Gerhard Zotter ist seit August 2015 Geschäftsführer der Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG), die im Corona-Jahr 2020 viel zu tun hatte.

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Österreich hat später auf Schnelltests gesetzt als manches Nachbarland. Den Bundesbeschaffern waren dadurch beim Einkauf die Hände gebunden.

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Nicht Amazon, sondern jener der Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG) ist der größte Onlineshop Österreichs. Nur: Die Kunden der BBG sind keine privaten Käufer, sondern es ist die öffentliche Hand. Ob Klopapier für die Toiletten im Parlament, Laptops für die Minister oder Antigentests für die Pandemiebekämpfung: Der Bund muss über die zentrale Beschaffung einkaufen, andere öffentliche Einrichtungen dürfen dies. Die BBG ist zwar nicht gewinnorientiert, verdient aber bei jeder Bestellung mit – bei der Krisenbeschaffung macht sie eine Ausnahme. Während der Corona-Pandemie landete die sonst weniger bekannte Institution immer wieder im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Die BBG beschaffte Schutzmasken und erntete Kritik, nicht auf heimische Anbieter zu setzen. Sie schrieb ein sagenhaftes Werbebudget von 180 Millionen Euro für die türkis-grüne Regierung aus. Und sie kaufte Antigentests teurer und später ein als etwa die Slowakei. Chefbeschaffer Gerhard Zotter blickt im Gespräch mit dem STANDARD auf das vergangene Jahr zurück.

STANDARD: Ob Schutzmasken, Antigentests oder riesige Werbeausschreibungen: Die Einkaufspolitik des Bundes hat im Corona-Jahr 2020 für viel Kritik gesorgt. Sie sind Chef der zentralen Beschaffungsgesellschaft und freuen sich trotzdem über ein erfolgreiches Jahr. Wie kommt das?

Zotter: Wirtschaftlich gesehen war 2020 für uns sehr erfolgreich. Laut vorläufigen Zahlen sind wir um mehr als zehn Prozent im Abrufvolumen, als Non-Profit-Organisation aber nicht erlösseitig, gewachsen. Inhaltlich gesehen war das vergangene Jahr herausfordernd, wir haben auch einiges gelernt: Dass man einen Lieferanten unter Vertrag hat, heißt nicht, dass der auch liefern kann. Weltmärkte können während einer Pandemie überhitzen. Und in einer Krise ist der Aufbau von Lagern wichtig. Aber die überwiegende Erfahrung war, dass von den Ministerien über Vereine und NGOs alle extrem fokussiert daran gearbeitet haben, dass die Republik mit wichtigen Gütern versorgt bleibt – das war auch schön …

STANDARD: … und mitunter teuer. Für Antigentests hat die Republik deutlich mehr bezahlt als etwa die Slowakei. Wäre das nicht billiger gegangen?

Zotter: Wir haben im Sommer eine Ausschreibung für PCR-Tests gemacht, das Thema Antigentest kam erst im September über Medienberichte auf, aber die Schnelltests waren zu diesem Zeitpunkt nicht Bestandteil der Teststrategie der Regierung. Bei uns wurde damals ein Bedarf von gerade einmal 139.000 Euro angemeldet. Wir dürfen ohne Bedarf nicht tätig werden, wir brauchen jemanden, der einen Initialbedarf hat. Im Oktober wurden Antigentests dann Teil der Strategie der Regierung, gleichzeitig stieg die weltweite Nachfrage stark an. Die Slowakei hat sie bereits Mitte Oktober beschafft.

Die Bundesregierung setzte lange nur auf PCR-Tests, Antigentests wurden erst im Oktober 2020 Teil der Corona-Strategie. Den Bundesbeschaffern waren deshalb die Hände gebunden – ohne Bedarf der öffentlichen Hand dürfen sie nicht einkaufen.
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STANDARD: Können Sie in so einem Fall nicht selbstständig tätig werden?

Zotter: Nein, das soll ja auch den Markt schützen, denn wir dürfen ja nichts ausschreiben, was dann nicht von einem Bedarf im Hintergrund gedeckt ist. Wir können nicht die Lieferung von Antigentests ausschreiben, wenn völlig unklar ist, ob sie auch wirklich jemand abrufen wird. Sobald klar war, dass auch der Bund Schnelltests braucht, sind wir aktiv geworden. Das war Mitte Oktober. Wir haben versucht, sehr schnell Unternehmen über Notvergaben unter Vertrag zu nehmen. Die tatsächliche Beschaffung dieser Massentests erfolgte dann Mitte November, einen Monat nach der Slowakei. In einem Monat passiert einiges – auch bei den Preisen.

STANDARD: Wenn der Markt das nächste Mal überhitzt, gibt es das Corona-Notlager.

Zotter: Dass der Bund ein Lager eingerichtet hat, ist grundvernünftig. Wenn es günstig ist, sollte man das Lager anlegen – wie bei Aktiendepots. Das Covid-Lager wird aus unseren Verträgen bespielt, es ist gut sortiert und macht die Republik notfalls bis zu drei Monate lang unabhängig von den Weltmärkten.

STANDARD: Sie kaufen also nur ein, wenn es auch Bedarf vonseiten ihrer Kunden gibt. Für die türkis-grüne Bundesregierung haben sie eine Rahmenvereinbarung von 30 Millionen Euro für PR ausgeschrieben und 150 Millionen für Media-Schaltungen. Ist das nicht ein etwas übertrieben großer Bedarf?

