Es war eine laue Frühlingsnacht im Mai 2012, als ein Tierschutzaktivist (ein Österreicher übrigens) in die Hühnerställe eines Biolandwirtschaftsbetriebs in Mecklenburg-Vorpommern eindrang und dort Filmaufnahmen machte. 300.000 Legehennen produzierten dort "Bio"-Eier. Im September darauf waren diese in der Reihe "ARD exklusiv" unter dem Titel "Wie billig kann Bio sein?" und in der Sendung "FAKT" unter dem Titel "biologische Tierhaltung und ihre Schattenseiten" zu sehen. Die (in dem Beitrag namentlich genannte) Betreibergesellschaft der Landwirtschaft klagte den TV-Sender auf Unterlassung der weiteren Verbreitung der Filmaufnahmen und bekam in den ersten beiden Instanzen auch recht.

Sie argumentierte, dass die Aufnahmen unter Verletzung des Hausrechts entstanden seien und pochte auf die Integrität ihrer Betriebssphäre. Die Geflügelzüchterin betonte, dass ihr in den TV-Beiträgen ja auch gar kein Rechtsbruch vorgeworfen werde, es wurde nur berichtet, dass Bioprodukte auch aus Anlagen stammen können, in denen "nicht alle mit einer Massentierhaltung verbundenen Nachteile für die Tiere vermieden würden" (schön gesagt, oder?). Schon deshalb sei diese "Anprangerung" unzulässig. Die Kritik in dem Beitrag war dahin gegangen, dass Produkte als "Bioprodukte" auf den Markt kommen, obwohl die Tiere auf eine Art und Weise gehalten würden, die der Normalverbraucher mit dem Begriff "Bio" eher nicht verbindet.

Glückliche Hühner und Wachhunde

Der Bundesgerichtshof (BGH) hielt zunächst fest, dass hier keine falschen Tatsachenbehauptungen verbreitet wurden. Und ja, es sei richtig, dass die Verbreitung der Filmaufnahmen in den grundgesetzlich gewährleisteten "sozialen Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen" eingriff. "Denn die Filmaufnahmen, die eine Massentierhaltung dokumentieren und tote oder nur mit unvollständigem Federkleid versehene Hühner zeigen, sind geeignet, das Ansehen und den wirtschaftlichen Ruf der Klägerin in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Sie stehen im klaren Widerspruch zur öffentlichen Selbstdarstellung der Klägerin, die mit 'glücklichen' frei laufenden Hühnern wirbt."

Aber, so der BGH, diese Beeinträchtigung war nicht rechtswidrig, auch wenn das Eindringen in die Ställe rechtswidrig war. Denn vom Schutz der Meinungsfreiheit wird auch die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen umfasst – andernfalls wäre "die Funktion der Presse als 'Wachhund der Öffentlichkeit' beeinträchtigt, zu der es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen." Die Kollision von Grundrechten ist nichts Seltenes. Da gilt es abzuwägen. Und, so der BGH, "dem Grundrecht der Meinungsfreiheit kommt umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt". Und genau darum hatte es sich bei diesen TV-Beiträgen gehandelt: Sie setzten sich unter den Gesichtspunkten der Verbraucherinformation und der Tierhaltung kritisch mit der Massenproduktion von Bioerzeugnissen auseinander. Ergebnis: Abweisung der Unterlassungsklage.

Der "certain smell" des Lobbyisten

And now for something completely different – oder doch same same? Erinnern Sie sich noch an Ernst Strasser, Innenminister dieser Republik und dann Mitglied des Europäischen Parlaments? Er war zwei verdeckt recherchierenden Journalisten der "Sunday Times" auf den Leim gegangen. Sie wollten ihn vorgeblich als Lobbyisten gewinnen, der sich in ihrem Sinn für Gesetze auf EU-Ebene einsetzen sollte – für 100.000 Euro pro Jahr war er nicht abgeneigt. Das heimlich aufgezeichnete Gespräch wurde in der Folge auf der Website der "Sunday Times" veröffentlicht, und in weiterer Folge auch von österreichischen Medien.

Gegen diese wurde ein Strafverfahren eingeleitet – schließlich ist die Verbreitung heimlicher Bild- und Tonaufnahmen ja mit Strafe bedroht. Die Staatsanwaltschaft Wien stellte das Verfahren aber letztlich ein. Wesentlicher Grund für diese Einstellung: "Im Hinblick auf die gesellschaftliche und öffentliche Aufgabe des Journalismus, Verhalten und Missstände wie Korruption aufzudecken, überwiegt im vorliegenden Fall das Interesse der Allgemeinheit an der Veröffentlichung der gegenständlichen Gespräche das Geheimhaltungsinteresse des Sprechenden." In ihrer Einstellungsbegründung zitierte auch die Staatsanwaltschaft die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, nach der die Medien die Aufgabe haben, "öffentlicher Wachhund" zu sein. Im Spannungsverhältnis zwischen zwei Grundrechten – Achtung des Privatlebens und Meinungsfreiheit (hier als Pressefreiheit verstanden) – erwiesen sich die Rechte Strassers als die schwächeren.

Strasser im Aufdeckervideo der "Sunday Times".
Screenshot: Youtube/SundayTimes

Medienfreiheit und öffentliches Interesse

Und wer jetzt an Ibiza denkt – stimmt. Egal ob die heimliche Aufnahme von Strache und Gudenus rechtswidrig war oder nicht, die Veröffentlichung jener Passagen, an denen ein legitimes (also nicht bloß voyeuristisches) öffentliches Interesse bestand, war vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt.

Unsere Assoziationen können uns noch einen Schritt weiter in die Gegenwart führen, etwa zu der neuerdings ventilierten Idee, Medien die Veröffentlichung aus Strafakten zu untersagen. Wobei die Medien meist auf legale Weise zu diesen Aktenteilen kommen, da bei mehreren Beschuldigten ja alle das Recht auf Akteneinsicht haben und der eine oder andere vielleicht sogar ein Interesse hat, dass so manche Information an die Öffentlichkeit kommt. Ob diese Idee im Lichte der Pressefreiheit eine gute ist? (Thomas Höhne, 4.3.2021)