Die Ermittlungsbehörde mit Sitz in der Wiener Dampfschiffstraße steht immer öfter im Fokus der Öffentlichkeit.

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Korruptionsermittler: Was macht die WKStA, und warum ist sie unter Beschuss?

Mit der Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), spätestens aber mit der Hausdurchsuchung beim amtierenden Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) ist die WKStA landauf, landab berühmt geworden. Die Behörde wurde im Jahr 2009 als "Korruptionsstaatsanwaltschaft" gegründet; schon zwei Jahre später bekam sie die Kompetenz für Ermittlungen in Wirtschaftsstrafsachen dazu. Zuvor hatte unter anderem der Europarat der heimischen Justiz ein schlechtes Zeugnis bei der Verfolgung von Korruptionsdelikten ausgestellt: Diese sei "unterentwickelt".

Eingeführt wurde die Behörde in der Amtszeit von Maria Berger, der ersten roten Justizministerin seit dem Ausscheiden von Christian Broda im Jahr 1983. Erster Chef der Behörde war der frühere Interims-Grünen-Politiker Walter Geyer, seit 2013 führt Ilse-Maria Vrabl-Sanda die Behörde mit Sitz in Wien-Landstraße und Außenstellen in Graz, Linz, Innsbruck.

Dort ermitteln rund vierzig aktive Staatsanwälte; zu den nicht aktiven, weil karenzierten zählt Verfassungsministerin Karoline Edtstadtler (ÖVP). Bei der WKStA landet, wer verdächtig ist, Delikte wie Untreue, schweren Betrug, organisierte Schwarzarbeit oder Bestechung begangen zu haben. Laut einer Anfragebeantwortung vom Dezember 2020 teilen sich die Verfahren der WKStA so auf: 62 Prozent sind reine Wirtschaftsstrafverfahren, 17 Prozent Korruptionsverfahren und 21 Prozent gemischt.

Geht es nach der ÖVP, soll die Behörde nun in ihre Einzelteile zerschlagen werden: Eine Spezialstaatsanwaltschaft soll sich nur um Wirtschaftsdelikte kümmern, eine andere um Korruption. Ein Plan, dem nicht nur vom Koalitionspartner eine Absage erteilt wird – sondern auch von Georg Krakow, Chef von Transparency International Österreich. Krakow, einst Staatsanwalt für Wirtschaftsstrafsachen in der Staatsanwaltschaft Wien und Kabinettschef von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (2009–2011), argumentiert dagegen, weil Korruption fast immer mit Wirtschaftsdelikten in Verbindung stehe.

Causen, die die WKStA ermittelt und zur Anklage gebracht hat, waren etwa diverse Telekom-Verfahren und die Causa Buwog rund um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Da wurden im vorigen Dezember nach acht Jahren Ermittlungen und einem dreijährigen Gerichtsverfahren die Hauptangeklagten verurteilt, wobei die Urteile noch nicht rechtskräftig sind. Die bekanntesten aktuellen Ermittlungen, die auch zur Hausdurchsuchung bei Blümel führen sollten, sind zur Causa Casinos/Novomatic.

Die Aufsicht: Wer kontrolliert die Ermittler, und was soll sich ändern?

Die Konflikte zwischen der WKStA und ihrer sogenannten Fachaufsicht sind legendär. Eskaliert sind sie nach der Hausdurchsuchung beim BVT. Die wurde wie jede Hausdurchsuchung von einem unabhängigen Richter genehmigt, dies aber spätnachts – und sie wurde später vom Oberlandesgericht Wien für rechtswidrig erklärt. Ihre Oberbehörde, die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, sowie das Justizministerium wurden quasi vor vollendete Tatsachen gestellt. Das sollte dafür sorgen, dass die WKStA an die kurze Leine genommen wird. Ursprünglich musste die WKStA der Oberstaatsanwaltschaft Wien nur dann von ihren Vorhaben berichten, wenn es um die Enderledigung ging: Anklage oder Einstellung.

Seit der sogenannten BVT-Affäre im Jahr 2018 musste nun über sämtliche bedeutsame Ermittlungsschritte mindestens drei Tage im Vorhinein berichtet werden. Erst vergangene Woche wurde dieser Erlass wieder ausgesetzt. Zudem sollen die vorgesetzten Behörden die Korruptionsermittler mit Berichtsaufträgen geradezu überhäufen. Das erzählte etwa die vormalige Staatsanwältin Christina Jilek vor dem U-Ausschuss. Allein in der Causa Casinos seien bereits siebzig Berichte geschrieben worden.

