US-Präsident Joe Biden möchte die Halbleiter-Produktion zurück ins Land holen.

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Das Timing könnte besser sein: Mitten im Elektroauto-Boom muss Tesla die Produktion des Model 3 in Kalifornien drosseln. Der Grund ist laut einem Bericht von Bloomberg ein Engpass in der Wertschöpfungskette – beziehungsweise auch jene Situation, die von Medien zuletzt mehrfach als "Chipkrise" bezeichnet wurde: ein weltweiter Mangel an Halbleitern, welche in immer mehr Geräten benötigt werden.

Tesla ist mit dieser Problematik kein Einzelfall, auch deutsche Autobauer haben zuletzt über einen Engpass geklagt. Denn moderne Autos sind zunehmend fahrende Computer, in denen immer mehr Elektronik steckt: Sie sind automatisiert, vernetzt, smart und folglich computerisiert. Parallel dazu steigt der Bedarf an Halbleitern auch in jenen Branchen, die immer schon auf Mikroelektronik gesetzt haben.

Laptops und Konsolen

So können sich PC-Hersteller über ein brummendes Geschäft freuen: Bei HP sackte der Verkauf von Desktop-PCs im vergangenen Quartal im Jahresvergleich zwar um 23 Prozent ab, mit rund einem Drittel mehr verkauften Laptops konnte dies aber mehr als kompensiert werden. Auch Konkurrent Dell verkaufte unterm Strich um 15 Prozent mehr Geräte. Vor allem Privatkunden treiben das Wachstum: Lockdown und Homeoffice hinterlassen hier ihre Spuren.

Im Bereich der Unterhaltungselektronik wiederum warten viele Gamer verzweifelt darauf, endlich eine Spielekonsole der nächsten Generation kaufen zu können: Neben der Problematik auf der Nachfrageseite – teils werden die Bestände leergekauft, um sie anschließend auf Ebay und anderen Plattformen teurer weiterzuverkaufen – sorgt hier aber auch der Halbleitermangel für Engpässe.

Zyklus der Leere

Mit der Digitalisierung des Lebens steigt also der Bedarf an Halbleitern, und die Nachfrage ist derzeit größer als das Angebot. Doch das sei nicht der einzige Grund für die Chipkrise, wie Andreas Gerstenmayer, CEO von AT&S, erläutert. Hinzu kommt, dass der Halbleitermarkt ein zyklischer Markt ist. Etwa im Zwei-Jahres-Rhythmus gibt es abwechselnd eine Überproduktion und einen Engpass. Durch die Covid-19-Krise ist dieser Zyklus durcheinandergeraten. "Da es vor Covid ein Zuviel gab, waren die Hersteller vorsichtig und haben nur zögerlich in Kapazitätserweiterung investiert", sagt Gerstenmayer. "Da es aber zu einem Digitalisierungsschub gekommen ist, mit dem niemand im Vorfeld gerechnet hat, entstand eben dieser Engpass."

In der Warteschlange

Am deutlichsten sei dieser Engpass laut Gerstenmayer in der Automobilbranche erkennbar. Da Käufe ausblieben, haben die Hersteller auch die Halbleiterbestellungen storniert. Weil die Autoproduktion nun wieder Fahrt aufnimmt, steigt der Bedarf, kann aber mangels Kapazitäten nicht gedeckt werden.

Freilich wird sich der Markt erholen. Denn derzeit fahren die Hersteller Zusatzschichten, zudem stocken sie ihre Kapazitäten auf. "Das geht aber nicht von heute auf morgen", sagt Gerstenmayer. Laut einem Bericht von Electronics Weekly dauert es mindestens 2,5 Jahre, bis sich Investments in die Chipproduktion im Output widerspiegeln. Nun ist also relevant, was 2019 geplant wurde – und 2019 war ein schlechtes Jahr für die Branche, in dem die Umsätze um zwölf Prozent fielen.

Biden schreitet ein

Sollte sich die Politik also einbringen? In den USA sieht es danach aus: Präsident Joe Biden lässt per Dekret kritische Produktionsketten analysieren, darunter auch jene von Computerchips. Ziel ist es, die Produktion im Inland zu sichern.

Die EU wiederum hatte sich 2013 zum Ziel gesetzt, in der Mikroelektronik bis 2020 einen Weltmarktanteil von 20 Prozent zu erreichen. Derzeit liegt der Anteil am Halbleitermarkt jedoch bei 8,4 Prozent, Tendenz fallend. "Europa muss wieder an Bedeutung auf dem Mikroelektroniksektor gewinnen und Gegentrends aufhalten", sagt Gerstenmayer. Die aktuelle Krise zeigt den Handlungsbedarf mehr als deutlich.

Ohne moderne Computerchips kommt heute kaum noch ein Produkt aus – von smarten Autos bis zu Spielekonsolen und Laptops, welche sich in der Pandemie wieder deutlich besser verkaufen als zuvor. (Stefan Mey, 27.2.201)