Carmen Thornton ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Trennungen und Scheidungen, sowie Obsorge- und Unterhaltsverfahren. Thornton & Kautz Rechtsanwälte, www.thornton-kautz.at

Auf derStandard.at/Familie beantwortet sie rechtliche Fragen bezüglich des Familienlebens.

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Kinder wachsen schnell, sie brauchen andauernd neue Kleidung, Schuhe oder Freizeitbedarf. Doch wer kommt bei getrennt lebenden Elternteilen dafür auf?

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Vor einigen Jahren hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei getrennten Elternteilen eine zeitlich gleichteilige Betreuung durch beide Eltern (Doppelresidenz) möglich ist, wenn dies für das Kind am besten ist. Seither wird das Doppelresidenzmodell von den Gerichten zunehmend forciert und ist mittlerweile vor allem bei älteren Kindern eher die Regel als die Ausnahme.

Entfall der Unterhaltspflicht bei gleichteiliger Betreuung

Das Doppelresidenzmodell hat aber auch Auswirkungen auf die Höhe des Kindesunterhalts. Bei einer annähernd gleichteiligen Betreuung kommt es nämlich zur Anwendung des sogenannten "betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells". Das bedeutet, dass der Unterhaltsanspruch zur Gänze entfällt, wenn beide Eltern über ein etwa gleich hohes Einkommen verfügen. Verdient ein Elternteil (deutlich) mehr, steht nur ein Restgeldunterhalt zu.

Voraussetzung: faire Kostenteilung

Voraussetzung für die Anwendung des betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells ist allerdings, dass sich die Eltern auch die notwendigen sonstigen Kosten (etwa Kleidung, Schulbedarf, Freizeitaktivitäten et cetera) aufteilen. Durch das betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell soll ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass sich der hauptbetreuende Elternteil etwas erspart, wenn es das Kind nicht ausschließlich selbst betreut. Wenn sich die Eltern sowohl die Betreuungszeiten als auch die Kosten für die Lebensführung tatsächlich fair aufteilen, ist es durchaus sachgerecht, dass dies bei der Unterhaltfestsetzung entsprechend berücksichtigt wird. Die Realität sieht aber oft anders aus: Nicht selten wird das Doppelresidenzmodell von einem Elternteil nur beantragt, um keinen Kindesunterhalt mehr zahlen zu müssen. Die Kinder werden dann gerne bei den Großeltern oder dem neuen Partner "geparkt". Außerdem bleiben die sonstigen Kosten, zum Beispiel für Gewand, Nachmittagsbetreuung oder Hobbys, in vielen Fällen trotz Doppelresidenz hauptsächlich bei einem Elternteil hängen.

Hoher Verfahrensaufwand durch komplizierte Unterhaltsberechnung

Und im Streitfall lässt sich oft nur schwer feststellen, ob sich die Eltern die Kosten für das Kind tatsächlich fair aufgeteilt haben. Dies führt nicht nur zu umfangreichen Verfahren, sondern hat auch zur Folge, dass die Gerichte und auch Jugendämter in der Praxis dazu tendieren, das unterhaltsrechtliche Betreuungsmodell selbst dann anzuwenden, wenn eigentlich ein Elternteil zum überwiegenden Teil für die sonstigen Kosten aufkommt.

In der Praxis wird der Unterhalt beim Doppelresidenzmodell daher oft viel zu niedrig berechnet und reicht manchmal nicht einmal ansatzweise aus, um die notwendigen Kosten für das Kind zu decken. Es wäre daher wünschenswert, wenn bei der Unterhaltsfestsetzung auch die faire Aufteilung der Lebensführungskosten wieder genauer geprüft wird. Lässt sich nicht feststellen, ob sich die Eltern hier tatsächlich zu gleichen Teilen beteiligt haben, sollte sofort auf die herkömmliche Methode zur Unterhaltsberechnung (nämlich die Prozentsatzmethode) zurückgegriffen werden. Und bei der freiwilligen Vereinbarung der Doppelresidenz ist es sinnvoll, über die Kosten für die Kinder zu sprechen und die Aufteilung (soweit möglich) auch schriftlich festzulegen. Damit erspart man sich unnötige Streitigkeiten. (Carmen Thornton, 25.2.2021)