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Bis weltweit alle Spritzen aufgezogen sind und der Inhalt verimpft ist, wird es noch dauern.

Foto: AP / Natacha Pisarenko

Während am einen Ende der Welt schon darüber diskutiert wird, welche Rechte die zahlreichen Geimpften nun haben sollen, wird anderswo noch das Eintreffen der ersten Spritzen sehnsüchtig erwartet. Am Mittwoch war es in Ghana so weit. 600.000 Dosen des Serums von Astra Zeneca – aus indischer Herstellung – trafen in dem westafrikanischen Staat ein. Es waren die ersten überhaupt, die aus dem Covax-Programm der Uno an 154 überwiegend weniger wohlhabende Länder gehen.

Vom hehren Ziel der Allianz, einer fairen Verteilung rund um die Welt, ist man aber so weit entfernt wie kaum jemals. Rund drei Prozent der Bevölkerung sollen in den 145 teilnehmenden Staaten bis zum Sommer geimpft sein – und schon das ist ein hochgestecktes Ziel.

Bestätigte Pessimisten

Längst sind die Befürchtungen jener eingetreten, die pessimistisch schon im Sommer gewarnt hatten: Sind einmal Impfungen verfügbar, würden diese zum Einsatz im geopolitischen Pokerspiel – und vor allem zu einem begehrten Gut, das sich zuerst die reichen Länder würden leisten können. Allerdings, und das gilt für den Erfolg der Reichen ebenso wie für den Misserfolg der Armen: nur zum Teil.

Wer sehen will, wie dieser Tage Impferfolge aussehen, der kommt noch immer um einen Staat nicht herum. 52,4 Prozent der Bevölkerung hat Israel mittlerweile zumindest mit einer Dosis Vakzine versorgt, vollständig, also auch mit einer zweiten Dosis, immunisiert sind dort bereits 36 Prozent. Was genau das Geheimnis des israelischen Erfolgs ist, ist immer noch nicht ganz klar. Premier Benjamin Netanjahu sprach in Interviews von seiner persönlich guten Beziehung zum CEO von Pfizer, Albert Bourla, von dessen Firma der Löwenanteil des Impfstoffs kommt – ein kleinerer ist auch von Moderna. Doch das allein war wohl nicht ausschlaggebend: Israel, ein kleines Land mit viel Erfahrung in generalstabsmäßiger Organisation und Statistik, erwies sich für Pfizer auch als interessantes Forschungsobjekt. Bezahlt wird mit Daten. Streng anonymisierten, wie die israelische Regierung betont.

Eine einzige Erfolgsstory ist Israel allerdings nicht. Ganze 57 Impfdosen pro hundert Einwohnerinnen und Einwohner wollen auch die Vereinigten Arabischen Emirate bereits in den Oberarmen von Patienten deponiert haben. Was die Vakzine betrifft, schöpft man dort aus dem Vollen. Im Einsatz sind sowohl die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Astra Zeneca als auch jene aus Russland und China. Konkret setzt man sowohl auf Sputnik V als auch auf das Vakzin der chinesischen Firma Sinopharm, das auf einer inaktivierten Version des Virus beruht. Dieses ist auch in Bahrain, Ägypten und beim nordafrikanischen Impf-Wunder Marokko im Einsatz, das schon rund sieben Prozent der Bevölkerung immunisiert hat. Am Mittwoch startete Ungarn als erstes EU-Land die Verimpfung des Serums.

Vor allem aber liefert Sinopharm auch an einen Staat, den wohl wenige als Impf-Europameister auf der Rechnung gehabt hatten – und der diesen Titel, zumindest auf dem Kontinent selbst, dennoch momentan trägt: Serbien. Rund zwölf Prozent der Bevölkerung dort sind zumindest mit einer Impfung immunisiert, etwa sieben Prozent vollständig. Die Regierung hat sich dort – auch aus Misstrauen zur Freigiebigkeit der EU – vielfach selbst eingedeckt. Neben China kommt auch Russland und dessen Sputnik-V-Vakzin zum Zug. Bei Pfizer/Biotech hat die Regierung ebenfalls eingekauft. "Die Impfung ist für uns eine gesundheitliche und keine geopolitische Frage", sagt dazu die Premierministerin Ana Brnabić – und deutet so doch an, worum es geht.

