Wenn der inländische Zwischenhändler für eine ausländische Lieferung insolvent wird, kann es sinnvoll sein, den Hauptlieferanten direkt zu bezahlen.

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Die Weltwirtschaft befindet sich nach wie vor fest im Griff der Covid-19-Pandemie. Angesichts unsicherer Zukunftsprognosen ist es für österreichische Unternehmer, die im internationalen Umfeld Warenkäufe tätigen, wichtiger denn je, sich vorsorglich und umfassend gegen die potenzielle Insolvenz von Geschäftspartnern abzusichern. Andernfalls drohen Lieferausfälle oder bei Geldforderungen hohe Abschreibungen. Das Risiko eines Lieferausfalls kann dabei mit korrekt vereinbarten "Eigentumsvorbehalten" an den versandten Waren vermieden oder zumindest minimiert werden.

Insolvenz des Zwischenlieferanten in der grenzüberschreitenden Lieferkette

Dies sei anhand eines in der Praxis häufig vorkommenden echten Falles veranschaulicht: Ein österreichischer Unternehmer (Käufer) bestellte für die Durchführung eines komplexen Werkauftrags benötigte Teile bei einem inländischen Lieferanten (Zwischenlieferant). Dieser bediente sich zwecks Herstellung und Lieferung der betroffenen Waren wiederum eines chinesischen Sublieferanten.

Der chinesische Sublieferant hatte einen Eigentumsvorbehalt auf die von ihm zu liefernden Güter mit dem österreichischen Zwischenlieferanten vereinbart, während im Rechtsverhältnis zwischen dem Zwischenlieferanten und dem Käufer kein Eigentumsvorbehalt bestand. Der Sublieferant versandte die bestellten Waren vereinbarungsgemäß mittels eines externen Speditionsunternehmens an den Geschäftssitz des Zwischenlieferanten nach Österreich.

Noch während sich die Waren im Transit von China nach Europa befanden, geriet der Zwischenlieferant in wirtschaftliche Schieflage. Für den Käufer stellte sich nunmehr die Frage, wie er möglichst rasch und rechtssicher Eigentum an den für ihn bestimmten Waren erlangen konnte, um sich so für den Insolvenzfall des Zwischenlieferanten abzusichern.

"Anwartschaftsrecht" als Spiegelbild des Eigentumsvorbehalts

Wesensmerkmal des Eigentumsvorbehalts ist es, dass der Lieferant bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises für die Vorbehaltswaren Eigentümer derselben bleibt und dem Vorbehaltskäufer (in diesem Beispiel: dem Zwischenlieferanten) lediglich ein sogenanntes Anwartschaftsrecht auf Erwerb des Volleigentums an den Gütern zukommt. Dieses Anwartschaftsrecht kann nach allgemeinen sachenrechtlichen Grundsätzen übertragen werden. Welche Grundsätze dies im Detail sind, beurteilt sich grundsätzlich anhand der Belegenheit der Ware im Zeitpunkt des beabsichtigten Rechtsübergangs.

Je nachdem, wo sich die Ware gerade befindet, können daher völlig unterschiedliche Anforderungen an einen gültigen Eigentums- bzw. Anwartschaftsrechtserwerb vorliegen. Nach österreichischem Recht erfordert die Übertragung einen gültigen Titel (Verpflichtungsgeschäft, zum Beispiel Kauf-, Werk-, Schenkungsvertrag) sowie einen gültigen Modus (Verfügungsgeschäft, insbesondere in Form der körperlichen Übergabe der Ware). Befinden sich Waren im internationalen Transit, und durchreisen die Güter in kurzer Zeit diverse Länder und Rechtsordnungen, stellt sich die Frage, welches Recht nun konkret für die Beurteilung des wirksamen sachenrechtlichen Rechtsübergangs maßgeblich ist.

"Bestimmungslandprinzip" als Grundregel

Nach internationalem Privatrecht kommt es im Rahmen grenzüberschreitender Warenversendungskäufe zur Anwendung des sog. Bestimmungslandprinzips. Demgemäß richten sich die sachenrechtlichen Voraussetzungen des Übergangs dinglicher Rechte in der Regel nach dem Recht des Landes, in das die Ware letztendlich geliefert werden soll.

Als Bestimmungsland fungierte im gegenständlichen Beispielfall Österreich, sodass dessen Recht maßgeblich war. Der Käufer schloss daher mit dem Zwischenlieferanten einen Übergabevertrag, demgemäß der Zwischenlieferant die unter Eigentumsvorbehalt stehenden Waren im Namen und auf Rechnung des Käufers halten sollte, sobald sie in seine Innehabung gelangt waren (sogenanntes Besitzkonstitut als sachenrechtlicher Modus der Eigentumsübertragung).

Nachdem die Ware des chinesischen Sublieferanten am Schiffsweg in Slowenien eingelangt war, übernahm der Zwischenlieferant die Güter mittels eigener Transporter und führte sie nach Österreich ein. Auf Basis des zuvor abgeschlossenen Übergabevertrags ging das Anwartschaftsrecht an den Waren mit Übernahme der Güter in Slowenien, spätestens aber mit deren Einführung nach Österreich auf den Käufer über.

Vom Anwartschafts- zum Vollrecht

Um endgültig Eigentum an den Vorbehaltswaren zu erwerben, musste der Käufer nun noch sicherstellen, dass der Sublieferant den ihm zustehenden Kaufpreis für die Güter erhielt. Erst dadurch würde das auf den Käufer übertragene Anwartschaftsrecht zum Vollrecht umgewandelt. Die drohende Insolvenz des Zwischenlieferanten machte dieses Unterfangen rechtlich komplex, da von Insolvenz bedrohte Schuldner – wie eben dieses Unternehmen – bekanntermaßen keine Gläubiger bevorzugen dürfen. Andernfalls können derartige Rechtshandlungen wie zum Beispiel Zahlungen zur Befriedigung von Schulden aber auch der mit dem Käufer abgeschlossene Übergabevertrag insolvenzrechtlich angefochten werden.

Dieses Risiko einer verpönten Gläubigerbenachteiligung konnte im vorliegenden Fall durch minutiös geplante Abstimmung und Abwicklung der Transaktion vermieden werden. Teil des Planes war, den Kaufpreis direkt gegenüber dem Sublieferanten zu leisten und so die rechtliche und wirtschaftliche Position des Käufers erfolgreich abzusichern – was letztendlich gelang.

Die komplexen rechtlichen und wirtschaftlichen Fragestellungen, mit denen Unternehmer im internationalen Warenkauf konfrontiert sind, verdeutlichen vor allem eines: Vorausschauendes Handeln und professionelle Unterstützung schon in der Auftragsphase sind nicht nur geboten, sondern unerlässlich, ebenso wie mitunter kreative Lösungsstrategien. (Thomas Trettnak, Christoph Reiter, 23.2.2021)