Geht es nach der ÖVP, soll die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in dieser Form wohl nicht mehr existieren.

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Am Montagvormittag war es so weit: Wegen der Debatte rund um die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) trafen sich im Bundeskanzleramt Justizministerin Alma Zadić (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) mit Standesvertretern der Justiz."

Mit diesen zwei Sätzen begann am 10. Februar 2020 ein Artikel des STANDARD. Genau ein Jahr später ist die türkis-grüne Regierung wieder in derselben Situation: Die ÖVP attackiert die Arbeit der Korruptionsermittler, während die Grünen versuchen, den Konflikt für sachpolitische Erfolge zu nützen.

Waren es damals die Ermittlungen gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) und den schreddernden Kurz-Mitarbeiter, ist es nun das Vorgehen gegen den aktuellen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), das die türkise Parteispitze in Wallung bringt. Und wie schon am 7. Februar 2020 wurden auch am Dienstag in der Tageszeitung Kurier exklusiv ÖVP-Ideen für eine Justizreform gestreut.

Aufsplitterung der Agenden

De facto sehen die türkisen Pläne mehr oder weniger eine Zerschlagung der WKStA vor. Es soll keine "zentrale" Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mehr geben, sondern vier "Spezial"-Staatsanwaltschaften, die bei den vier Oberstaatsanwaltschaften angesiedelt sind. Angedacht ist eine Staatsanwaltschaft gegen Cyberkriminalität, eine für den Bereich Terrorismus sowie eine für Wirtschafts- und eine für Korruptionsstrafsachen.

Damit wäre die von der ÖVP hinter vorgehaltener Hand schon lang geforderte Entflechtung von Wirtschafts- und Korruptionsdelikten vollzogen. Justizministerin Alma Zadić, die derzeit in Babypause ist, hat sich in den vergangenen Monaten immer wieder gegen eine derartige Aufsplittung ausgesprochen.

Tatsächlich haben die großen Korruptionscausen auch fast immer einen zentralen Wirtschaftsstrang: sei es die Causa Eurofighter, die Causa Buwog oder eben jetzt die Causa Casinos. Deshalb ergebe es Sinn, beide Deliktgruppen gemeinsam zu betrachten, hieß es auch zuletzt noch aus dem Justizministerium.

Grüne winken ab

Mit einer Organisationsreform, wie sie der ÖVP vorschwebt, würden wohl auch die Leitungspositionen der "Spezial"-Staatsanwaltschaften neu ausgeschrieben werden. Die Regierung hätte dadurch also die Chance, die Personalbesetzungen in der Justiz auf einen Schlag großflächig zu verändern.

Dass es dazu tatsächlich kommt, ist aber unwahrscheinlich. Aus dem Büro von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) heißt es zum STANDARD: "Die Vorschläge zur WKStA stehen überhaupt nicht zur Diskussion." Auch andere hochrangige Grünen-Politiker versichern im STANDARD-Gespräch, dass es zu "keiner WKStA-Reform kommen" wird.

Ministerrat am Mittwoch

Dass der Kurier nun über türkise Vorschläge berichtet, wird als "taktischer Vorstoß" des Koalitionspartners gewertet. Im Büro von Kogler wird erklärt, dass zwar "Gespräche zum Thema Justiz laufen" – aber eben vor allem über die Ausgestaltung der Funktion des unabhängigen Bundesstaatsanwalts.

Via Austria Presse Agentur ließ Edtstadler auch ihre Wünsche für diesen neu zu schaffenden Posten verlauten: Er solle mit Zweidrittel-Mehrheit im Parlament nach einem öffentlichen Hearing gewählt werden, sagte die Verfassungsministerin.

Am Mittwoch tritt die Regierung zu einem Ministerrat zusammen. Dort sei – wenn überhaupt – zu erwarten, dass sich Türkis und Grün auf einen Prozess einigen, wie bei verschiedenen Vorhaben im Justizbereich weiter vorgegangen wird, heißt es von grüner Seite.

Scharfe Kritik von Justizkreisen und Opposition

Die kolportierten türkisen Pläne zum Umbau der WKStA stoßen in Justizkreisen wie auch bei der Opposition jedenfalls auf scharfe Kritik. "Wer der ÖVP gefährlich wird, wird zuerst diffamiert, dann mit dem Vorschlaghammer attackiert und schließlich mit Auflösung bedroht", sagt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch.

Neos-Vize-Klubchef Nikolaus Scherak vermutet, dass die Kanzlerpartei nicht nur die WKStA, sondern das gesamte Strafverfolgungssystem zerschlagen und nach ihrer Vorstellung umbauen wolle. Man dürfe keinen "Begehrlichkeiten nachgeben, die die ÖVP vorantreibt, um die lästige Staatsanwaltschaft aus dem Verkehr zu ziehen", sagt FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl.

Klare Worte findet auch der Verfassungsjurist Heinz Mayer im STANDARD-Gespräch: Die türkisen Vorschläge würden ihn "sprachlos" machen. Dass "eine Partei, die Schwierigkeiten mit einer Staatsanwaltschaft hat, diese einfach auflösen möchte", habe er "bis vor kurzem nicht für möglich gehalten".

Internationale Verpflichtungen

Gänzlich auflösen lässt sich die WKStA übrigens ohnehin nicht: Österreich hat sich im Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarats dazu verpflichtet, "die erforderlichen Maßnahmen für die Spezialisierung von Personen oder Einrichtungen auf die Korruptionsbekämpfung" zu treffen. Und noch mehr: Diese Ermittler müssen die erforderliche Unabhängigkeit genießen, "um ihre Aufgaben wirksam und frei von jedem unzulässigen Druck wahrnehmen zu können", heißt es in dem von Österreich im Jahr 2014 ratifizierten Vertrag.

Überhaupt gibt es aus europäischer Sicht noch Nachholbedarf bei der Unabhängigkeit der österreichischen Staatsanwaltschaften. Das zeigt eine Evaluierung der Staatengruppe gegen Korruption (Greco), einer Einrichtung des Europarats: Dort wird mit Nachdruck empfohlen, "die Stellung der Staatsanwälte weiter an die Stellung der Richter anzupassen", um ihre Unabhängigkeit zu stärken. (Sebastian Fellner, Katharina Mittelstaedt, Fabian Schmid, 23.2.2021)