARD vorliegt. Es sei außerdem nicht ersichtlich, für welche legitimen Zwecke die Verarbeitung erfolgt sein soll.

In der Beschwerde geht es aber nicht nur um die mutmaßliche Rechtsverletzung, sondern auch um das Beenden eines rechtswidrigen Zustands. Denn diesen sehen Fußi und Windhager weiterhin als gegeben, die Aussendungen sind weiterhin unverändert abrufbar. "Hier besteht Gefahr im Verzug", sagt Windhager. Deshalb sei die Datenschutzbehörde auch aufgefordert worden, einen Mandatsbescheid zu erlassen. Mit diesem soll dem Innenminister und dem Bundesministerium aufgetragen werden, die bislang andauernden Rechtsverletzungen ab sofort einzustellen.

Gefährliche Prangerwirkung

Windhager vermutet außerdem Mängel in den Informationssicherheitsmaßnahmen des Ministeriums und regt in der Beschwerde eine Überprüfung an. Es seien offenbar keine ausreichenden Maßnahmen zur Überprüfung getroffen worden, ob nach dem Ausfall der Website eine erneute Veröffentlichung des Artikels zulässig war – wegen eines Hardwaredefekts war die Seite etwa 30 Stunden lang nicht aufrufbar. Eine Benachrichtigung über die Veröffentlichung des Namens sei auch ausgeblieben.

Windhager verweist in dem Dokument erneut auf die Prangerwirkung und auf den eingetretenen "Chilling-Effekt", der die Ausübung des Grundrechts der Meinungsfreiheit auch von Dritten negativ beeinflusse. (Lara Hagen, 22.2.2021)