Zumindest für einen Teil der älteren Bevölkerung soll es in Österreich bald zu Erleichterungen kommen: Aufgrund der hohen Durchimpfungsrate in Alten- und Pflegeheimen sollen die Regeln gelockert werden.

Foto: Imago Images

Wird man sich in Österreich in absehbarer Zukunft frei-, rein- oder doch rausimpfen können? Wäre das angesichts des eher langsamen Fortschritts der Impfaktion überhaupt möglich oder fair jenen gegenüber, die auf einen Stich warten? Die Debatte über die sogenannten "Impfprivilegien" ist nach der Diskussion in Deutschland auch hierzulande hochgekocht. Aktuell haben in Österreich rund 200.000 Personen beide Impfungen erhalten. Dass diese Menschen sowie jene, die aufgrund einer bereits durchgemachten Erkrankung mit dem Coronavirus eine Immunisierung erhalten haben, sich weiterhin vor dem Friseurbesuch testen oder im Beruf stundenlang FFP2-Maske tragen müssen, irritiert – besonders Betroffene.

Am Mittwoch stieg Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in der Diskussion jedoch erst einmal auf die Bremse. Eine Entscheidung über Vorteile für Geimpfte werde es erst im April geben. Man sei gerade dabei, erklärte Anschober in einem Interview mit der APA, einen "großen Arbeitsprozess" aufzusetzen, um "eine Strategie für das Leben mit dem Virus" zu schaffen – dazu zähle auch die Frage der Erleichterungen. Erst nach Ostern solle es Antworten auf derartige Fragen geben. Derzeit sei das aber "kein Thema", da in Österreich – verglichen etwa mit Israel, wo schon rund die Hälfte der Menschen immunisiert wurde – noch recht wenige Personen einen Impfschutz haben.

Die Situation in Israel hat die Debatte befeuert. Als das Land vor kurzem einen Impfpass einführte, der etwa Zutritt zu Hotels und Theatern ermöglicht, wurde auch anderswo der Ruf nach der Rückkehr zur Normalität für Immunisierte immer lauter. Kurz vor dem am Donnerstag startenden EU-Gipfel drängte auch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf die Einführung eines europäischen Impfpasses – analog zu Israel. Mit dem grünen Pass solle das Reisen für bereits geimpfte Personen wieder möglich sein. "Wir wollen möglichst schnell zurück zur Normalität, unser altes Leben wiederhaben und ein Maximum an Freiheit", erklärt Kurz dem STANDARD. "Solange es die Pandemie und das Virus gibt, wird das nur gehen, wenn wir auf Schutzmaßnahmen setzen, entweder durch eine Impfung oder einen Test."

Impfpass auch für Gastronomie

Mit dem Pass solle man aber nicht nur frei reisen und Urlaub machen können oder geschäftlich uneingeschränkt unterwegs sein dürfen. Der Pass könnte auch für Gastronomie, Kultur und andere Veranstaltungen gelten, findet der Kanzler. Denn für diese Bereiche des öffentlichen Lebens brauche es – solange es die Pandemie gibt – ein "Sicherheitsnetz". Im Idealfall sei das die Impfung gegen das Coronavirus und die damit einhergehende Immunisierung, "sonst ein Test".

In der Praxis soll der Pass digital am Handy mitgeführt werden können. Darin soll vermerkt sein, dass man entweder geimpft oder frisch getestet ist oder gerade eine Corona-Infektion durchgemacht hat. Tests müssten jeweils aktuell draufgeladen werden.

Kurz will diese Lösung so rasch als möglich. Im Mai oder Juni soll dieser Pass bereits implementiert werden, damit er spätestens im Sommer zu Beginn der Reisesaison funktionieren kann. Das würde nicht nur das Reisen für Österreicher vereinfachen, sondern auch die Tourismussaison retten.

Lockerungen für Alte

Zumindest für Altersheime wird es schon früher Lockerungen geben, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner geimpft sind. Noch im März soll es laut Anschober "entsprechende Schritte geben". Statt wie derzeit ein Besuch sollen dann zwei pro Woche – jeweils von zwei Personen – erlaubt werden.

Ethisch wird die Frage nach Privilegien für Geimpfte recht unterschiedlich gesehen. So sprach sich etwa Christiane Druml, die Vorsitzende der Bioethikkommission, im Interview mit dem STANDARD dafür aus, für Geimpfte wieder mehr gesellschaftliche Bereiche zu öffnen. Geimpfte, Genesene und Getestete sollen rechtlich gleichgestellt werden. Anders sieht das der Deutsche Ethikrat. Er sprach sich gegen Sonderregeln für Geimpfte aus, da noch nicht gänzlich geklärt sei, dass sie nicht nur nicht erkranken, sondern auch niemanden anstecken können. Personen, die noch keine Chance auf eine Impfung hatten, könnten die Vorteile für Geimpfte zudem als ungerecht empfinden, heißt es.

Verfassungsexperten wiederum argumentieren, dass es auch rechtliche Konsequenzen geben müsse. Verfassungsjurist Peter Bußjäger: "Sobald klar ist, dass die Krankheit nicht mehr weitergegeben werden kann, ist es eindeutig, dass ich diese Leute keinen Beschränkungen mehr unterwerfen darf." (Oona Kroisleitner, Gabriele Scherndl, Michael Völker, 24.2.2021)