Zotter: Mich überraschte die Aufregung. Der Markt wusste, dass wir bereits 2014 und 2018 ähnlich gelagerte Ausschreibungen gemacht haben. Als mit der Pandemie klar wurde, dass es eine Fülle an Informationstätigkeit braucht, und weil unsere Rahmenvereinbarungen bereits ausgeschöpft waren, haben wir das ausgeschrieben – auch um den Bedarf vergaberechtskonform abzusichern.

STANDARD: Die Kritik richtet sich an den riesigen Bedarf an Werbegeldern.

Zotter: Wir haben uns zurückliegende Media-Schaltungen angesehen und die historischen Daten auf vier Jahre hochgerechnet. Und wir haben versucht, die historische Ausnahmesituation der Pandemie im Volumen zu berücksichtigen. So kommt man auf den Betrag. Das Volumen ist ein Maximalbetrag, mit dem Werbebudget der einzelnen Ressorts hat das nichts zu tun. Das Werbebudget, das ein Ressort verantwortet, ist höchstens eine Teilmenge des ausgeschriebenen Rahmens. Wenn Sie bei einer Bank einen Überziehungsrahmen haben – sagen wir von 3.500 Euro –, dann können Sie bis dorthin und nicht weiter. Aber Sie müssen nicht bis dorthin. Und Sie tun gut daran, dort nicht hinzukommen.

Gerhard Zotter, studierter Jurist, ist seit August 2015 Geschäftsführer der zentralen Beschaffung.
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STANDARD: Man hätte die Rahmenvereinbarung ja nicht für vier Jahre ausschreiben müssen, sondern hätte den Bedarf Jahr für Jahr erheben können.

Zotter: Es war klar, dass dieser Bedarf über längere Zeit bestehen wird. Bei unseren Antigentest-Beschaffungen haben wir auf ein Jahr ausgeschrieben, ob diese nächstes Jahr noch ein zentraler Bestandteil der Regierungsstrategie sind, können wir nicht wissen. Verfahren müssen fair und transparent sein: Welcher Bedarf wird es maximal, wenn man realistische Annahmen trifft? Und es macht einen sehr großen Unterschied, ob Sie Dienstleistungen oder Produkte ausschreiben. Bei Produkten können Sie viele Anbieter unter Vertrag nehmen und den Bedarf immer wieder ausschreiben. Mit Dienstleistern arbeiten unsere Kunden ja zusammen. Da macht es Sinn, dass man wenige Anbieter für einen längeren Zeitraum unter Vertrag nimmt, um den Koordinationsaufwand zu senken und die Vorteile der gebündelten Vergabe zu heben.

STANDARD: Bei Masken haben Sie im Frühjahr sehr viele Anbieter unter Vertrag genommen. Hätte man nicht auf regionale Anbieter setzen müssen, um für Versorgungssicherheit zu sorgen?

Zotter: Das haben wir auch gemacht, und es war richtig. Den Markt für Schutzausrüstung gab es in Österreich vor der Pandemie de facto nicht.

Impfstoffe beschafft in Europa Brüssel, auch für Österreich. Die BBG stellt die verfügbaren Impfdosen im eigenen E-Shop zur Verfügung, über den berechtigte Impfstellen in Österreich die Präparate bestellen können.
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STANDARD: Es gab heimische Unternehmen, die sehr schnell eine eigene Maskenproduktion hochgezogen haben.

Zotter: Als wir die Maskenausschreibung gemacht haben, begannen in Österreich erste Produzenten, Masken zu konfektionieren. Aber niemand in Österreich hatte damals dieses Vlies, das man für medizinische Masken braucht. Wir waren von Lieferketten in der Türkei und Asien abhängig. Auch die Ohrenbänder waren nicht aus Österreich.

STANDARD: Das war im Frühjahr 2020. Sollte man nicht wenigstens jetzt auf heimische Anbieter setzen?

Zotter: Wir hatten schon sehr früh ein Wiener Unternehmen unter Vertrag, andere österreichische Maskenhersteller wenig später. Wir sind Wegbereiter und Ermöglicher. Von wem der Bund oder unsere anderen Kunden die Masken letztlich abrufen, ist nicht unsere Entscheidung. Unser Ziel ist es, den Bedarf der Republik Österreich schnellstmöglich und zu bestmöglichen Preisen sicherzustellen. Wir analysieren die Märkte sehr genau und prognostizieren, wie sie sich entwickeln. Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass wir unter den damaligen Voraussetzungen die Masken richtig und gut beschafft haben.

Kritik gab es auch an der Maskenbeschaffung der BBG. Deren Chef beharrt darauf, dass man aus Sicht einer zentralen Beschaffung für die Republik alles richtig und gut gemacht habe.
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STANDARD: Aber zum Missfallen mancher, die sich von der Corona-Krise auch einen Schub für die Regionalisierung der Beschaffungspolitik gewünscht haben.

Zotter: Es geht um Risikostreuung und Versorgungssicherheit. Wenn Sie nur wenige Lieferanten unter Vertrag haben, sind Engpässe wahrscheinlicher. Einkauf muss nicht immer sympathisch sein. Auf der einen Seite gibt es den Bedarfsträger, auf der anderen Seite den Weltmarkt. Wir bringen die beiden zusammen. Es stimmt auch, dass wir als BBG einen gesetzlichen Auftrag haben, KMUs zu fördern, wo es möglich ist. 75 Prozent unserer Lieferanten sind KMUs. Die steuerliche Wertschöpfung über uns ist riesig, 98 Prozent unserer Lieferanten haben ihren Firmensitz in Österreich. Öffentliche Aufträge fallen einem Unternehmen nicht zu. Es geht um Steuergeld, um das man sich erst bemühen muss. (Aloysius Widmann, 24.2.2021)