Der Gotthard-Straßentunnel: Eine Entwicklung aus Österreich soll die Reparatur von Rohrsystemen im Bedarfsfall vereinfachen.

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Wo ein Berg ist, ist – zumindest in den Alpen – auch das Wasser nicht weit. Es fließt nicht nur die Flanken hinab, sondern auch durch poröse Schichten und in Adern im Inneren der Gebirge. Baut man einen Tunnel durch diese Berge, muss man sich auch um das Wasser kümmern.

Straßen- und Bahntunnel werden deshalb mit Drainagesystemen ausgestattet, also mit Rohren, die seitlich und unterhalb von Fahrbahn oder Schienen verlegt sind und das überschüssige Wasser aufnehmen. Sie ähneln Kanalrohren, verfügen aber zusätzlich über Drainageschlitze, über die das Wasser, das durch den Berg sickert, aufgenommen werden kann.

Die Tunneldrainagen haben im Vergleich zu den Kanalrohren, die unter den Straßen einer Ortschaft verlegt sind, einen großen Nachteil: Sie sind hinter Beton und Fels verborgen. Der Aufwand, die Rohre auszugraben, um sie zu erneuern, wäre enorm. Deshalb möchten die Tunnelbetreiber eine möglichst lange Nutzungsdauer erreichen, bevor ein Tunnel diesbezüglich im großen Stil saniert werden muss.

Kalkablagerungen

Im Projekt Drain Repair, das von der Förderagentur FFG mit Mitteln des Klimaschutzministeriums unterstützt wird, machen sich Forscher der Montanuniversität Leoben gemeinsam mit Wirtschaftspartnern auf die Suche nach neuen Lösungen, die die Lebensdauer der Drainagerohre wesentlich verlängern können.

"Je nach lokaler geologischer Zusammensetzung des Gebirges kann es dazu kommen, dass lokale Kalkablagerungen – Versinterungen – in den Rohren entstehen", erklärt Florian Arbeiter vom Lehrstuhl für Werkstoffkunde und Prüfung der Werkstoffe der Montan-Uni. "So kann es etwa sein, dass nur ein kleiner Teil des kilometerlangen Tunnels starke Versinterungen aufweist."

Diese Ablagerungen können zu richtigen Kalkplatten anwachsen, die nur schwer wieder entfernbar sind. Die Reinigung erfolgt durch Spezialfirmen, die einen sogenannten Molch durch das Rohr schicken, ein Gerät, das die Ablagerungen mittels Hochdruckwasserspülung entfernt. Doch gerade wenn häufig und intensiv gereinigt werden muss, ergeben sich Abnützungserscheinungen der Rohre. Werden sie defekt, kann im schlimmsten Fall das gesamte Bauwerk darunter leiden.

Sanierung ohne Graben

In einem Vorgängerprojekt haben Arbeiter und Kollegen bereits an einer Optimierung der Materialien für Rohre, die bei einem Tunnelneubau verlegt werden, gearbeitet. In Drain Repair stehen nun Methoden für eine "grabenlose" Sanierung im Vordergrund.

Derartige Methoden sind bereits für Kanalrohrsanierungen bekannt. Für das Forschungsprojekt wurde das "cured-in-place pipe" (CIPP) genannte Verfahren zum Ausgangspunkt, bei dem ein in Kunstharz getränkter Gewebeschlauch dem Rohr übergestülpt wird und mit Luft- oder Wasserdruck in das zu sanierende Rohr eingebracht wird, sodass nach Aushärtung ein neues stabiles Innenrohr entsteht.

Arbeiter und Kollegen wollen diesen Ansatz nun auf die ungleich schwierigeren Bedingungen im Tunnelbau übertragen.

Schwierige Ausgangssituation

Denn hier gibt es Einschränkungen, die die Sache deutlich schwieriger machen. Im Tunnel gibt es nur etwa alle 75 Meter kleine Putzöffnungen, was den Zugang also vergleichsweise schwer macht.

Die größte Hürde ist aber, dass die Rohrsanierung praktisch während der Nutzung vonstattengehen muss. Arbeiter: "Ein Kanalrohr kann ich absperren und austrocknen lassen. Bei der Tunneldrainage kann ich dem Berg nicht sagen: Dreh das Wasser ab, wir reparieren!"

Der Forscher kümmert sich mit Kollegen nun darum, optimale Kunststoffharzvarianten zu finden, die diesen Herausforderungen entsprechen. "Die Harze sollen trotz des ständigen Wasserzutritts sauber aushärten und jene mechanischen Eigenschaften ausbilden, die in diesem Umfeld benötigt werden", sagt Arbeiter.

Rasch aushärten

Wichtige Fragen sind dabei etwa, wie schnell das Harz aushärtet und wie gut es sich verarbeiten – also rechtzeitig an Ort und Stelle bringen – lässt. Der beste Garant, dass kein Kunststoff in die Umwelt ausgeschwemmt wird, sei das richtige Mischverhältnis zwischen Harz und Härter, die zusammen ein in sich geschlossenes System bilden und gemeinsam aushärten, erklärt Arbeiter.

Im fertigen Innenrohr müssen dann auch die Drainageschlitze erneuert werden. Roboter mit Fräsen oder mobile Wasserstrahlschneider könnten hier zum Einsatz kommen.

Noch stehen Arbeiter und Kollegen in dem dreijährigen Projekt "mitten in der Materialentwicklung". ÖBB und Asfinag, die das Projekt unterstützen, hätten laut Arbeiter bereits jetzt genügend Anwendungsfälle parat. Der Werkstoff muss auf dem Weg aus dem Labor in den Berg aber noch einige Hürden nehmen.

Getestet wird an Materialprüfkörpern, bevor in kurzen Rohrabschnitten Versuche erfolgen, erklärt Arbeiter. Zur Generalprobe geht es dann in den Versuchstunnel "Zentrum am Berg" im Erzberg. Hier wird das Verfahren an einem realen Bauwerk erprobt, bevor es in die Praxis der Alpentunnel entlassen wird. (Alois Pumhösel, 27.2.2021)