Die mit der Richtlinie eingeführten neuen Restrukturierungsinstrumente können bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise helfen.

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Lockdown, Umsatzeinbrüche, Kurzarbeit: Die Wirtschaft wird von der Corona-Krise heftig gebeutelt. Da kommt der Vorschlag zur neuen Restrukturierungsordnung gerade zur rechten Zeit.

Die Mitgliedstaaten der EU sind nach der im Juni 2019 beschlossenen Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (Richtlinie (EU) 2019/1023) verpflichtet, bis Juli 2022 ein präventives Sanierungsverfahren einzuführen, das vor den gängigen Insolvenzverfahren ansetzt und Unternehmern eine zweite Chance gewährt.

Auch wenn von der Corona-Krise noch keine Rede war, als die Richtlinie beschlossen wurde, könnten die mit der Richtlinie eingeführten neuen Restrukturierungsinstrumente bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise helfen.

Die Regierung hat vergangene Woche den Entwurf für das österreichische Umsetzungsgesetz, die sogenannte "Restrukturierungsordnung", veröffentlicht. Er sieht ein neues Restrukturierungsverfahren vor, in dem sich Unternehmen im Rahmen eines Restrukturierungsplans sanieren können. Um in das Verfahren zu kommen, muss, ja darf das Unternehmen nicht insolvent sein.

Das Restrukturierungsverfahren steht dem Unternehmen bereits zur Verfügung, wenn der Bestand des Unternehmens vorausschauend – aus welchen Gründen auch immer – gefährdet ist. Für den erfolgreichen Abschluss des Restrukturierungsverfahrens sind die Zustimmung der Gläubiger und eine Bestätigung des Gerichts erforderlich.

Mehr als die Richtlinie

In den letzten Paragrafen des Gesetzesvorschlags findet sich ein Instrument, das besonderer Erwähnung bedarf; auch weil der Vorschlag hier innovativ ist und über die Vorgaben der Richtlinie hinausgeht: das vereinfachte Restrukturierungsverfahren.

Im vereinfachten Restrukturierungsverfahren kann ein Schuldner, der sich mit seinen wesentlichen Finanzgläubigern geeinigt hat, in einem beschleunigten Verfahren die Zustimmung der anderen Finanzgläubiger erzwingen. Ein solches vereinfachtes Restrukturierungsverfahren muss gut vorbereitet sein. Der Schuldner muss den Restrukturierungsplan bereits erstellt und mit seinen Finanzgläubigern fertig ausverhandelt haben. In der Regel geschieht dies durch eine Restrukturierungsvereinbarung.

Der Restrukturierungsplan im vereinfachten Restrukturierungsverfahren darf nur Finanzgläubiger betreffen. Andere Gläubiger, also etwa Lieferanten, dürfen davon nicht beeinträchtigt werden. Es muss sichergestellt sein, dass keiner der betroffenen Finanzgläubiger schlechter gestellt ist, als er das in einem Insolvenzverfahren wäre.

Es muss außerdem dargelegt werden, dass die Umsetzung des Restrukturierungsplans eine mögliche materielle Insolvenz des Schuldners verhindert, der Schuldner also nach Umsetzung des Plans saniert ist. Die Erfüllung dieser Kriterien muss mit einem Gutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Gebiet Unternehmensführung, Unternehmensreorganisation, Unternehmenssanierung und Unternehmensliquidation bestätigt sein.

75 Prozent Zustimmung

Für die Annahme des Restrukturierungsplans sind Zustimmungserklärungen von Finanzgläubigern, die insgesamt 75 Prozent an Kapital je Forderungsklasse vertreten, erforderlich. Eine zusätzliche Kopfmehrheit ist, anders als im regulären Verfahren, nicht erforderlich. Es ist damit auch möglich, dass wenige Großgläubiger mehrere Kleingläubiger überstimmen.

Bisher war für außergerichtliche Restrukturierungen in fast allen Fällen die Zustimmung aller Gläubiger erforderlich. Damit konnten kleine Gläubiger eine sinnvolle außergerichtliche Restrukturierung mit einer Vetodrohung torpedieren und teils eine bessere Behandlung erzwingen. Mit dem neuen Verfahren ist diese Drohung nun zahnlos geworden. Stimmen einzelne Gläubiger gegen einen außergerichtlichen Sanierungsvorschlag, können sie in Zukunft im vereinfachten Restrukturierungsverfahren zum Mitmachen gezwungen werden.

Dabei ist nicht zwingend mit einer Welle von vereinfachten Restrukturierungsverfahren zu rechnen. Vielmehr wird schon die bloße Möglichkeit, einzelne Gläubiger überstimmen zu können, dazu führen, dass sich Schuldner und Gläubiger öfter und schneller auf eine außergerichtliche Lösung einigen.

Und so besteht die Hoffnung, dass sich viele der nun krisengebeutelten Unternehmen in Zukunft öfter mit ihren Finanzgläubigern auf eine sinnvolle außergerichtliche Sanierung einigen und so ausreichend Zeit bekommen, sich von der Krise nachhaltig zu erholen. (Wolfgang Höller, Miriam Simsa, 1.3.2021)