Sollen in Österreich bald Gasthäuser, Kinos oder Theater aufsperren? Die Corona-Kommission der Bundesregierung rät davon ab und regt stattdessen an, ab einer Inzidenz von 200 die letzten Lockerungsschritte zurückzunehmen. Dass momentan viel getestet werde, sei zwar gut, Schätzungen würden aber ergeben, dass nicht mehr als zehn bis fünfzehn Prozent der aktuell detektierten inzidenten Fälle darauf zurückgeführt werden können.

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Zuletzt mehrten sich die Stimmen für weitere Öffnungsschritte – und das, obwohl die Bundesregierung ein Ende des Lockdowns für Gastronomie und Kultur mit "frühestens Ostern" in Aussicht gestellt hatte. Erst am Donnerstag fand ein großer "Öffnungsgipfel" statt; Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer ließ verlauten, dass die Regierung eine Diskussion anhand von Zahlen, Daten und Fakten führen müsse. Diese würden aus seiner Sicht zeigen: Eine Öffnung von Gastronomie und Hotellerie sowie der Freizeit- und Kulturwirtschaft sei mit den vorliegenden Sicherheitskonzepten möglich.

Deutliche Warnungen

Wenige Stunden später, Donnerstagnacht, war die Corona-Kommission der Regierung mit ihren aktuellen Beratungen fertig. Die Expertinnen und Experten bewerten das aktuelle Infektionsgeschehen und dabei vor allem den rapide gestiegenen Anteil der Mutationen. Ihr Fazit ist mit den Einschätzungen des Wirtschaftskammer-Chefs nicht kompatibel: Die Kommission warnt nicht nur vor neuen Öffnungsschritten, die Experten bringen auch neue Einschränkungen zur Sprache.

Und es wird auch ein neuer Richtwert vorgestellt: Sollte die bundesweite Inzidenz auf über 200 Fälle pro 100.000 Einwohner ansteigen, sollten die kürzlich erfolgten Lockerungen zurückgenommen werden. (Zur Orientierung: Dieser Wert stieg österreichweit von 106 vor zwei Wochen auf aktuell 145.) Nachsatz der Kommission: "Die erneute Schließung von Bildungseinrichtungen sollte nur als Ultima Ratio in Betracht gezogen werden."

Spitäler auf Anstieg vorbereiten

Die Belastung des Gesundheitssystems sei im Vergleich zur Vorwoche zwar leicht gesunken – demnach waren mit Stand Mittwoch 13 Prozent der Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt. Die Prognoserechnungen würden allerdings erneute Anstiege der Auslastung von Intensivstationen auf 17 Prozent (343 Fälle) bis zum 10. März zeigen. Laut den Experten kann ein neuerlicher dynamischer Anstieg der Fälle die Lage in den Intensivstationen "zum Zusammenbruch bringen". Der angestrebte Regelbetrieb der Spitäler könne ab einer Auslastung von etwa zehn Prozent (200 belegten Betten) wiederhergestellt werden.

Da die Anstiege in den Intensivstationen erfahrungsgemäß zeitversetzt zum Auftreten steigender Inzidenzen erfolgen, empfiehlt die Kommission den Bundesländern, Maßnahmen in den Spitälern zu setzen, "um auf die bevorstehenden Anstiege in den Intensivstationen vorbereitet zu sein".

Britische Mutation nimmt überhand

Von Vertretern der Wirtschaft werden die aktuell steigenden Zahlen gerne mit der gestiegenen Anzahl an Tests argumentiert. Auch dazu nimmt die Kommission Stellung: Das aktuell hohe Testgeschehen könne einer beschleunigten Verbreitung entgegenwirken. "Der Effekt des erhöhten Testgeschehens sollte jedoch nicht überschätzt werden. Schätzungen ergeben, dass nicht mehr als zehn bis fünfzehn Prozent der aktuell detektierten inzidenten Fälle darauf zurückgeführt werden können."

Grund für die große Sorge der Kommission ist vor allem der Anteil an Mutationen im Land: Demnach würde die britische Mutation mit 57 Prozent österreichweit das Infektionsgeschehen bereits dominieren. Die effektive Reproduktionszahl der Mutante schätzt die Kommission auf 27 Prozent höher als die der bis dahin üblichen Varianten. Die effektive Reproduktionszahl sei bei der Mutante zwischen Kalenderwoche fünf und sieben bei 1,22 gelegen. Diese Zahl gibt an, wie viele Menschen ein Infizierter unter den aktuellen Bedingungen im Durchschnitt ansteckt. Bei Experten und Politik gilt das Ziel, die Reproduktionszahl unter eins zu halten.

Tiroler Maßnahmen für Gebiete mit hohen Zahlen

Bei der südafrikanischen Mutation ist weiterhin Tirol am stärksten betroffen – ohne dass freilich konkrete Zahlen genannt würden. Da die im Bundesland gesetzten Maßnahmen (jede Person, die aus Tirol ausreisen möchte, muss einen – von befugter Stelle durchgeführten – negativen Corona-Test vorweisen, der nicht älter als 48 Stunden ist, das gilt auch für Pendler) die Verbreitung unter Kontrolle gehalten hätten, rät die die Kommission zu einer Fortsetzung dieser Regeln und "empfiehlt insbesondere allen anderen Bundesländern für Gebiete mit hoher Sieben-Tage-Inzidenz, diese ebenfalls zu implementieren". (Lara Hagen, 26.2.2021)