Die aktuelle Reform des Privatkonkurses endet wie die vorhergehende des Jahres 2017 – mit einem Kompromiss. Damals sollte die Verfahrensdauer von sieben auf drei Jahre verkürzt werden, geworden sind es fünf, in denen sich überschuldete Privatpersonen ihrer Altlasten entledigen können. Nun soll die Verfahrensdauer doch auf drei Jahre reduziert werden – und zwar für frühere Unternehmer dauerhaft, bei anderen Insolvenzgründen ist die Regelung nur für fünf Jahre angedacht. Entsteht dadurch tatsächlich die Gefahr, "der Verschuldung Tür und Tor zu öffnen", wie es der KSV 1870 befürchtet?

Im Sozialmarkt fällt das Einkaufserlebnis spartanisch aus. Für Menschen in Privatkonkurs ist dies in vielen Fällen gelebter Alltag.
Foto: Regine Hendrich

Der Gläubigerschützer befürwortet zwar die Verkürzung für gescheiterte Selbstständige, ist aber strikt dagegen bei Verbraucherschulden. "Während Unternehmer Arbeitsplätze schaffen und ein gewünschtes unternehmerisches Risiko eingehen, entstehen Schulden bei den Privaten häufig aufgrund ihres Konsumverhaltens", erklärt Karl-Heinz Götze, der beim KSV den Insolvenzbereich leitet. Übermäßiger Konsum stelle mit "mittlerweile knapp 30 Prozent" die häufigste Ursache für Privatkonkurse dar. Bei diesen würden die Rückzahlungsquoten künftig niedriger ausfallen und Gläubiger auf Verlusten sitzenbleiben.

Ökonomisch richtig

Von "zwei Herzen in einer Brust" berichtet hingegen Creditreform-Chef Gerhard Weinhofer. Als Kreditschützer schmerze ihn die Schlechterstellung von Gläubigern durch die kürzere Verfahrensdauer, aus volkswirtschaftlicher Sicht findet er dies jedoch richtig – und zwar, um nach der durch die Corona-Pandemie zu erwartenden Pleitewelle wieder rascher auf die Beine zu kommen. "Private können dann schneller wieder als Konsumenten in den Wirtschaftskreislauf integriert werden", erklärt Weinhofer.

Ein Argument, das auch Verbraucherschützerin Daniela Zimmer von der Arbeiterkammer (AK) ins Treffen führt. "Wirtschaftlich ist eine Erholung leichter, wenn die Menschen nicht mit Altlasten belastet sind", sagt sie über die zu erwartende Pleitewelle bei Privatpersonen. Aus mehreren Gründen, etwa den Lockdowns oder Regierungshilfen, sind die Insolvenzen im Corona-Jahr 2020 um etwa ein Fünftel zurückgegangen, wodurch sich ein Rückstau gebildet hat. Allerdings räumt Zimmer hinsichtlich der kürzeren Verfahrensdauer bei Konsumschulden ein, dass "die Virussituation die Entscheidung sehr begünstigt hat".

Nicht viel zu holen

Dabei sieht Zimmer auch sonst gute Gründe, dass sich auch Haushalte schneller entschulden können. Etwa dass bei den meisten Betroffenen ohnedies nicht mehr so viel zu holen sei. "Menschen, die eine Restschuldbefreiung anstreben, haben in der Regel nichts. Selbst wenn man noch so quetscht und presst, wird man nicht mehr herausholen können."

Von einem Auseinanderdividieren von gescheiterter Selbstständigkeit und anderen Insolvenzfällen hält die AK-Expertin ohnedies nicht viel. Ihr Argument: Speziell bei Ein-Personen-Unternehmen ließen sich private und unternehmerisch verursachten Schulden kaum voneinander abgrenzen. Notwendig wurde die Reform des Privatkonkurses durch eine EU-Vorgabe, der zufolge sich ehemalige Unternehmer binnen drei Jahren entschulden können. Ob dies, wie in Österreich geplant und in Deutschland bereits umgesetzt, auch für Konsumschulden gelten soll, blieb den Mitgliedsstaaten überlassen.

Ab Mitte Juli

Gelten soll die Reform Creditreform-Chef Weinhofer zufolge ab 16. Juli, Übergangsregelungen seien keine vorgesehen. Wer sich also schon in einem Privatkonkurs über ein fünfjähriges Abschöpfungsverfahren mit Einkommenspfändungen befindet, für den ändert sich nichts. Zudem wurden übrigens auch die Steuer- und Abgabenstundungen um drei Monate bis Ende Juni verlängert, Stundungszinsen und Säumniszuschläge fallen bis dahin nicht an.

Für einen "PR-Gag" und eine "juristische Totgeburt" hält Weinhofer die geplante sogenannte "zweite Chance für Unternehmen". Bei Gericht soll ein Restrukturierungsplan mit Gläubigermehrheit erzielt werden, um eine echte Insolvenz abzuwenden. Dies widerspreche zudem den Bestrebungen, Insolvenzen von Unternehmen zu entstigmatisieren. (Alexander Hahn, 22.2.2021)