Mittelmäßige Figur der EU

Denn auch wenn es der serbischen Regierung nicht wichtig sein mag, woher ihr Impfstoff kommt: Umgekehrt ist das Land in zentraler Lage auf dem Balkan für viele interessant: Sowohl China als auch Russland nehmen die Chance gern an, der EU Einfluss streitig zu machen.

Diese sieht – selbst abseits der aktuellen Streitereien und Unklarheiten rund um den Astra-Zeneca-Impfstoff (siehe Seite 8) – auch in einem anderen Vergleich nicht gut aus: Fast 28 Prozent der Bevölkerung im Vereinigten Königreich haben mittlerweile mindestens eine Dosis Impfstoff bekommen. Premier Boris Johnson konnte jüngst einen "viel besseren Sommer" und den Abschluss der Impfkampagne für den Juni versprechen, ohne sich Kritik an seinem überschießenden Optimismus anhören zu müssen.

Seine Regierung verkauft den Erfolg der Impfkampagne als einen des Brexits. Die schnelle Zulassung im Alleingang mag Teil des Geheimnisses sein, der einzige Grund dafür ist sie aber nicht. Großbritannien hat auch eine ungewöhnliche Strategie beschlossen: Möglichst viele Menschen sollen zuerst nur eine Dosis erhalten. Nur rund ein Prozent der Bevölkerung hat bisher schon eine zweite bekommen. Experten warnten, es könne zu Teilimmunität kommen und so die Ausbildung neuer Virusvarianten gefördert werden. Mittlerweile zeigen Studien aber Erfolg – auch mit dem Serum von Pfizer/ Biontech, bei dem es in dieser Hinsicht zunächst Zweifel gab.

Wie erweist sich die EU aber im Vergleich mit der Welt? Mittelmäßig. Die USA profitieren – auch, wenn die Regierung von Joe Biden das nicht so gern sagt – von der Planung der Trump’schen Operation Warp Speed. Rund 20 Prozent der Bevölkerung haben Bekanntschaft mit den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna gemacht, weitere Vakzine sind derzeit nicht zugelassen. Voll immunisiert sind sechs Prozent. Dennoch wird die angeblich langsame Verteilung der Seren kritisiert. Alles ist eben relativ.

Gutes aus eigener Produktion

So auch der Vergleich mit den größten Staaten der Erde. Russland etwa verteilt Sputnik V bereits an zahlreiche Länder. Zu Hause aber sind laut offiziellen Angaben erst 1,5 Impfdosen pro hundert Menschen verteilt. In China, das nicht nur die Impfung von Sinopharm, sondern auch jene von Sinovac herstellt, sind es etwa drei Prozent. Und in Indien haben überhaupt nur 0,8 von hundert Menschen eine Dosis des dortigen Astra-Zeneca-Lizenzprodukts Covidshield oder der Eigenentwicklung Covaxin erhalten. Die Seychellen und Mauritius haben dennoch schon mehrere Zehntausend Dosen an Impfungen aus dem Land bekommen, das sich wegen seiner vielen Pharmafabriken als Apotheke der Welt sieht – vielleicht auch nicht ganz ohne Hintergedanke.

Was aber tun, wenn Lieferungen aus politischen Gründen vorerst unwahrscheinlich sind? Selbst produzieren. Coviran Barakat heißt eine Entwicklung aus dem Iran, die laut Angaben der Regierung – die US-Impfstoffe verboten hat – zu hundert Prozent wirken soll. Ab Juni wird sie plangemäß im Inland verteilt. Kuba arbeitet derweil an einem Impfstoff namens Soberana, dessen erste Tests ebenfalls erfolgreich verlaufen sein sollen. Wirkt er tatsächlich, will die Regierung in Havanna ihn nach der Eigenverwendung zum Exportschlager machen. (Manuel Escher, 25.2.2021)