Nicht nur bei Juristen führt das Homeoffice-Gesetz zu Stirnrunzeln. Das neue Gesetz werfe zu viele Fragen auf.

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Wien – Die mit dreieinhalb Tagen extrem kurze Begutachtungsfrist für das "Homeoffice-Gesetz" war kein Hindernis für Beanstandungen und Kritik. Mehr als 40 Stellungnahmen gingen im Nationalrat ein – viele davon äußerst kritisch, aber allesamt äußerst konstruktiv.

Eine erste Durchsicht legt umfangreiche Änderungen und Verbesserungen des Gesetzentwurfs nahe, der nach dem Willen von Arbeitsminister Martin Kocher so bald als möglich den Ausschüssen zugewiesen und im April im Nationalrat beschlossen werden soll. Daran ändert auch die im Finanzausschuss beschlossene Verringerung der Homeoffice-Tage von 42 auf 26 nichts, die für die steuerliche Absetzbarkeit des Aufwands notwendig sind.

Die wichtigsten Punkte:

  • Wohnung als Betriebsstätte Homeoffice ist laut dem Entwurf alles, was der Arbeitnehmende an Arbeitsleistungen in der Wohnung erbringt. Das greife zu kurz, argwöhnt der Städtebund. Gemeint sei ja generell disloziertes Arbeiten, also auch an Nebenwohnsitzen und Wohnungen von lebensnahen Personen.
  • Kinder und Tiere und die Dienstnehmerhaftung Das Justizministerium etwa begrüßt den beabsichtigten Entfall beziehungsweise die Milderung der Dienstnehmerhaftung im Fall einer Schädigung des Dienstgebers etwa durch Beschädigung des Laptops oder Bildschirms durch Kinder oder Haustiere grundsätzlich. Es ortet allerdings massive Schwächen bei der Umsetzung.
    Einerseits fehle in der gewählten Formulierung der unmittelbare zeitliche und sachliche Zusammenhang mit der Dienstleistung. Anderseits ginge die intendierte Haftungserleichterung im Fall einer Schädigung des Dienstgebers durch eine mit dem Dienstnehmer im Haushalt lebende Person über das hinaus, was bei einer Schädigung unmittelbar durch den Dienstnehmer selbst gelten würde. "Es ist fraglich, ob dies beabsichtigt ist", so die rhetorische Frage des Justizministeriums.

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Beschädigt ein Kind oder gar das Haustier die vom Dienstgeber beigestellten Betriebsmittel, könnte das teuer werden für Dienstnehmer.
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Dies ist insofern brisant, als der Dienstnehmer diesfalls gemäß Dienstgeberhaftpflicht Anspruchsgegner für die Liquidierung des Schadens wäre, was letztlich auf eine Haftungserweiterung für Dienstnehmer hinauslaufen würde. Der Arbeitnehmer "müsste sogar für Schäden einstehen, die er auch durch Einhaltung aller in treffenden Sorgfaltspflichten nicht hätte verhindern können, warnt das Justizministerium.

  • Schriftlich und/oder mündlich? Verwirrung stiftet auch das Schriftlichkeitsgebot insofern, als fehlende Schriftlichkeit nicht zur Nichtigkeit der zwischen Dienstgeber und -nehmer vereinbarten Homeoffice-Nutzung führt. Der Städtebund will wissen, wen die Beweislast im Streitfall trifft.
  • Krisenszenarien Der Verband der Zeitungsherausgeber vermisst klare Regelungen für Krisenszenarien: Kann bei einer Inzidenzzahl (Infektionen je 100.000 Einwohner) über einem bestimmten Wert Homeoffice verfügt werden? Grundsätzlich kann Homeoffice ja nur einvernehmlich vereinbart werden.
  • Triftige Gründe braucht es, wie berichtet, für die Auflösung einer Homeoffice-Vereinbarung durch eine der beiden Vertragsparteien. In fast jeder Stellungnahme wird die Konkretisierung dieser "wichtigen Gründe" gefordert, die zu einer Lösung zum Monatsletzten eines Kalendermonats berechtigt.

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Digitale Betriebsmittel muss der Arbeitgeber bereitstellen, Sessel und Internet nicht.
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  • Digitale Arbeitsmittel Wie andere Arbeitgeber beklagen Städte und Gemeinden, dass die Regelung Mehrkosten verursache, weil Kostenersatz für vom Dienstnehmer bereitgestellte digitale Arbeitsmittel zu leisten ist. Die Gebietskörperschaften wünschen sich über "Hardware" (Laptop, Drucker) hinausgehende Kosten wie Ersatz von Miete, Strom, Internet, Druckerpapier. "Ist der Arbeitnehmer nach dem Willen des Gesetzgebers auf den steuerlichen Ersatz verwiesen, oder hat er Anspruch gegenüber dem Betrieb?
  • "Aufzeichnungsexzess" in der Lohnverrechnung Als überschießend betrachtet nicht nur die Wirtschaftskammer, dass der Dienstgeber Buch führen muss, ob Angestellte tatsächlich mindestens 42 Tage Heimarbeit gemacht haben im Jahr. Ist das nicht der Fall, gebührt dem Dienstnehmer in Analogie zur Pendlerpauschale keine steuerliche Absetzbarkeit (maximal 300 Euro pro Jahr für Anschaffung von Büroausstattung) bzw. Steuerfreiheit von Kostenersatz für die Privatnutzung von Geräten).
    Arbeitsruhe Arbeitsrechtler Martin Gruber-Risak von der Uni Wien hält EU-Rechtsbestimmungen zu Anfang und Ende der Ruhezeit und dem Recht auf Nichterreichbarkeit im Homeoffice für unzulänglich. Kostentragung und Betriebsmittelbereitstellung seien dispositiv statt unabdingbar.
  • Arbeitnehmerschutz Die Unfallversicherungsanstalt (AUVA) sieht den Arbeitnehmerschutz untergraben, weil etwa Schutzbestimmungen für Bildschirmarbeit im Homeoffice nicht zur Gänze gelten. Pausenregelungen seien widersprüchlich, Belichtung und Raumtemperatur unterbelichtet. Die AUVA plädiert deshalb für eine Befristung des Gesetzes bis Jahresende mit anschließender Evaluierung. (Luise Ungerboeck, 22.2.2021)

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