Vor Dingen, die man nicht sieht, kann man leichter Angst haben. Das trifft insbesondere auf "Strahlung" zu. Spätestens mit dem Beginn des 3G-Zeitalters Anfang der 2000er wurden Funkwellen als Gefahr dargestellt. Handys, WLAN-Router und sogar die Abstrahlungen von Bildschirmen sollen Probleme von Kopfweh bis Krebs verursachen, doch am Nachweis dieser Effekte fehlt es bis heute. Im Gegenteil: Obwohl es in Österreich seit über 25 Jahren Mobilfunk gibt, hat sich die Inzidenz bei Gehirntumoren nicht nach oben entwickelt.

Ungeachtet dessen wissen zahlreiche Anbieter, aus der unbegründeten Angst Profit zu schlagen. Esoterische Produkte aller Art sollen ihre Nutzer retten. Eine (unvollständige) Übersicht über Produkte aus der wirren Welt der Strahlen-Gadgets.

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Der Klassiker: Rosenquarz

Noch bevor Mobilfunk ein großes Thema war, war es "Bildschirmstrahlung", die Sorge bereitete. Das lange Blicken auf einen Monitor ist nach Ansicht von Experten tatsächlich ungesund, die Gründe dafür sind allerdings nicht im Elektromagnetismus zu finden. Dennoch gibt es eine Pseudolösung für ein Pseudoproblem, und zwar in Form von Rosenquarz. Wer sich die pinkfarbende Variante des Minerals Quarz auf, vor oder neben den Bildschirm stellt, könne so dessen Strahlung reduzieren und damit die Augen entlasten und andere gesundheitliche Vorteile genießen. In der Praxis hat man im besten Fall eine schöne Tischdekoration oder einen Briefbeschwerer.

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Handysticker

Angst davor, dass das Handy bei langem Telefonieren das Hirn mit gefährlichen Strahlen bombardiert? Glaubt man diversen Anbietern, so kann man sich dem elektromagnetischen Beschuss einfach entziehen, indem man einen metallenen Sticker auf das Telefon klebt. Weil dieser generell gegen "Elektrosmog" wirken soll, soll er diese Wirkung auch entfalten, wenn man ihn auf WLAN-Router, Drucker, Klimaanlagen oder Kühlschränke klebt. Ein Sechserpack des hier zu sehenden Produkts kostet zehn Euro. Geld, für das sich deutlich schönere Aufkleber kaufen lassen, die – wie dieser – absolut keine Wirkung entfalten.

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Handysticker (Teil 2)

Der Markt für Strahlen-Gadgets ist mitunter verwirrend. Denn mit Stickern lässt sich offenbar nicht nur "böse" Strahlung abwehren. Man kann mit ihnen auch den Empfang verstärken. Ebenfalls schon bekannt aus der Anfangszeit des Massenmobilfunks sind diese Aufkleber, die meist als "Antennenbooster" verkauft wurden. Aufgepickt auf das Handy oder ins Akkufach des alten Nokia 3310, und schon soll das Funkloch besiegt sein. Preislich und wirktechnisch liegt man hier ähnlich wie bei den Schutzstickern. Wer daheim schwachen Empfang hat, sollte über einen realen Verstärker nachdenken, der eine oder mehrere Antennen besitzt und Stromversorgung benötigt – und im Gegensatz zu den Aufklebern auch funktioniert.

