Der grüne Impfpass soll Realität werden.

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Der Gipfel fand wieder einmal virtuell statt.

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Ursula von der Leyen und Charles Michel waren die einzigen, die in Brüssel vor Ort waren.

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Bei allen Regierungen der 27 EU-Mitgliedsstaaten gebe es "völlige Übereinstimmung", dass sie ihre Zusammenarbeit und die mit der EU-Kommission zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in den nächsten Wochen und Monaten deutlich vertiefen wollen. "Die Lage ist weiter sehr ernst", vor allem wegen des Vormarschs von Virusmutationen, betonte der Ständige Ratspräsident Charles Michel Donnerstagabend nach dem EU-Sondergipfel, der per Videokonferenz stattfand.

Erstes Ziel sei es, "die Bemühungen zu intensivieren", um "dringend die Zulassung, Produktion und Bereitstellung von Impfstoffen zu beschleunigen", heißt es in der Erklärung der Staats- und Regierungschefs. Neben Michel bekräftigte Kommissionschefin Ursula von der Leyen, dass man nach wie vor am Ziel festhalte, dass bis Sommer – spätestens Anfang September – 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung gegen Covid-19 geimpft sein werden, trotz aller Rückschläge bei der Belieferung durch die Pharmakonzerne. Der entsprechende Aktionsplan der Zentralbehörde, der die starke Ankurbelung von Produktion und Verteilung von Impfstoff vorsieht, wurde einhellig angenommen. 2021 sollen zusätzlich hunderte Millionen Impfdosen auf EU-Gebiet zusätzlich hergestellt werden.

Seit Jänner vereinbart

Die Verfügbarkeit von ausreichend Impfstoff ist auch die Voraussetzung für ein zweites großes Projekt im Rahmen der Corona-Strategie, die Entwicklung eines europäischen Impfpasses. Dass ein solcher kommen soll, hatte man bereits im Jänner im Prinzip vereinbart. Nun einigten sich die Regierungschefs trotz massiver Vorbehalte vor allem in Frankreich, Deutschland und Luxemburg darauf, dass dieses Projekt bis zum Sommer startklar sein soll, wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bestätigte.

"Wir starten dabei nicht von null", erklärte von der Leyen den Plan. Man wolle ein echtes "europäisches Zertifikat" kreieren, das die Bürger, die über einen solchen Nachweis verfügen, grenzüberschreitend in die Lage versetzt, einfacher zu reisen bzw. Ausnahmen von strikten Pandemiemaßnahmen auf nationaler Ebene zu beanspruchen.

Kurz zufrieden

Vor allem die südlichen EU-Staaten wie Griechenland, Portugal und Spanien, aber auch Österreich, Kroatien, Bulgarien und die Slowakei hatten auf rasche Einführung eines solchen "grünen Impfpasses" gedrängt. Bundeskanzler Sebastian Kurz zeigte sich zufrieden über die Vereinbarungen dazu, dies werde ein wichtiger Schritt auf dem Weg in Richtung Normalität sein. Ratspräsident Michel wies darauf hin, dass der europäische Impfpass vor allem für den Tourismus als ein wichtiges Element der Wirtschaft große Bedeutung habe. Staaten, in denen der Fremdenverkehr einen guten Teil der volkswirtschaftlichen Leistung ausmacht, hoffen darauf, dass dieses Instrument bei fortgeschrittener Impflage die Sommersaison retten wird.

Wie soll der Pass funktionieren? Von der Leyen warnte vor zu großen Erwartungen. Die Kommission werde drei Monate brauchen, um die technischen Voraussetzungen für den Pass abzuklären. Gedacht ist an eine Software, die man auf einem Smartphone abspeichern und per QR-Code überall jederzeit abrufen kann. Man sei sich einig, dass nur die wichtigsten Daten abgespeichert werden sollen, sagte die Kommissionschefin: Auf dem Impfpass soll vermerkt sein, ob und mit welchem Impfstoff ein Träger immunisiert wurde oder ob er eine Covid-19-Erkrankung hinter sich und daher Antikörper hat oder wann er den letzten PCR-Test absolviert hat. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte starke Einwände in Bezug auf die Speicherung persönlicher Daten, und auch weil mit dem Impfpass ein Zwang zur Impfung entstehe.

Denn wer auf diese Art nachweisen kann, dass von ihm keine Ansteckungsgefahr ausgeht, soll sich auch freier in Europa bewegen können. So weit die Theorie. Denn nicht zuletzt Merkel wandte ein, dass die Wissenschaft noch nicht zweifelsfrei geklärt habe, ob Immunisierte nicht trotzdem weiter Virenüberträger sein könnten bzw. wie sich das bei mutierten Viren darstelle.

Viele Details noch offen

Darüber, was man mit dem Pass machen kann, sollen laut von der Leyen die Nationalstaaten entscheiden. Wie bei Grenzkontrollen oder Quarantänemaßnahmen auch dürfe es dabei jedenfalls keine Diskriminierung geben, betonte Michel. Beim nächsten EU-Gipfel Mitte März will man sich über die weiteren Detailfragen unterhalten.

Ob die "neue Impfstoffstrategie" der EU-27 mit der Steigerung der Verfügbarkeit von Impfstoff aufgehen wird, hängt nicht zuletzt von der weiter steigenden Bedrohung durch Neuinfektionen mit mutierten Virusvarianten, die infektiöser sind, ab. Der Gipfel ermunterte die Staaten und die Bevölkerung ausdrücklich dazu, an Schutzmaßnahmen im Alltag festzuhalten bzw. diese sogar noch auszubauen. Von "nicht lebensnotwendigen Reisen" werde weiter abgeraten, erklärte Michel. Beschränkungen an den Binnengrenzen dürften dennoch nicht zu Diskriminierungen und Störungen des Waren- und Dienstleistungsverkehrs führen. (Thomas Mayer, 25.2.2021)