Lange Zeit hatten die Augenringe ein Schattendasein gefristet. Es gehörte zum guten Ton, sie unter Make-up-Schichten zu verstecken. Kein Wunder, mit traurigen Ringen unter den Augen ließ sich auf der Social-Media-Plattform Instagram kein Blumentopf gewinnen. Dabei war es längst schick, vermeintliche Makel herzuzeigen: Orangenhaut, Körperbehaarung, Akne – alles schien in den vergangenen Jahren vorzeigbarer als müde Augen.

Die Ringe, die von Überarbeitung, schlechtem Schlaf oder gar Drogenmissbrauch zeugen, hatte die Body-Positivity-Bewegung offenbar übersehen. Ein letztes Hoch erlebten die Schatten unter den Augen vor dreißig Jahren. Doch der "Heroin Chic" galt als ein schmuddeliger, fast schon vergessener Trend aus den Neunzigern.

Neuerdings aber ist das anders. Nicht nur Kate Moss, die Königin der Augenringe, tauchte für Fendi aus der Versenkung auf. Auch "Christiane F.", die heroinabhängige Heldin vom Bahnhof Zoo, erlebte eine Amazon-taugliche Wiederauferstehung.

Kate Moss, die Königin der Augenringe, modelte im Jänner für Fendi.
Foto: STEPHANE DE SAKUTIN / AFP
"Christiane F." erlebte eine Amazon-taugliche Wiederauferstehung.
Foto: 2020 Constantin Television GmbH / Amazon Studios / Soap Images

Kein Wunder, dass die Generation Z jetzt die Sexyness der schattigen Optik für sich entdeckt hat. Ein 19-jähriges Model machte den Anfang. Sara Carstens postete Anfang Jänner ein Tiktok-Video, in dem sie sich mit einem Contouring-Stift dunkle Ringe unter die Augen malte. Die Botschaft des etwas anderen Schminkvideos: Auch mit Augenringen sind wir schön! Offenbar traf sie den Nerv einer notorisch unausgeschlafenen, von der Pandemie genervten Generation Z. Carstens' Aktion fand unzählige Nachahmerinnen (Männer: Fehlanzeige!), die die Schattentechnik perfektionierten. Sie erfuhr aber auch Kritik: Was andere verunsichere, dürfe nicht zum Trend erklärt werden.

Das Model legte nach: Sie habe mit ihrem Video dafür sorgen wollen, dass Menschen sich nicht mehr für ihre Augenringe schämten. Carstens hat seit dieser Aktion übrigens unzählige Videos gedreht. Augenringe sucht man in ihnen vergeblich. (Anne Feldkamp, 27.2.2021)