Wien – Am kommenden Montag will die Regierung darüber beraten, wie die nächsten Öffnungsschritte aussehen sollen. Gehörigen Druck bekommt sie dabei von der Gastronomie, die sich längst in die Startposition für ein Aufsperren begeben hat. Sollten die Covid-Fallzahlen in den kommenden Tagen nicht explosionsartig ansteigen, hofft man in der Branche auf eine Öffnung am 15. März. "Der Österreicher braucht sein Wirtshaus", ist sich Spartenobmann Mario Pulker von der Wirtschaftskammer (WKO) sicher. In einer Pressekonferenz am Dienstag pochte er ein weiteres Mal auf ein rasches Aufsperren.

Wie berichtet, haben sich die Wirtschaftskammer und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag bei einem Gastro-Gipfel weitgehend auf ein Sicherheitskonzept verständigt. Sollte es das Infektionsgeschehen zulassen, könnten Lokale Mitte März sowohl ihre Gastgärten wie auch die Innenräume wieder öffnen. Gäste müssen sich registrieren, Abstand halten und – sofern sie nicht am Tisch sitzen – eine FFP2-Maske tragen.

Ein Bild aus anderen Zeiten: So volle Schanigärten wird es auch nach einer möglichen Öffnung Mitte März nicht geben. Zwischen den Tischen muss Abstand gewahrt werden.
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Darüber hinaus müssen Lokalbesucher einen negativen Corona-Test mitbringen, der maximal 48 Stunden alt ist. Dieser soll von den Wirten kontrolliert werden. Sogenannte Nasenbohrtests sollen nicht erlaubt sein. Dass der spontane Kaffee damit wegfalle, sei klar, sagt Pulker. Bei größeren Häusern und Hotels gebe es auch Überlegungen, vor Ort zu testen. Für kleinere Lokale wird das wohl nicht möglich sein. Bei der WKO wisse man, dass das Konzept nicht für alle 60.000 Mitgliedsbetriebe infrage komme, "es geht um die Allianz der Willigen". Ohne Nachtgastronomie und Saisonbetriebe könnten 60 bis 70 Prozent der Gastronomiebetriebe wieder aufsperren, schätzt Pulker.

Aus Sicht des Gastronomie-Obmanns kann die Branche mit der Öffnung einen Beitrag zur flächendeckenden Testung leisten. Auch für die Gastronomen selbst sei es wichtig, dass getestet wird. Bei einem positiven Fall im eigenen Lokal müssten schließlich alle Mitarbeiter als K1-Kontaktpersonen in Quarantäne. "Wir wollen nicht jetzt öffnen und in 15 Tagen wieder zusperren", sagt der Branchenvertreter.

Nur mit Abendgeschäft

Eine alleinige Öffnung der Schanigärten lehnt Pulker ab, dann würde der Großteil der Restaurants erst gar nicht aufsperren. Auch die frühe Sperrstunde müsse fallen, Lokale bis 22 oder im Idealfall 23 Uhr geöffnet bleiben. "Ohne Abendgeschäft wäre das ein betriebswirtschaftliches Fiasko." Akkordiert sei dahingehend noch nichts, eine längere Öffnung aber die klare Forderung der Kammer. Das würde wohl auch bedeuten, dass die bisher gültige Ausgangsbeschränkung zwischen 20 und 6 Uhr fällt.

Diesen Wunsch will man im Gesundheitsministerium nicht weiter kommentieren. "Die Bundesregierung evaluiert die Auswirkungen der bisherigen Öffnungen und berät am 1. März gemeinsam mit den Bundesländern und ExpertInnen über die Möglichkeit gesicherter Öffnungsschritte in weiteren Bereichen", hieß es auf Nachfrage aus dem Ressort von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). "Diese sind jedenfalls abhängig von der Entwicklung der Infektionslage in Österreich."

Sollte kommenden Montag eine Öffnung der Gastronomie beschlossen werden, sei eine Vorlaufzeit von 14 Tagen notwendig, um die Betriebe wieder aufzusperren, erklärten zwei bei der Pressekonferenz anwesende Köche. Das sei mit dem Bundeskanzler auch so akkordiert worden, hieß es seitens der Wirtschaftskammer.

Restaurant und Freunde

In einem Lokal etwas zu essen oder nach der Arbeit auf ein Getränk zu gehen: Das geht nicht nur den Menschen in Österreich ab, sondern verständlicherweise in ganz Europa. Wie eine Umfrage der internationalen Restaurant-Buchungsplattform The Fork zeigt, vermissen die Leute Lokalbesuche sogar mehr als ihre Freunde. Mehr als 7.000 Nutzer der Plattform und über 2.800 Restaurantbetreiber wurden befragt. Auf die Frage, welche Aktivitäten man im Lockdown am meisten vermisst habe, antworteten 79 Prozent mit Restaurantbesuchen, 73 Prozent mit dem Treffen von Freunden. Man darf aber nicht vergessen, dass das Treffen von Freunden und ein Lokalbesuch oft Hand in Hand gehen. In Österreich kennt man The Fork vermutlich am besten in Wien. Die Tripadvisor-Tochter hat im vergangenen Juni die heimische Gastro-Plattform Delinski übernommen.

Sobald die Bars und Restaurants ihre Pforten öffnen, sind die Menschen da. Die Anzahl von Restaurantreservierungen im Sommer 2020 nach dem ersten Lockdown war weltweit fast genauso hoch wie 2019. Und in der Schweiz, Italien, Portugal, Schweden und Belgien gab es sogar einen Zuwachs. Die Krise hat der Digitalisierung auch hier einen ordentlichen Schub gegeben. Fast 90 Prozent der Befragten würden sich eine Onlinerezension durchlesen, bevor sie sich für ein Lokal entscheiden.

Verändertes Verhalten

Insgesamt geben fast 70 Prozent an, dass die Pandemie das eigene Essverhalten verändert hat – sowohl beim Kochen als auch beim Essengehen. Beim Selberkochen wolle man mehr Wert auf Herkunft und Qualität der Lebensmittel legen. Europaweit würden mehr als 40 Prozent künftig bewusster Schanigärten bevorzugen und öfter online buchen. In Bezug auf das Budget sind die Auswirkungen begrenzt, da nur 19 Prozent vermehrt auf ihre Ausgaben im Restaurant achten wollen.

Den Gastronomen blieb nichts anderes übrig, als schnell zu reagieren und Essen zur Lieferung bzw. Abholung anzubieten. Die Anzahl der Restaurants in Österreich, bei denen es Speisen für zu Hause gibt, hat sich seit dem ersten Lockdown verdoppelt, heißt es in der Umfrage. Und fast 40 Prozent der Österreicher würden seit der Krise deutlich öfter Essen bestellen.

In der Wirtschaftskammer ist man sich sicher, dass die Gastro-Öffnung gut angenommen würde. Pulker verwies am Dienstag ein weiteres Mal auf eine von der WKO beauftragte Umfrage des Market Instituts mit rund 2.000 Teilnehmern, wonach sich acht von zehn Österreichern für eine Öffnung der Gastronomie ausgesprochen haben – und sich dafür auch testen lassen würden. In Kinos und Fitnessstudios war die Befürwortung von Eintrittskontrollen mit 61 beziehungsweise 55 Prozent deutlich niedriger. (lauf, and, 23.2.2021)