Attila Dogudan in Wien zu erwischen ist üblicherweise schwierig, Do & Co ist weltweit tätig, der Vorstandschef entsprechend viel unterwegs. Die Krise hat das geändert. Dogudans Aktionsradius beschränkt sich im Wesentlichen auf die Wiener Innenstadt, zwischen dem Café Demel, das Do & Co gehört, Do & Co am Stephansplatz und dem Unternehmenssitz hinter der Oper.

STANDARD: Ein Jahr Pandemie, gerade wird diskutiert, ob die Gastronomie, wie von ihr verlangt, am 15. März aufsperren darf. Do & Co hat drei Viertel von seinem Umsatz verloren. Sie wollen sicher auch aufsperren?

Dogudan: Ich würde jetzt nicht aufsperren, sondern noch ein paar Wochen warten. Emotion ist grade kein guter Wegbegleiter, man muss anhand von Fakten entscheiden. In Großbritannien, wo die Leute wirklich lang von einem ständigen On/Off malträtiert wurden, öffnet man die Gastronomie zuerst einmal draußen, schaut dann die Zahlen an und prüft die nächsten Schritte. Warten wir doch noch drei Wochen, gehen wir die letzte Meile auch noch gemeinsam.

STANDARD: Lieber später aufsperren, aber dafür nicht mehr zusperren?

Attila Dogudan plädiert für eine spätere Sperrstunde, dafür solle man zunächst einmal keinen Alkohol ausschenken.
Foto: Christian Fischer

Dogudan: Die On-off-Strategie haben wir seit einem Jahr und es war auch richtig, dass wir zunächst streng zugesperrt hatten. Danach kamen schon die Kompromisse, zwischen Bund und Ländern, zwischen Regierung und Interessenvertretern. Das ist auch völlig nachvollziehbar, aber eine Pandemie ist eine Krisensituation, und in der kann es nur klare Regeln geben, da kann man keine Kompromisse schließen und das hat nichts mit Demokratie zu tun. Die Pandemie ist ein unsichtbarer Feind, den man nur mit klaren Vorgaben bekämpfen kann. Natürlich will ich als Unternehmer aufsperren, aber eben nur, wenn es Sinn macht. Weitere On-Offs können wir nicht brauchen, das halten die Leute auch nicht mehr aus.

STANDARD: Bis wann würden Sie zugesperrt lassen?

Dogudan: Ich fand die Idee, erst nach Ostern zu öffnen, nicht schlecht. Danach wird das Wetter besser, und man kann draußen sitzen. Im Sommer könnten wir dann auch bei den Impfungen so weit sein, dass im Herbst keine neue Infektionswelle mehr entsteht.

STANDARD: Sie sind optimistisch.

Dogudan: Na ja, bis dahin sind es immerhin noch sechs Monate.

STANDARD: Sie kritisieren die EU und ihre Impfstoff-Einkaufspolitik. Hätte Österreich selbst einkaufen sollen?

Dogudan: Ist doch ein Scherz, dass Europa zu blöd ist, genug Impfstoff aufzustellen. Israel hat einfach um viel Geld eingekauft, und jetzt sind fast alle geimpft. Die Pandemie ist ja nichts anderes als der Zustand auf einer Intensivstation, da wird auch nicht lang gerechnet, bevor man einem Patienten eine Spritze gibt. Da geht es um die Gesundheit und darum, dass die Wirtschaft und damit der Staat nicht kollabieren. Die Regierung hätte Geld in die Hand nehmen und einkaufen sollen. Was war das Problem der EU? Sie hätte Impfstoff bei allen Herstellern einkaufen sollen – und wenn dann alle funktioniert hätten …

STANDARD: … hätten wir den Überschuss den armen Staaten geschickt, die sich keinen Impfstoff leisten können.

Dogudan: Ganz genau, das wäre ein menschlicher Zug gewesen.

STANDARD: Angenommen, man ließe Gastronomie und Hotellerie noch länger geschlossen: Was tun, damit nicht alle pleitegehen?

Dogudan: Genau, die schrecklichen wirtschaftlichen Folgen sind das Problem – aber mit drei Wochen mehr oder weniger Lockdown hat das nichts zu tun. Natürlich muss die Republik den Unternehmen helfen, damit sie nicht hops gehen. Auf diese eine Milliarde Euro, die die paar Wochen den Staat zusätzlich kosten, kommt es auch nicht mehr an. Wobei aber wirklich schnell gezahlt werden müsste: Nur schnelles Geld ist gutes Geld.

STANDARD: Fließen die Unterstützungsmaßnahmen des Staates zu langsam, reichen sie aus?

Dogudan: Die Gastronomie bekam im November 80 Prozent Umsatzersatz, das war besonders großzügig, im Dezember 50 Prozent, dann 30 Prozent, wobei die Hälfte Fixkostenzuschuss war und der Rest eine Vorauszahlung. Wenn der Staat will, dass die Unternehmen der Gastronomie und Hotellerie, deren Fixkosten im Schnitt 40 bis 30 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, muss er ihnen für die gesamte Zeit des Lockdowns konstant einen Betrag dieser Größenordnung geben. Alle Gasthäuser, Beisln, Kaffeehäuser sollen weitermachen können, da geht es ja um tausende kleine Betriebe. Was kostet es den Staat, da großzügig zu sein? Er soll ruhig ein paar Milliarden Euro mehr um null Prozent Zinsen aufnehmen und investieren, um heute Unternehmen zu retten, die morgen wieder Arbeitsplätze schaffen. Ich trau mich für uns zu wetten, dass wir heute in einem Jahr eine vierstellige Zahl an neuen Jobs geschaffen haben.