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Orgonit-Generatoren

Streng genommen nicht nur ein Strahlengadget, soll es doch Kraft seiner – Zitat des Konzepterfinders Wilhelm Reich – "primordial-kosmischen Energie" gegen sogenannte Chemtrails wirken. Unter dem Begriff versteht man einen Verschwörungsmythos, laut dem Regierungen, Militärs oder andere finstere Mächte über harmlose Linienflüge Stoffe in die Luft einbringen, die zur Bevölkerungsreduktion, Gedankenkontrolle oder sonstigen Machenschaften dienen. Mit der Wunderwaffe Orgonit soll man sich dem entziehen können. Wie genau, vermag aber kein Anbieter plausibel zu erklären. Dennoch gibt es diese Gadgets, oft auch "Cloudbuster" oder "Chembuster" genannt, in den unterschiedlichsten Preiskategorien und Größen, vom Tischaufsteller bis zu Gartenskulpturen. Warum letztere verdächtig oft aussehen wie in Kunstharz gegossener Baustellenabfall mit wahllos angebrachten Metallteilen, darüber darf an dieser Stelle jeder für sich selbst spekulieren.

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Handysticker (Orgonit-Edition)

Bereits erwähntes Orgonit scheint aber ohnehin eine Wundersubstanz ähnlich Graphit zu sein. Nicht nur sollen sich damit Chemtrails auflösen lassen, man kann damit auch Strahlung jedes Mobilfunktyps neutralisieren. Das verspricht jedenfalls der Anbieter Orgonise Africa in Bezug auf sein "Orgonit Maxi-Schild", das man im Duopack für wohlfeile 20 Euro über Amazon vertreibt. Der Onlinehändler liefert die esoterischen Aufkleber auch bedenkenlos portofrei an seine Prime-Kunden aus. Auch ein zweiter Effekt wird prominent beworben und dürfte beim Lesen jedem, der ein klein wenig von elektromagnetischer Strahlung versteht, physische Schmerzen bereiten. Die Sticker sollen nämlich die Strahlung neutralisieren, ohne dabei den Empfang zu beeinträchtigen. Nur für den Fall, dass es nicht ohnehin längst klar ist: Ihre einzige Wirkung betrifft den Kontostand naiver Käufer.

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5G Bioshield

Bleibt noch als letzter Eintrag das "5G Bioshield". Die Zielgruppe steckt im Namen, gelockt werden sollen alle, die die wachsenden 5G-Netze für eine gesundheitliche Bedrohung halten, obwohl der neue Mobilfunkstandard aus "strahlentechnischer" Sicht nicht anders funktioniert als seine Vorgänger, sondern im Wesentlichen verbesserte Antennentechnologie und ein neues Übertragungsprotokoll einführt. Wenn jedenfalls das erstaunlich oft praktizierte Anzünden von Mobilfunkmasten den Netzausbau nicht aufhalten kann, soll dieses Gadget helfen, zumindest sich selbst oder die eigenen vier Wände der 5G-Abdeckung zu entziehen. Ab 310 Euro ist man dabei. Zumindest für den Anbieter ein gutes Geschäft, handelt es sich doch praktisch um einen aufgehübschten USB-Stick mit einem Hundertstel des Materialwerts. Was sich stattdessen lohnt, ist ein Blick auf die Website des Anbieters (die wir sonst nicht verlinken würden), deren deutsche Ausgabe von Google Translate herrlich schlecht übersetzt wird.

Das Geschäft mit der Schwurbelei

Warum keines dieser Produkte etwas in Sachen Funkstrahlung bewirkt, lässt sich recht einfach erklären. Der "Einfluss" dieser Strahlung hängt im Wesentlichen davon ab, welche Frequenz genutzt wird, wie viel Energie seitens des Senders aufgewendet wird. Terrestrische Fernsehsender arbeiten häufig im Kilowattbereich, Funksender erreichen kaum mehr als 250 Watt, 5G-Sender für kleinflächige Abdeckungen liegen weit darunter. WLAN-Router versorgen ihr Funkmodul typischerweise mit Leistung im einstelligen Watt-Bereich.

Ebenfalls relevant ist, ob es zwischen Sender und Empfänger Hindernisse gibt, die von elektromagnetischen Wellen nicht gut durchdrungen werden. Keiner dieser Aspekte wird von Bioshield, Handysticker und Co in irgendeiner Weise beeinflusst. (gpi, 27.2.2021)