Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geht derzeit auf EU-Ebene mit dem Konzept des grünen Passes für Corona-Geimpfte, Genesene und Getestete hausieren. Damit solle künftig nicht nur Reisen möglich werden, sondern überhaupt mehr Freiheiten in greifbare Nähe rücken. Zumindest solle es Absprachen mit einzelnen anderen Staaten geben – und ansonsten eine nationale Umsetzung. Beim EU-Gipfel am Donnerstag waren sich die Regierungschefs einig, einen gegenseitig anerkannten Impfnachweis zu entwickeln. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte einen Einsatz noch vor dem Sommer in Aussicht.

Unterlagen aus dem Gesundheitsministerium, die dem STANDARD vorliegen, geben einen Einblick, wie dieses von Kurz betitelte "Sicherheitsnetz" aussehen könnte: Auf möglichst einfachem Wege sollen Bürger dazu kommen, sich ein Impfzertifikat, einen Nachweis über eine überstandene Infektion (Genesungsnachweis) oder eine Bestätigung über ein negatives Testergebnis zu holen. Dies soll durch die Entwicklung eines zentralen Services für die Generierung derartiger Nachweise möglich werden. Eine "zentrale und einfache Überprüfung der Gültigkeit mittels QR-Code" soll dann möglich sein. Das heißt, bei einer etwaigen Kontrolle müssen Bürger den QR-Code in Kombination mit einem Ausweis herzeigen. Das Gesundheitsministerium bestätigt, dass man "an einer technisch einheitlichen Lösung" arbeitet. Eine Anbindung an zertifizierte App-Anbieter soll ebenso möglich sein, wie den Nachweis in Papierform zu erhalten. Die Nachweise könnten dann jeweils als Eintrittskarte in verschiedene Bereiche gelten.

Für Hacker "inakzeptabel", BRZ wehrt sich gegen Kritik

Doch es gibt Kritik an den Plänen. Allen voran ist der rote Gesundheitsstadtrat in Wien, Peter Hacker, brüskiert. Über eine Besprechung mit seinen IT-Mitarbeitern habe er davon erfahren, wie die Nachweispläne umgesetzt werden sollen. Demnach sollen die Daten aus dem elektronischen Impfpass in der Gesundheitsakte Elga täglich über das Epidemiologische Melderegister (EMS) des Gesundheitsministeriums ins Bundesrechenzentrum (BRZ) gespiegelt werden. Für Hacker ist das "inakzeptabel" und "undenkbar". Während bei Elga für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar sei, wer auf ihre Daten zugreife, sei dies im Falle des BRZ unklar. Elga sei eine Gemeinschaft, die sich Bund, Länder und Sozialversicherung zu je einem Drittel aufteilen.

Doch das BRZ ist für die Betriebsplanung, – steuerung und sicherheit von Elga zuständig. Es koordiniert außerdem laut Eigenangaben alle Maßnahmen, die einen stabilen, sicheren und effizienten Betrieb der Komponenten sicherstellen. Im Rechenzentrum ist man über Hackers Aussage sehr verwundert: "Wir freuen uns, dass Stadtrat Hacker Elga lobt, da das Bundesrechenzentrum das Zugriffsystem (inkl. dem Protokollierungssystem) von Elga betreibt und darüber hinaus die Elga-Betriebsführung beim BRZ liegt. Datenschutz und Datensicherheit sind in der DNA des BRZ und daher können wir hier alle Bedenken zerstreuen."

Hacker kritisiert dennoch den Alleingang des Bundes und verlangt eine Aussprache. In eine ähnliche Kerbe wie der Gesundheitsstadtrat schlägt aber etwa Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker. Er moniert: "Die Regierung saugt die Daten aus dem sicheren System ab, kopiert sie und spielt sie in ein weniger sicheres System ein. Von Digitalisierung haben Kurz und Anschober keine Ahnung." Ähnlich argumentiert auch der blaue Vorsitzende im Gesundheitsausschuss, Gerhard Kaniak.

Auch das Gesundheitsministerium lässt die Kritik so nicht stehen: Elga könne bereits jetzt Daten an die Gesundheitsbehörden pseudonymisiert übermitteln, etwa um den Impfstatus für das Contact-Tracing abfragen zu können. "Für alle Übertragungen gelten strenge Datenschutzbestimmungen", betont man, es sei "ausgeschlossen, dass dabei persönliche Gesundheitsdaten übermittelt werden".

Die Elga GmbH selbst verweist darauf, dass die Abstimmung nun in einer Arbeitsgruppe erfolge. Die Gesellschaft stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, das kurzfristige Testergebnis und den langfristigen Immunitätsnachweis tatsächlich miteinander zu verquicken. Auch plädiert Elga, die Impfnachweise aus der Originaldatenquelle, also ihr selbst, zu beziehen.

Weniger "Privilegien"

All das sorgt nun vielleicht bald einmal für ein einheitliches System, Genesensein, Geimpftsein und Getestetsein nachzuweisen, nicht aber automatisch für gleiche Rechte. Welche Bereiche wie zugänglich gemacht würden, hänge vom aktuellen Stand der Wissenschaft ab, heißt es dazu aus dem Gesundheitsministerium. Aus epidemiologischer Sicht müsse man genesene und geimpfte Personen, "was Sonderrechte angeht, gleichstellen", sagt die Virologin Dorothee von Laer. Bisher gibt es eine derartige Gleichstellung im Gesetz nur in ganz kleinen Puzzleteilen. Etwa beim Reintesten: Zum Friseur darf momentan, wer einen Test hat, oder jemand, der in den letzten sechs Monaten eine Corona-Infektion hatte. Um Letzteres zu beweisen, braucht man eine ärztliche Bestätigung, einen Absonderungsbescheid, aus dem hervorgeht, dass man in Quarantäne war, oder einen positiven Antikörpertest. Daraus folgt: Schon jetzt sind Geimpfte rein rechtlich Genesenen gleichgestellt, wenn es um das Reintesten geht. Allerdings müssen sie einen Umweg gehen, um das zu beweisen: Sie brauchen dafür einen Antikörpertest, nur der Nachweis über die Impfung reicht nicht.

Doch genau dieser kleine Vorteil für Geimpfte wird nun durch eine Gesetzesnovelle außer Kraft gesetzt, künftig kann er – muss er aber nicht – als Ausnahme gelten. Aus gutem Grund, wie der Medizinjurist Karl Stöger sagt: Habe man Antikörper gegen nur eine Virusvariante, müsse das nicht heißen, dass man vor der anderen geschützt sei. (Vanessa Gaigg, Jan Michael Marchart, Gabriele Scherndl, 25.2.2021)