STANDARD: Sie glauben an einen raschen Aufschwung? Gerade Österreich steckt tief in der Krise und wird sich nur langsam erholen.

Dogudan: Es wird mit der Impfung ein Megaboom kommen, davon bin ich überzeugt. Die Leute wollen ausgehen, sie wollen essen und trinken, einkaufen und auf Urlaub fahren.

STANDARD: Gilt aber nur für die, die noch Arbeit und Geld haben.

Dogudan: Das stimmt. Das Schrecklichste wäre, wenn die Arbeitslosigkeit weiter stiege und hoch bliebe und die Gesellschaft spalten würde. Ich kann mich an die Krise in Spanien erinnern, als Familienväter im Supermarkt an der Kassa standen und nicht alles zahlen konnten. Und die Kassierinnen nur jeden zweiten Artikel verrechnet haben.

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Der Demel am Wiener Kohlmarkt setzt in der Pandemie auf die Liebe der Österreicher zum Kaiserschmarrn.
Foto: Reuters/Lisi Niesner

STANDARD: Auch Do&Co hat Kurzarbeit angemeldet und sogar Leute gekündigt. Im Konzern beschäftigen Sie jetzt 8.000 Mitarbeiter, um 3.000 weniger als vor einem Jahr. Die rund 30 Kündigungen in der Konditorei Demel in Wien haben für Aufsehen gesorgt …

Dogudan: Auch wir mussten leider weltweit Leute kündigen. Der Demel etwa lebt zu 90 Prozent von ausländischen Gästen und wir standen weltweit über Nacht ohne Umsatz da, wie alle in der Gastronomie …

STANDARD: Wie schläft man da?

Dogudan: In der Gastronomie schläft man immer schlecht, ohne Umsatz noch schlechter.

STANDARD: Sie sagen immer, Sie rechnen mit zwei Jahren Pandemie. Zweckpessimismus?

Dogudan: Pandemien dauern lang, wie auch aus Wikipedia bekannt ist und wir haben uns auf den Extremfall vorbereitet. Zum Glück hatten wir Ende 2019 den Kauf der deutschen LSG abgesagt, was mich damals sehr gekränkt hat – aber genau das gibt uns jetzt die nötige Liquidität zum Durchhalten. Und wir haben jüngst eine Anleihe begeben, 100 Millionen um 1,75 Prozent für fünf Jahre. Wir können damit unsere Verpflichtungen erfüllen und wieder wachsen.

STANDARD: Wie werden das Tourismusland Österreich, die Tourismusstadt Wien nach der Pandemie ausschauen? Wie viel Geschäft kommt zurück?

Dogudan: Die Umsätze werden wieder steigen, aber das Geschäft wird sich ändern. Bei uns ist der Umsatz im jüngsten Quartal wieder gestiegen, wir verbrennen kaum mehr Geld. Aber solange es darum geht, die Pandemie zu bekämpfen, solange die Kassen leer und noch immer nicht alle Hilfen angekommen sind, so lange wird es düster ausschauen.

STANDARD: In Ihren Augen ist die Abwicklung der staatlichen Hilfen zeitaufwendig und kompliziert?

Dogudan: Sie ist umständlich, die Formulare sind kompliziert, und wenn man einen Fehler beim Ausfüllen macht, bekommt man alles zurückgeschickt und kein Geld. Ich finde, der Staat soll rasch zahlen, denn nur schnelles Geld ist gutes Geld. Er soll von mir aus Strafen verhängen, wenn die Hilfe missbraucht wird, er soll notfalls eine von zehn Milliarden Euro abschreiben – aber dafür rettet er mit der Geschwindigkeit der Auszahlung seine Wirtschaft und sein Land. Da kann man doch nicht sagen: Du hast dein Geburtsdatum falsch ausgefüllt, du kriegst kein Geld. Das kann doch nicht wahr sein. In Amerika, wo Do & Co drei Großküchen hat, bekommt man das Geld in der Sekunde und blanko. Wenn man es für zukünftige Gehälter ausgibt, bekommt man es geschenkt – als Motivation, Arbeitsplätze zu schaffen, wenn das G'schäft wieder läuft.

STANDARD: Sperrt die Gastronomie jetzt wieder auf, plädieren Sie für späte Sperrstunden, aber dafür gibt's keinen Alkohol. Geht das in Österreich?

Dogudan: Da muss ich schon dazusagen, dass wir den Vorteil haben, dass Do & Co auch am Essen verdient, bei vielen kleinen Betrieben ist das anders. Aber grundsätzlich, ja, warum nicht? Daheim können die Leute ja ihren Wein trinken. Es ist halt so, dass Alkohol leutselig macht: Die Leute trinken zuerst, und dann busseln sie sich ab. Das geht halt derzeit noch nicht. (Renate Graber, 26.2.2021)