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Tansanias Präsident John Magufuli will Corona weggebetet haben. Offizielle Fälle gibt es nicht.

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Alle Welt wird vom Run auf Impfstoffe beherrscht. Alle Welt? Nein, ein von einem unbeugsamen Machthaber geführter Staat im Osten Afrikas pfeift auf den Trend und lehnt jedes Serum kategorisch ab. "Wir brauchen das nicht", gab Präsident John Magufuli jüngst seinen Landsleuten zu verstehen: "Tansania ist nämlich virenfrei." Angeblich machte sich der Erreger aus dem Staub, nachdem der Präsident die rund 60 Millionen Tansanierinnen und Tansanier im Juni vergangenen Jahres durch einen dreitägigen Gebetsmarathon geführt hatte. "Gott hat uns erhört", will Magufuli seitdem wissen: "Unsere Feinde mögen sagen, was sie wollen. Wir sind hier sicher."

Andere Staatschefs Afrikas klagen derzeit darüber, dass die im Westen entwickelten Impfstoffe zuallererst den reichen Industrienationen zugutekommen: Die 1,3 Milliarden Afrikanerinnen und Afrikaner müssen auf den Schutz womöglich sogar noch mehrere Jahre verzichten. Tansanias Staatschef kommt das gerade recht: Die Vakzine seien ohnehin unwirksam oder sogar gefährlich: Könnte der reiche Westen tatsächlich so ohne weiteres Impfstoffe entwickeln, hätte er längst schon welche gegen Aids und Tuberkulose, gegen Malaria und Krebs gefunden, meint er.

Mit lediglich 300 Covid-Infektionen steht Tansania an 194. Stelle der Corona-Charts: Das liegt allerdings vor allem daran, dass Magufulis Regierung seit Mai vergangenen Jahres keine Corona-Zahlen mehr meldet. Er stoppte die Tests, nachdem eine Ziege und eine Papaya angeblich ein positives Ergebnis geliefert haben sollen. Eine missbräuchliche Verwendung von Tests freilich, die auch in Österreich von populistischen Politikern verwendet wird, um diese zu diskreditieren.

Patienten abgewiesen

Vermutlich hat sie die Zahlen auch selbst nicht. Denn seit es in Tansania offiziell kein Coronavirus mehr gibt, dürfen auch Krankenhäuser keine derartigen Fälle mehr haben. "Wir nennen sie jetzt virale Lungenentzündungen", sagt ein Arzt des größten Krankenhauses des Landes, des Muhimbili National Hospital, der Publikation "Africa Report". Statt Covid-19 wird aus den Krankenhäusern nun eine ungewöhnlich hohe Zahl viraler Lungenentzündungen gemeldet: Überfüllte Hospitäler weisen in Daressalam schon seit Wochen regelmäßig Patienten ab.

Wegen der außergewöhnlichen Nachfrage wird bei der örtlichen Gasfirma Tanzania Oxygen der Sauerstoff knapp. Und im privaten Radiosender Radio One dauert die Verlesung der Namen der Verstorbenen mittlerweile nicht mehr fünf, sondern dreißig Minuten. Kürzlich starben gleich fünf Generäle mit denselben Symptomen: Atemnot, Husten und hohes Fieber. Der Vizepräsident des Inselteilstaats Sansibar starb sogar offiziell an Covid-19: Maalim Seif Sharif Hamad gehörte der Oppositionspartei an, die das Vertuschungsspiel nicht mitmachen wollte.

Mutationsbrutstätte

Jüngst sah sich auch die katholische Kirche, deren Priester mit einer Flut an Beerdigungen fertigwerden müssen, zur Intervention gezwungen. "Covid ist nicht geschlagen, die Krankheit ist noch immer hier", sagte Daressalams Bischof Yuda Ruwaichi: "Lasst uns nicht unbesonnen sein!" Auch die US-Botschaft sprach unverblümt von einer "stark ansteigenden Zahl an Covid-Fällen". Und selbst einem Abgeordneten der Regierungspartei, Zacharia Issay, platzte kürzlich im Parlament der Kragen. "Ich habe es satt, zu immer neuen Beerdigungen zu gehen", klagte Issay: "Die Regierung muss mit der Geheimnistuerei endlich Schluss machen."

Magufulis Vogel-Strauß-Politik droht nicht nur seiner Heimat zum Verhängnis zu werden. Expertinnen und Experten warnen davor, dass auch der Rest der Welt nicht sicher ist, solange die Tansanier nicht "durchgeimpft" seien: Der ostafrikanische Staat könne sogar zu einer Brutstätte mutierter Coronaviren werden, gegen die bisher entwickelte Impfstoffe nichts auszurichten vermögen.

Dann wäre auch der geimpfte Großteil der Welt wieder am Nullpunkt angelangt. Matshidiso Moeti, Afrika-Chefin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), weiß, was auf dem Spiel steht. Ihre Organisation führe auf "höchster Ebene" Gespräche mit der tansanischen Regierung, sagt die Ärztin: "Um der dortigen Bevölkerung willen, aber auch für das Wohl der Nachbarstaaten und überhaupt der ganzen Welt." Noch ist beim Covax-Fonds in Genf keine Bestellung aus Tansania eingetroffen: "Es gibt keine Pläne zur Beschaffung von Impfstoffen", versichert Gesundheitsministerin Dorothy Gwajima. Man könne nur hoffen, dass Präsident Magufuli (Spitzname: der Bulldozer) dem internationalen Druck in letzter Minute doch noch nachgibt, meint ein Kenner des Landes: "Wenn nicht, dann Gnade Gott." (Johannes Dieterich, 22.2.2021)