Weiteres Konfliktpotenzial birgt das Weisungsrecht: Wie allen anderen Staatsanwälten können die Oberbehörden auch den Staatsanwälten der WKStA Weisungen erteilen – für einzelne Ermittlungsschritte, Einstellung oder Anklage. Weisungen müssen schriftlich erteilt werden, aber so weit kommt es meist gar nicht. Oberstaatsanwälte oder Beamte aus dem Justizministerium verstehen es, die Zielrichtung auch anders vorzugeben – etwa durch intensives Nachfragen. Genau so etwas will der WKStA in einer Dienstbesprechung zur Causa Eurofighter am 1. April 2019 mit Johann Fuchs, dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, und dem damaligen Chef der Strafrechtssektion, Christian Pilnacek, passiert sein. Bei einer Diskussion über die Zukunft der Eurofighter-Ermittlungen tat Pilnacek seine Ansicht über gewisse Verfahrensstränge mit dem berühmten Ausspruch "Daschlogts es!" kund. Die anwesenden WKStA-Staatsanwälte, die die Sitzung heimlich aufzeichneten, sahen das als Weisung und Druckmittel an; Pilnacek nicht. Es folgte ein Streit, der in der österreichischen Justizgeschichte seinesgleichen sucht: Staatsanwälte zeigten Pilnacek und Fuchs an, Pilnacek zeigte Staatsanwälte an.

Ermittlungen wurden keine aufgenommen, stattdessen folgte ein Mediationsversuch.

Die Berichtspflichten werden nun wieder gelockert, zudem soll ein unabhängiger Bundesstaatsanwalt etabliert und damit die Weisungskette, die bisher bei der Politik in Person des Justizministers endet, abgeschafft werden.

Die Beschuldigten und ihre Rechte: Gibt es "WKStA-Leaks", und wer kann Akten einsehen?

Immer wieder beschweren sich Beschuldigte darüber, dass sie von Ermittlungen aus den Medien erfahren. Jüngste Beispiele sind Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und der ehemalige Justizminister Wolfgang Brandstetter (von der ÖVP nominiert), gegen den nun die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt – für beide gilt die Unschuldsvermutung. Grundsätzlich werden Beschuldigte so rasch wie möglich über Ermittlungen informiert. Es gibt aber auch Ausnahmen – etwa dann, wenn sie nicht erreicht werden können oder wenn ihre Verständigung die Ermittlungen gefährden könnte. Vor allem die ÖVP und die Anwälte einiger betroffener Beschuldigten orten in dem Zusammenhang undichte Stellen in der WKStA. Die freilich bestreitet, derartige Amtsdelikte zu begehen. In den meisten Fällen dürften aber Akteninhalte über Anwälte, die Akteneinsicht haben, den Weg in die Öffentlichkeit finden. Sie dürfen eben aber auch sehr viel tun, um ihre Mandanten zu verteidigen.

Die ÖVP will da einen harten Schnitt machen. Sie möchte Journalisten verbieten, wörtlich aus Ermittlungsakten zu zitieren. Damit solle eine mediale Vorverurteilung hintangehalten werden. Die Grünen stellen sich dem entgegen: Die Einschränkung der Pressefreiheit sei nicht Gegenstand von Verhandlungen, sagte Klubobfrau Sigrid Maurer in Ö1, denn ohne Zitierungen wäre die Aufdeckung vieler Skandale verhindert worden. Dieses Ansinnen hatte bereits der blaue Justizminister Dieter Böhmdorfer in seiner Amtszeit von 2000 bis 2004 vorangetrieben, auch damals wurden die Pläne aber fallengelassen.

Grundsätzlich stehen den Beschuldigten diverse Rechtsmittel gegen die Schritte der Ermittler zu: Sie können etwa Beschwerde gegen Hausdurchsuchungen einlegen (Finanzminister Blümel tut das nicht) oder Anklagen beeinspruchen, entschieden wird dann von unabhängigen Richtern. Auf der anderen Seite sorgen Rechtsmittel für lange Verfahren – ebenso wie Ressourcenmangel bei den Staatsanwälten. Mitunter kommt es sogar vor, dass vom Anfang der Ermittlung bis zu einem Urteil fast fünfzehn Jahre vergehen. So geschehen in der Causa Bawag Blitzkredit an Refko, wo es 15 Jahre nach Beginn der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Wien zu einem Freispruch kam. (Renate Graber, Fabian Schmid, 1.3.2021)