Barbara Neßler von den Grünen ist Gegenstand einer Anfrage der ÖVP. "Der Herr hätte mich auch einfach anrufen können", sagt die Abgeordnete.

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Eine Demonstration gegen Abschiebungen in Innsbruck Ende Jänner könnte nun für einen kleinen Eklat in der türkis-grünen Koalition sorgen: Nachdem die Grünen und die SPÖ eine parlamentarische Anfrage an Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) eingebracht haben, weil Festgenommene von groben Verstößen der Polizei berichteten, stellt nun auch die ÖVP selbst eine Anfrage an Nehammer. Ziemlich ungewöhnlich ist daran, dass Gegenstand dieser vor allem das Verhalten einer grünen Abgeordneten – also des Koalitionspartners – ist. Hermann Gahr von der ÖVP will wissen, was Barbara Neßler, bei den Grünen für Tourismus zuständig, und der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi nach der Demonstration unternommen haben.

15 Festnahmen, mehr als hundert Anzeigen

Die Demonstration war unter dem Titel "Grenzen töten" angemeldet und nicht untersagt. 600 Personen nahmen daran teil, die Polizei ließ 15 Personen festnehmen – die in der Folge alle wieder enthaftet wurden – und legte mehr als hundert Anzeigen, denn es sei zu Attacken gegen Polizeibeamte gekommen. Die Veranstalter der Demo kritisierten das Verhalten der Polizei als "zutiefst unverhältnismäßig". Demonstrationsteilnehmer brachten ebenfalls Anzeigen ein – gegen Polizeibeamte.

Was Gahr wissen will

In der ÖVP-Anfrage zitiert Gahr "Krone"-Artikel, wonach Willi und Neßler "mehrfach" im Polizeianhaltezentrum angerufen hätten. Der Abgeordnete will vom Innenminister unter anderem wissen, was bei den Telefonaten konkret besprochen wurde, wie oft angerufen wurde, ob Willi und Neßler für eine Freilassung der Inhaftierten interveniert hätten, welche persönlichen Verbindungen es zwischen Willi, Neßler und den Inhaftierten gebe und ob Nehammer der Meinung sei, dass es die Aufgabe von Abgeordneten sei, sich über den Hergang eines Polizeieinsatzes bzw. einer Inhaftierung zu erkundigen.

"Der Herr von der ÖVP hätte mich einfach anrufen können"

Neßler, gebürtige Vorarlbergerin, die aber schon viele Jahre in Innsbruck wohnt, überrascht die "künstliche Aufregung" der ÖVP über ihren Anruf: "Wenn es zu einer derartigen Eskalation im Rahmen einer Demo kommt, etwas, was in Innsbruck schon sehr lange nicht mehr der Fall war, dann frage ich natürlich nach", sagt sie zum STANDARD. Sie habe mit dem Einsatzleiter gesprochen, "um mir die Situation aus seiner Warte schildern zu lassen, und wollte per Anruf in Erfahrung bringen, wie viele Demonstrantinnen und Demonstranten festgehalten bzw. verhaftet wurden und warum". Der Beamte habe ihr aber keine nähere Auskunft geben können. "Nach 27 Sekunden war das Gespräch beendet und damit erledigt."

Dass ausgerechnet vom Koalitionspartner eine Anfrage beim Innenministerium erfolge sei "sehr irritierend", sagt Neßler. "Der Herr von der ÖVP hätte mich auch einfach anrufen können. Dann wäre das schneller als in 27 Sekunden geklärt gewesen. Aber offenbar geht es ihm mehr darum, etwas zu konstruieren." Neßler vermutet außerdem persönliche Gründe hinter der Anfrage, weil sie immer wieder "imageschädigende Statements von Tiroler VP-Funktionären kritisiert" habe. Zuletzt war das etwa Ende Oktober der Fall, als Neßler überfüllte Gondeln zu Beginn der Skisaison kritisierte. "Liebe Barbara! Lass die Hetzerei!", kommentierte der Tiroler ÖVP-Abgeordnete Franz Hörl danach auf Facebook.

"Dirty Campaigning"

Für die Antragsteller hat sie eine klare Botschaft: "Die Herren wären gut beraten, wenn sie sich einmal ernsthaft darum kümmern würden, wie wir aus dieser Krise herauskommen, und nicht damit ihre Zeit verplempern, mir irgendetwas anzudichten und Dirty Campaigning zu betreiben." Innenminister Nehammer hat nun bis zum 22. April Zeit, die Anfrage zu beantworten. (lhag, 25.2.2021)