Chiara Hoelzl, Sophie Sorschag, Daniela Iraschko-Stolz und Marita Kramer haben Gold.

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Daniela Iraschko-Stolz zieht.

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Marita Kramer zieht noch weiter.

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Angesichts der Dichte des Skisprungkalenders bei der WM in Oberstdorf trat die je nach Sichtweise skandalöse oder auch nur unglückliche erste Entscheidung unter dem Schattenberg flott in den Hintergrund. Nur 24 Stunden nach dem Einzel der Damen folgte am Freitagabend deren Teambewerb auf der Normalschanze. Und Sara Marita Kramer nahm ihre ebenfalls starken Kolleginnen Daniela Iraschko-Stolz, Sophie Sorschag und Chiara Hölzl mit Traumsprüngen auf 102,5 und 104 Meter mit auf das Siegespodest.

Slowenien, vor allem in Person von Einzelweltmeisterin Ema Klinec, scheiterte an Kramers Selbstvertrauen, blieb aber nur 1,4 Punkte zurück. Bronze ging an die Norwegerinnen um Olympiasiegerin Maren Lundby, die auf Österreich 17,2 Punkte verloren.

FIS Ski Jumping

Im ersten Durchgang flog Kramer Österreich von Rang drei an die Spitze, im zweiten fing sie die Sloweninnen noch ab. Wie das möglich wurde? "Ich habe mir gestern noch schnell Nerven bestellt", sagte Kramer nach dem Triumph.

Nervenverschleiß

Schließlich hatten die Ereignisse am Donnerstag einiges an Nerven gekostet. Kramer, die im ersten Durchgang des Einzelbewerbes den Satz auf die Schanzenrekordweite von 109 Metern nur mit Ach und Krach unfallfrei gelandet hatte, konnte im zweiten Durchgang den Angriff der Slowenin Klinec, die sich mit 100,5 Meter an die Spitze gesetzt hatte, bei just vor ihr nach langer Wartezeit verkürztem Anlauf nicht kontern und verpatzte bei 98 Metern die Landung. Sie fiel auf Rang vier zurück, 4,4 Punkte hinter Gold.

Während die Sportlerin, enttäuscht, aber wunderbar abgeklärt, in erster Linie bei sich selbst die Schuld für das Verpassen der Medaille suchte, schrien die Verantwortlichen des Skiverbands ÖSV quasi Zeter und Mordio. Sportchef Mario Stecher legte Protest ein, nicht so sehr, um das Ergebnis zu ändern ("sinnlos"), sondern gegen die handelnden Personen. Die dürften, grollte der Steirer, nie wieder bei Großereignissen in einer Jury das Sagen haben. "Solche Leute sollten an der Ausübung ihres Jobs gehindert werden."

ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel witterte gar Betrug. "Das ist eine Sauerei, das ist unglaublich, das ist Manipulation." Die Tatsache, dass bei den Technischen Delegierten mit Saso Komovec und dessen Assistent Miran Tepes zwei Slowenen, also Landsleute der Weltmeisterin, der Jury angehörten, lässt natürlich trefflich spekulieren. Und überhaupt, auch Renndirektorin Chika Yoshida hatte ein Motiv, Kramer zu benachteiligen, schließlich ging es nebenbei um die Bronzemedaille ihrer Landsfrau Sara Takanashi. Wie der Finne Jani Hyvaerinen als zweiter Technischer Delegierter und der Deutsche Daniel Nett, der Ablaufchef, in den Krimi passen, hat sich bisher noch nicht erklärt.

Rollercoaster

Wie auch immer, dieselbe Jury brachte den Bewerb am Freitag klaglos über die Bühne. Im Lager des ÖSV war nur noch Jubel.

"Das ist echt wie ein Rollercoaster, gestern so bitter und heute wieder so cool, unglaublich", sagte Kramer, die im Mixed am Sonntag und in der WM-Premiere der Frauen auf der Großschanze zu einer der bestimmenden Persönlichkeiten der WM werden könnte. Je größer die Schanzen, desto wohler fühlt sich die gebürtige Niederländerin.

