Die Herstellung von Zement gehört zu den klimaschädlichsten Prozessen bei der Betonproduktion.

Foto: APA / AFP / JOSEPH EID

Die Römer verwendeten ihn, ebenso die Engländer in großem Stil ab der Industrialisierung: Beton – ein Baustoff, der heute kaum mehr wegzudenken ist. Kein Wunder: Beton lässt sich günstig herstellen, einfach verarbeiten und ist ausreichend hart, um Gebäude und Fahrzeuge zu tragen. Jedes Jahr könnte mit der global produzierten Menge an Beton die gesamte Fläche Österreichs eineinhalb Mal versiegelt werden. Ohne Beton wäre das Leben, wie wir es momentan führen, kaum vorstellbar.

Doch der Baustoff hat eine verheerende Umwelt- und Klimabilanz. Vier bis acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen gehen auf die Rechnung der Betonproduktion. Damit verursacht der Baustoff etwa dreimal so viele Emissionen wie der gesamte Luftverkehr und liegt bei den Emissionen von Materialien direkt hinter Kohle, Öl und Gas.

Hoher Wasserverbrauch

Für die Herstellung von Beton werden Kies, Sand, Wasser und Zement verwendet, wobei die Zementproduktion die meisten Emissionen verursacht. Auch der Verbrauch von Sand ist problematisch: Der Rohstoff wird weltweit immer knapper und führt teils zu erheblichen Umweltproblemen. Wüstensand lässt sich aufgrund seiner runden und glatten Körner nicht für die Betonproduktion verwenden. Nicht zuletzt verbraucht die Betonindustrie ein Zehntel des weltweiten industriellen Wasserbedarfs und führt in vielen Regionen zu einem Mangel an Trinkwasser und Wasser für die Bewässerung.

Auch deshalb forschen Experten und Expertinnen bereits seit Jahren an Alternativen: Neue Inhaltsstoffe, neue Zusammensetzungen oder überhaupt völlig neues Baumaterial sind gefragt. Denn mit der wachsenden Urbanisierung wird die Baubranche und Architektur laut Klima- und Umweltwissenschaftern einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, wie klimafreundlich und "intelligent" unsere Städte in Zukunft gebaut sind. Ein Abstrich einiger Ideen.

"Lebender" Beton

Vergangenes Jahr erregten Forscher und Forscherinnen der Universität Colorado mit einer Entwicklung Aufsehen: Ihnen sei es gelungen, "lebenden" Beton aus Bakterien herzustellen. Durch Photosynthese verarbeiten Bakterien das Grundgemisch zu einem grünen Material. Anstatt Treibhausgase freizusetzen, werden diese von den Bakterien sogar gebunden. Nach einigen Tagen sterben die Bakterien langsam ab, und das Material wird fest.

Für den Baustoff werden die Bakterien mit Sand, Nährstoffen, warmem Wasser und Gelatine vermischt.
Foto: University of Colorado

Unter den richtigen Bedingungen sei es laut den Forschern möglich, dass ein Teil der Bakterien mehrere Wochen lang weiterlebt. Dadurch soll sich aus herausgeschnittenen Teilen wieder neues Material züchten lassen. Auch in abgelegenen Orten sollen so beschädigte Bauteile leichter nachgebaut werden können.

Allerdings ist das Material nicht ganz so stabil wie Beton, weshalb die Forscher und Forscherinnen den Einsatz eher bei Strukturen mit geringerer Belastung, wie beispielsweise Pflaster oder Fassaden, sehen. Zudem wird sich, bis die Entwicklung wirklich im großen Stil ankommen kann, erst herausstellen müssen, unter welchen Bedingungen die Bakterien ihre Arbeit verrichten können. Nicht zuletzt müssten von dem Material gewaltige Mengen hergestellt werden können, um dem herkömmlichen Beton Konkurrenz zu machen.

Bauen mit Pilzen?

Bakterien für die Betonherstellung zu verwenden ist nicht der erste Versuch, Organismen für die Bauindustrie zu nutzen. Das naheliegendste Material, Holz, wird bereits jetzt von vielen als nachhaltige Alternative für Beton diskutiert. Allerdings kann Holz Beton nur teilweise ersetzen, und auch hier wären wesentlich größere Mengen als bisher erforderlich, was laut Umweltwissenschaftern wiederum die weltweiten Wälder als CO2-Speicher gefährden könnte.

Da mag es zunächst etwas verwunderlich erscheinen, wenn Pilze von Experten als mögliches Baumaterial diskutiert werden. Pilze sind den meisten wohl eher als weiche und wenig stabile Körper bekannt. Tatsächlich aber lassen sich die als Myzel bezeichneten Fäden von Pilzen zu Formen züchten und durch Erwärmung verhärten. Der Vorteil: Die Fäden wachsen sehr schnell nach und können am Ende ihrer Nutzungszeit einfach kompostiert werden.

Im Internet finden sich mittlerweile bereits Anleitungen dafür, die "Pilz-Ziegel" selbst herzustellen.
MycoWorks Media

Das Material könnte laut Entwicklern nicht nur für Dämmplatten, sondern auch für Ziegel und andere Bauelemente verwendet werden. Das US-Unternehmen Ecovative Design hat ein Tiny House mit Pilz-Materialien komplett wärmegedämmt. Auch das norditalienische Start-up Mogu arbeitet mit den Pilzfäden und stellt daraus Paneele und Bodenfliesen her. Bis zum Durchbruch des Materials in der Bauindustrie könnte es aber noch eine Weile dauern.

Beton recyceln

Anstatt auf neue Baumaterialen zu setzen, versuchen einige andere Unternehmer und Entwickler, die Herstellung und das Recycling von Beton zu verbessern. Das US-amerikanische Start-up Solidia beispielsweise verwendet bei der Herstellung von Zement ein chemisches Verfahren, bei dem 30 Prozent weniger CO2-Emissionen entstehen sollen. Und das ebenfalls in den USA beheimatete Unternehmen Carboncure will CO2 aus industriellen Prozessen im Beton speichern, anstatt es der Atmosphäre zu übergeben.

Eine andere Möglichkeit wäre laut vielen Experten und Expertinnen, Beton konsequenter zu recyceln. Zwar wird das zum Teil bereits gemacht, allerdings ergeben sich dabei auch Probleme: Altbauten, in denen Asbest enthalten ist, müssen speziell behandelt und entsorgt werden. Auch die Akzeptanz, Recyclingbeton wieder in der Baubranche einzusetzen, ist laut einigen Experten noch nicht hoch genug.

Resistent gegenüber Veränderungen

Ohnehin kann Recycling den ökologischen Fußabdruck der Betonindustrie laut Experten nur abschwächen, nicht völlig ausgleichen. Umweltschutzorganisationen kritisieren immer wieder, dass die Industrie generell sehr resistent gegenüber Veränderungen sei, dass die Bauordnung veraltet sei und Klimaschutzkriterien nicht ausreichend in öffentlichen Bauaufträgen berücksichtigt würden.

Ein Grundsatz zumindest, der sich weniger in Entwicklungs- als in Industrieländern beherzigen ließe, wäre, nur das zu bauen, was auch wirklich gebraucht wird, Beton vor allem dort einzusetzen, wo er den größten Beitrag liefern kann – und in der Zwischenzeit auf den Durchbruch von Holz, Pilzen oder Bakterien zu hoffen. (Jakob Pallinger, 2.3.2021)