Gestrenger Blick, aber laut Eigenaussage sehr freundlich im Umgang: Nina Sonnenberg alias Fiva.

Foto: Daniel Dückminor

In der "Starmania 21"-Jury wird neben Tim Bendzko und Ina Regen auch Nina Sonnenberg alias Fiva ihren Geschmack walten lassen. Die gebürtige Münchnerin, die ihren künstlerischen Lebensmittelpunkt seit Jahren in Wien hat, freut sich auf die große Show. Dabei kommt sie aus einer ganz anderen Ecke und hat früher selbst gegen den Popstarkult gewettert.

STANDARD: Sie kommen von Rap und Spoken Word Poetry, von Battles und Slams, wo es um musikalischen Wettbewerb geht. Lässt sich das mit Castingshows vergleichen?

Fiva: Bei Rap und gerade auch beim Poetry Slam geht's im Gegensatz zu so etwas wie "Starmania" um Selbstgeschriebenes, die eigene Schöpfung, die eigenen Styles. Das ist bei einer Castingshow anders, aber natürlich dreht sich beides auch um Entertainment und darum, besser oder eben anders als die anderen zu sein. Hier sehe ich eine Parallele, aber die Kulturen sind völlig unterschiedliche.

STANDARD: Wie tut sich dann jemand wie Sie, die ursprünglich aus der Subkultur kommt, mit dem Hochglanz-Entertainment?

Fiva: Als der Anruf kam, ob ich das machen möchte, war ich erstaunt. Ich bin seit 21 Jahren Musikerin und beschäftige mich im Rahmen meiner Sendung "Fivas Ponyhof" auf FM4 auch mit Popmusik und mag diese auch. Aber als ich 1999 angefangen habe zu rappen, hätte man mit so einer Aktion sofort den Sell-out-Vorwurf kassiert. Ich hab sogar noch selber 2001 in einem Song über den Popstarkult gerappt. Andererseits habe ich aber schon ganz viel Fernsehen für 3sat gemacht, und mich interessiert das Medium Fernsehen. Für eine Viertel-nach-acht-Liveshow wird man nicht jeden Tag angefragt. Da hatte ich einfach Lust drauf. Ich weiß nicht, wie ich ohne Pandemie entschieden hätte, aber ich bin seit einem Jahr nicht mehr auf der Bühne gestanden, habe keinen Menschen mehr live singen hören. Also wenn schon Castingshow, dann jetzt. Umso lauter, umso bunter, desto besser.

STANDARD: Wozu brauchen wir zwei Juroren aus Deutschland in einer österreichischen Show – zumal die heimische Musikindustrie in den letzten Jahren auch ohne "Starmania" große Namen hervorgebracht hat?

Fiva: Ich gehe nicht davon aus, dass das Castingteam mit der Ansage "Jetzt holen wir uns zwei aus Deutschland" an die Sache herangegangen ist. Das Schöne an der österreichischen Musikszene und den Künstlerinnen ist: Viel kann man mit denen – im besten Sinne – nicht machen. Die sind einfach gestandene, eigene und besondere Künstlerinnen, die auf eine Castingshow vielleicht einfach keine Lust hatten – ich weiß es nicht, ich habe niemanden gefragt. Für meinen Teil kann ich aber sagen, dass ich mich sehr gut mit Musik aus Österreich auskenne und großer Fan der Szene bin. Ich arbeite 14 Jahre für FM4, fühle mich hier verwurzelt.

STANDARD: Obwohl im Pop der letzten Jahre eine gewisse Diversifizierung stattgefunden hat, ist das Verlangen nach Castingshows konstant hoch geblieben. Was macht die Faszination aus?

Fiva: Menschen stehen auf Wettbewerb. Auch das Gefühl, als Publikum mitentscheiden zu dürfen, trägt dazu bei. Bei den Teilnehmenden ist es sicher auch der amerikanische Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Traum nach dem Motto "Ich hab immer schon in der Badewanne gesungen, und jetzt bin ich für den Moment ein Star in Österreich". Das ja so eine Fantasie von vielen, oder? Sonst würden ja auch gar nicht immer wieder so viele mitmachen, denn die großen Karrieren gehen ja häufig danach nicht los.

STANDARD: Konnten Sie als Musikerin vom Hype der letzten Jahre um Rap auf Deutsch profitieren?

Fiva: Nein. Ich habe immer eine Außenseiterinnenrolle gehabt. Wenn Sie heute einem 14-Jährigen sagen "Hey, hör dir mal die Fiva an", dann sagt er "Das ist doch kein Rap". Aber das ist ja auch total cool so. Es hat aber schon eine gewisse Öffnung dahingehend stattgefunden, dass nun viele Spielarten von Rap nebeneinander existieren.

STANDARD: Auch feministischer Rap steht gerade hoch im Kurs.

Fiva: Zum Beispiel Kerosin95 ist ein ganz tolles Projekt von Kathrin Kolleritsch, das Rap wieder im ursprünglichen Sinne begreift, nämlich als Tool, die eigene Meinung auszusprechen. Auch im politischen Rap passiert gerade wahnsinnig viel. Es hat mich immer schon am meisten fasziniert, wenn jemand schreibt, um sich auszudrücken.

STANDARD: Womit wir wieder bei Spoken Word wären. Durch Amanda Gormans Vortrag bei Joe Bidens Inauguration ist Spoken Word stärker in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Wird das der Slammer-Szene nachhaltig helfen?

Fiva: Slams sind berstend voll, obwohl von außen betrachtet wenig passiert. Es gibt keine Bühnenshow und keine Band und keine Pyrotechnik, sondern" nur" Leute, die ihre Sachen vortragen. Es ist sehr demokratisch. Ich weiß nicht, wie viel größer das Phänomen noch werden kann! Na gut, vielleicht wenn die nächste deutsche Bundeskanzlerin, die wohl vermutlich ein Bundeskanzler sein wird, zur Amtseinführung einen Spoken Word Artist oder eine Rapperin einlädt. Stellen Sie sich das vor! (Amira Ben Saoud, 26.2.2021)

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