In vielen Altersheimen wurde schon geimpft, die Infektionszahlen sinken.

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Die Lage in Alters- und Pflegeheimen entspannt sich zusehends, ist seit Wochen die Botschaft von Interessenvertretern und Politik. So sehr, dass nun sogar die Regeln ein klein wenig gelockert wurden: Statt bisher nur einem dürfen nun zwei Besuche pro Woche kommen – FFP2-Maske und Test bleiben Pflicht.

Grafik: Der Standard

Dass aber trotz Impfung und Schutzmaßnahmen das Virus immer noch den Weg in ein Heim finden kann, zeigen aktuelle Fälle aus Wien. Die verzweifelte Tochter einer 79-jährigen Frau, die am 22. Februar an Covid-19 verstarb, meldete sich beim STANDARD. Die Mutter war auf der Demenzstation der Pflege Leopoldstadt, eines Pflegeheims des Wiener Gesundheitsverbundes. Dort wurde sie am 21. Jänner geimpft, erzählt die Tochter.

"Aber zwei Tage vor dem ersten Stich sind dort positive Fälle aufgetreten, meine Mutter wurde am 25. Jänner positiv getestet, eine Woche später ist sie mit Symptomen ins Klinikum Favoriten eingeliefert worden" – wo sie verstarb. Die Tochter kritisiert, dass zu spät mit dem Impfen begonnen wurde: "Nach so einem Jahr zählst du jeden Tag herunter. Gerade Demenzkranke hätte man sofort impfen müssen", sagt sie.

Britische Mutante

Ein Vorwurf, den das Pflegeheim entschieden zurückweist. Von Christoph Mierau, Sprecher des Wiener Gesundheitsverbundes, heißt es: "Sofort nach Bekanntgabe der Freigabe des Pfizer/Biontech-Impfstoffes wurde am 23. Dezember 2020 erhoben, welche Bewohner und Bewohnerinnen und Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich mit diesem Impfstoff impfen lassen wollen. Anfang Jänner wurden die benötigten Impfdosen bestellt." Doch man habe keinen Einfluss auf den Lieferzeitpunkt.

Mierau bestätigt, dass elf Bewohnerinnen und Bewohner nach der Impfung am 21. Jänner positiv getestet wurden. Acht sind verstorben. Analysen ergaben, dass es sich um die ansteckende britische Variante B.1.1.7 handelte, sagt Mierau. Insgesamt seien seit Beginn der Pandemie in den zehn Häusern des Wiener Gesundheitsverbundes mit rund 2850 Menschen 155 positiv getestet worden, 24 davon verstarben.

Der zweite bittere Umstand: Die Möglichkeit von Angehörigen, an Informationen über die Gesamtsituation in den Heimen zu kommen, ist augenscheinlich nicht überall die gleiche. Während manche Pflegeheime auf ihren Homepages laufend transparent den Istzustand aktualisieren, sei es im beschriebenen Fall schwierig gewesen: "Ich musste Infos hinterherrennen, dabei habe ich gesagt, dass ich meine Mutter hole, wenn’s arg wird. Ich war immer am Absprung."

Man habe "Angehörige laufend über die aktuellen Gesundheitszustände informiert", heißt es dazu aus der Pflegeeinrichtung. Doch für die Hinterbliebene kam diese Info letztlich zu spät.

Todeszahlen sinken

Die Coronavirus-Pandemie hatte in Alters- und Pflegeheimen besonders heftig Auswirkungen, über 3.500 Todesfälle an oder mit Covid wurden unter den dortigen Bewohnerinnen und Bewohnern bisher verzeichnet. Im Jahr 2020 gab es unter den Bewohnern und Bewohnerinnen um 12,5 Prozent mehr Sterbefälle als im Jahr davor.

Doch tatsächlich: Die Lage entspannt sich ein wenig. Allein in den letzten zwei Wochen sank die Zahl der aktiven Fälle in Heimen um mehr als die Hälfte auf aktuell knapp 300. Noch im Dezember lag diese Zahl bei über 4.000. Auch die Altersstruktur der Infizierten veränderte sich: Anfang Jänner war ein Fünftel der Infizierten über 65 Jahre alt, nun sind es zwölf Prozent.

In der Gesamtbevölkerung gehen die Sterbefälle ebenfalls zurück. Doch das letzte Jahr hat einen gewaltigen Einschnitt hinterlassen. Durch das Virus starben 2020 so viele Menschen, wie normalerweise in einem ganzen Monat sterben. Fast 6.500 Personen sind 2020 an dem Virus gestorben, für fast 1.400 weitere kam Covid-19 als Begleiterscheinung zu einem schweren Grundleiden dazu. Anders formuliert: Sieben Prozent jener Menschen, die im Jahr 2020 in Österreich verstorben sind, sind durch Covid-19 gestorben.

Dass diese Zahlen weit über die gewöhnlichen Schwankungen in den Sterberaten eines Jahres hinausgehen, zeigt auch der Übersterblichkeitsvergleich in der Gesamtbevölkerung: 2020 verstarben um über neun Prozent mehr Personen als im Vorjahr. (Gabriele Scherndl, Colette M. Schmidt, 26.2.2021)