E-Tankstellen wie in Atzenbrugg in Niederösterreich braucht es vielerorts in Österreich. Sonst wird es nichts mit der Dekarbonisierung des Klimasünders Verkehr.

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Wien – Ausgerechnet Griechenland könnte diesmal Vorbild sein. Die Regierung in Athen hat ihre Vorhaben im Rahmen des Recovery and Resilience Facility (RRF) genannten EU-Corona-Aufbaufonds im Volumen von 750 Milliarden Euro geradezu generalstabsmäßig aufgesetzt. Die Basis stammt bereits aus dem Vorjahr, der von einer Expertenkommission unter Vorsitz des Ökonomie-Nobelpreisträgers Christopher Pissarides erarbeitete nationale Reformplan ist 242 Seiten dick und vergleichsweise detailliert. Schwerpunkt ist die Digitalisierung, die auf dem Ausbau des Glasfasernetzes fußt, die Migration zum ultraschnellen 5G-Internet enthält und mit ihm die Modernisierung der als bürokratisch, langsam und bisweilen korrupt gescholtenen öffentlichen Verwaltung.

Das zweite Standbein, die von der EU geforderten Dekarbonisierungsmaßnahmen, bestehen aus Elektromobilität, Energiesparmaßnahmen, erneuerbare Energien und der Kohleausstieg bis 2028. Darüber hinaus hat sich die Regierung von Premier Kyriakos Mistotakis eine Justizreform vorgenommen, Programme zur Aus- und Weiterbildung und die engere Verzahnung von Universitäten und Wirtschaft. Allein die Erläuterungen zu dem umfassenden Erneuerungspaket umfassen laut Handelsblatt 500 Seiten.

Vorreiter hinterher

Von solch einer Vorreiterposition ist das von der Corona-Pandemie wirtschaftlich besonders gebeutelte Österreich noch meilenweit entfernt. Am Freitag um 17 Uhr endet die sogenannte Konsultationsfrist, in der Städte und Kommunen, Länder und Gebietskörperschaften, Ministerien, Sozialpartner und "relevante Interessenvertretungen" ihre Vorschläge fürs Geldausgeben einmelden können. Zu diesem Zweck wurde eigens eine Website eingerichtet, unter www.oesterreich. gv.at/nachrichten/allgemein/EU-Aufbauplan können Inputs abgeliefert werden – dort finde sich auch das inzwischen berüchtigte Postfach, an das ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian verwiesen wurde.

Prioritätenreihung im März

Im Finanzministerium betont man, dass man derzeit am Priorisieren der Investitionen und Reformen für den nationalen Aufbauplan sei. Die Leitplanken skizziert man so: Digitalisierung und Ökologisierung, also Breitbandausbau, Digitalisierung im Bildungsbereich, Verwaltungsmodernisierung, Dekarbonisierung im öffentlichen Verkehr und im Gebäudebereich sowie Maßnahmen zur Steigerung der Biodiversität geeignete Investitionen. Den auf bis zu 3,3 Milliarden Euro taxierten Rahmen an abrufbaren EU-Geldern will man nun doch voll ausschöpfen, nachdem auf ÖVP-Seite vor wenigen Wochen noch überschaubares Interesse signalisiert worden war.

Nun muss es schnell gehen, Ende April will die EU die Pläne der Mitgliedsstaaten sichten.

Altes als Neues geht nicht

Klar ist freilich auch, dass ein einfaches Umwidmen des ohnehin geplanten und zuletzt noch deutlich aufgedoppelten Bahnausbauprogramms nicht genügen wird. Glaubt man den deutschen Grünen, habe die Regierung in Berlin Ähnliches versucht und für ihren im Dezember abgelieferten Aufbauplan prompt einen Dämpfer aus Brüssel kassiert. Zu viele der eingereichten Projekte seien bereits im Vorfeld beschlossen worden und somit im Wege des Haushalts, also mit Steuern und Staatsschulden zu finanzieren. Als Basis diente das im Juni des Vorjahres beschlossene deutsche Konjunktur- und Zukunftspaket. Die zum Teil nichtrückzahlpflichtigen EU-Gelder wären somit de facto zur Umschuldung genutzt worden, so der Verdacht, den auch die EU hegte und Nachbesserungen verlangte.

Französische Steuerreform

Anleihe könnte Österreich bei Frankreich nehmen. Paris hat in seinem Aufbauplan 30 Milliarden Euro für die ökologische Wende und 34 Milliarden für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation reserviert. Davon 20 Milliarden gehen für eine Steuersenkung drauf, man will die ertragsunabhängigen Produktionssteuern senken, um den Niedergang der Industrie aufzuhalten. Nach diesem Motto könnte Österreich Teile der im Koalitionspakt verankerten Ökosozialen Steuerreform einmelden mit ihrem Herzstück CO2-Steuern.

Es geht aber auch kleiner. Die Umrüstung auf Elektrobusse in Städten und Gemeinden ist ebenso vorstellbar wie die Elektrifizierung des Mikro-Öffi-Verkehrs, also etwa für Sammeltaxis für die letzte Meile vom Bahnhof ins Heimatdorf.

Nicht ohne Nationalrat

Was auch immer aus dem von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) Zusammengetragenen unter Moderation von EU-Ministerin Karoline Edtstadler ausgewählt wird: Die Opposition fordert dringend eine Anbindung und vor allem die Kontrolle der Mittelverwendung durch das Parlament. (Luise Ungerboeck, 25.2.2021)