Grünes Licht gibt es dafür offiziell zwar noch nicht, aber im Frankfurter Hauptsitz der Europäischen Zentralbank (EZB) rauchen längst die Köpfe. Es geht um den sogenannten E-Euro, also gewissermaßen um die Digitalisierung des Bargelds. Entscheiden über eine mögliche Einführung wird der EZB-Rat, oberstes Beschlussorgan der Währungshüter, zwar erst zur Jahresmitte – es wirkt hinter den Kulissen aber so, als wären die Würfel längst gefallen. Notenbank-Chefin Christine Lagarde rechnet etwa mit der Einführung des E-Euro in den nächsten Jahren, wie sie im Jänner erklärte.

Die EZB arbeitet an einer digitalen Ergänzung zum Bargeld, dem E-Euro. Eingeführt wird er wahrscheinlich in den nächsten Jahren.
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Aber was will die EZB mit einer digitalen Ausgabe des Euro erreichen? Grundsätzlich soll er wie Bargeld funktionieren, nur eben digital. Aufbewahrt wird er in einer elektronischen Geldbörse wie die Kryptowährung Bitcoin, an die ein digitaler Euro technisch angelehnt wäre. Jedoch soll der E-Euro Münzen und Geldscheine ergänzen, nicht ersetzen, heißt es von der EZB. Anders als bei Bitcoin und Co würde die Notenbank allerdings auch den digitalen Euro kontrollieren.

Dies weckt natürlich Ängste vor völliger Transparenz und Überwachung, wenn eine Behörde im Grunde über alle Transaktionen der Bürger verfügen könnte. Das zeigen auch vorläufige Ergebnisse eine Onlineumfrage der EZB, der zufolge bei den geforderten Eigenschaften eines möglichen E-Euro die Wahrung der Privatsphäre bei Zahlungen ganz oben steht. Konkret gaben dies 41 Prozent der Befragten an, gefolgt von Sicherheit mit 17 Prozent und einer paneuropäischen Reichweite, die für jeden Zehnten wichtig ist. Eine detaillierte Analyse der Ergebnisse will die Notenbank im Frühjahr präsentieren.

Privatsphäre nötig

Im Alltag würde der E-Euro mit dem gänzlich anonymen Bargeld im Wettbewerb stehen. Daher wird die Notenbank den Bürgern also ebenfalls ein gewisses Maß an Privatsphäre gewähren müssen, damit der E-Euro die entsprechende Akzeptanz findet. "Wir brauchen 100-prozentige Sicherheit und ein vernünftiges Konzept, das braucht Zeit", sagt EZB-Direktor Fabio Panetta. Und er fügt im Nachsatz hinzu: "Wir werden niemanden dazu zwingen, mit dem digitalen Euro zu zahlen."

Vielmehr soll der Nutzen eines digitalen Euro überzeugen. Ein hohes Maß an Privatsphäre wäre etwa ein Vorteil gegenüber manchen anderen Bezahlmethoden. Kartenunternehmen wie Mastercard oder Visa sowie die Bezahldienste von Google oder Apple können das Einkaufsverhalten ihrer Nutzer bereits jetzt analysieren.

Nicht zum Sparen

Aber wenn Bürger künftig viele Bezahlungen mit dem E-Euro direkt über die EZB laufen lassen, fällt dann nicht für klassischen Banken Geschäft weg? Diese Befürchtung teilt Panetta nicht. "Wenn die Menschen einen Teil ihres Bargelds in den digitalen Euro umwandeln, verlieren die Banken dadurch keine Einlagen", sagt er. Zudem will die EZB dem Horten digitaler Euro ohnedies unterbinden, sie sind nämlich nicht zum Sparen, sondern für den Konsum gedacht.

"Wir könnten Bestände an digitalem Euro nur bis zu einem gewissen Grenzbetrag erlauben oder durch Verzinsung ab diesem Betrag unattraktiv machen", erklärt Panetta. Als mögliche Obergrenze gelten 3000 Euro, was aber ein gravierender Unterschied zu Bargeld wäre. Allerdings ist vieles in der Ausgestaltung offen, zumal das Projekt noch nicht offiziell auf Schiene ist.

Unter Zugzwang

Allerdings sind die Frankfurter Währungshüter hinsichtlich einer digitalen Währung de facto unter Zugzwang geraten. Weltweit loten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zufolge immer mehr Notenbanken digitale Versionen ihrer Währungen aus. Von 65 befragten Zentralbanken arbeiteten vergangenes Jahr 56 an solchen Projekten. Demnach haben bereits 60 Prozent der Notenbanken die Experimentierphase erreicht.

Die Bahamas haben im Vorjahr als erstes Land der Welt eine digitale Version ihrer Währung eingeführt, den Sand Dollar. Auf dem Archipel mit rund 700 Inseln, davon 30 bewohnt, spielt die Verfügbarkeit von Zahlungsmöglichkeiten eine große Rolle. Ambitionierte Pläne werden auch in China gewälzt, wo sich der E-Yuan in einem Testlauf befindet. Die Privatsphäre der Bürger ist dort allerdings kein Thema. (Alexander Hahn, 28.2.2021)