"Gold im Team ist absolut das Coolste", sagte Iraschko-Stolz, die bereits ihre siebenten WM-Medaille, die zweite goldene nach ihrem Normalschanzentitel 2011 geholt hat. Das Vertrauen der 37-jährigen Doyenne des Skisprungs in Kramer war groß gewesen: "Ich habe gedacht, die Sara hält die Spur, sie kriegt das hin. Was sie die letzten Tage gemacht hat, das ist echt wahre Größe. Gestern war es ein Tag zum Vergessen, den heute werden wir uns ein ganzes Leben lang merken." Zutiefst gerührt war Chefcoach Harald Rodlauer nach Kramers Vorstellung. "Ich ziehe den Hut vor ihr und bin stolz, dass ich Trainer dieses Teams bin", sagte der 54-jährige Steirer. (Sigi Lützow aus Oberstdorf, 26.2.2021)

Reaktionen (via ORF):

Marita Kramer: "Unglaublich, mega. Das ist echt wie ein Rollercoaster, gestern so bitter, und heute wieder so cool, unglaublich. Ich habe mir gestern noch schnell Nerven bestellt – Dani ist im Amazon Bestell-Fieber, da habe ich gesagt, ich bestelle mir Nerven mit. Es war unglaublich. Die Sloweninnen haben extrem starke Sprünge ausgepackt. Ich bin oben gehockt und habe gedacht, das wird extrem knapp. Mein Sprung war eigentlich sehr cool, und unten habe gedacht, Spannung halten. Ich habe es probiert, ihn reinzusetzen. Er war besser als die letzten."

Daniela-Iraschko Stolz: "Für mich hat das die Megabedeutung, Gold im Team ist absolut das Coolste. Ich bin so stolz auf meine Mädels. Heute müssen wir echt noch viel essen, weil ich habe so viel abgenommen da herunten – das packe ich nicht auf meine alten Tage." Über Kramer: "Ich habe gedacht, die Sara hält die Spur, sie kriegt das hin, dass sie ihn auch noch so hineinsetzt, hat mich noch mehr beeindruckt. Aber was sie die letzten Tage gemacht hat, das ist echt wahre Größe. Ohne Worte. Sie macht einen Sprung nach dem anderen so gut. Gestern war es ein Tag zum Vergessen, den heute werden wir uns ein ganzes Leben lang merken. Ich bin stolz auf das ganze Team und meine Mädels, und das feiern wir jetzt gescheit."

Chiara Hölzl: "Es ist echt verrückt, die letzten Tage waren echt sehr, sehr hart, ich habe viel weinen müssen, jetzt auch wieder, jetzt ist es ein anderer Grund, jetzt ist es Gott sei Dank wieder etwas Erfreuliches. Ich bin einfach so dankbar, dass ich heute mit den Dreien hüpfen habe können."

Sophie Sorschag: "Ich kann es noch gar nicht glauben. Es war sehr, sehr spannend, ich bin froh, dass ich den zweiten Sprung so heruntergebracht habe."

Harald Rodlauer (ÖSV-Frauencheftrainer): "Das freut mich irrsinnig, es war unglaublich. Wir haben das gestern besprochen, ich habe gesagt, das Leben geht weiter, wir müssen dranbleiben. Sie haben das sofort abgeschlossen und sind mit einem guten Feeling ins Bett gegangen und heute mit extrem viel Freude in den Wettkampf. Sie waren schon vom Frühstück weg so positiv. Dass es jetzt die Goldene ist, ist ein Wahnsinn, natürlich gehört auch Glück dazu. Aber die Leistungen waren sensationell. Das bedeutet uns sehr viel, das bin ja nicht nur ich, es ist das gesamte Team, das super arbeitet. Gold widerspiegelt das Teamgefüge, ohne meine Kollegen wäre das nicht möglich, darauf bin ich stolz."

Über Kramer: "Ich habe zur ihr gesagt, ich ziehe den Hut vor dir, weil sie gestern kein Wort über die Situation verloren hat. Ich bin einfach sehr stolz auf sie."

Skispringen, Frauen-Teambewerb Normalschanze:

1. Österreich (Daniela Iraschko-Stolz 97/99,5 – Sophie Sorschag 88/93,5 – Chiara Hölzl 89,5/96,5 – Marita Kramer 102,5/104) 959,3

2. Slowenien (Nika Kriznar 98/106 – Spela Rogelj 93,5/96,5 – Ursa Bogataj 91,5/97 – Ema Klinec 91/95,5) 957,9

3. Norwegen (Silje Opseth 98/99 – Anna Odine Ström 87/91 – Thea Minyan Björseth 93/98,5 – Maren Lundby 95,5/97,5) 942,1

4. Japan (Yuki Ito 93,5/93 – Yuka Seto 86,5/87,5 – Nozomi Maruyama 87/88 – Sara Takanashi 94,5/98) 877,5

5. Deutschland (Anna Rupprecht 90/94 – Juliane Seyfarth 88,5/,90,5 – Luisa Görlich 85/94,5 – Katharina Althaus 94/94,5) 873,1

Weiter: 6. Russland 787,4 – 7. Polen 631,2 – 8. Tschechien 621,5

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