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Sektionschef Christian Pilnacek (links) und Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (rechts) sind befreundet – und nun beide Beschuldigte. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Foto: Picturedesk/Schneider

Umstritten ist Christian Pilnacek seit Jahren. Besonders SPÖ und Neos haben sich auf den mächtigen Sektionschef eingeschossen, später auch die FPÖ. Seine Befragung im U-Ausschuss offenbarte Konfliktpotenzial weit jenseits der Sachebene: Der rote Fraktionsführer Jan Krainer sei ein "Wurstsemmelmampfer", dessen Nahrungsaufnahme im Parlament "unwürdig" sei, während Stephanie Krisper (Neos) so "nuschelt", beschwerte sich Pilnacek. Sogar von "Mobbing" sprach der Spitzenbeamte.

Tatsächlich gingen die Vorwürfe gegen den Juristen jahrelang ins Leere. Beweise dafür, ob Pilnacek als Chef der Strafrechtssektion im Justizministerium tatsächlich widerrechtlich Einfluss auf Ermittlungen genommen habe, fanden sich nie. Verfahrensschritte zu prüfen und gegebenenfalls eine Weisung zu erteilen: Genau das war ja auch die Aufgabe, die Pilnacek als Sektionschef hatte.

Handyabnahme

Zwar gab es immer wieder Anzeigen und Verdachtsprüfungen; Ermittlungen wurden aber meist in einem sehr frühen Stadium eingestellt – falls sie überhaupt aufgenommen wurden. Dieses Mal ist es anders: Vergangene Woche wurde Pilnaceks Handy beschlagnahmt und der Sektionschef suspendiert. Anlass dafür ist der Verdacht, dass Pilnacek eine anstehende Hausdurchsuchung beim Milliardär Michael Tojner verraten habe, und zwar an dessen Rechtsberater Wolfgang Brandstetter – den Pilnacek aus dessen Zeit als Justizminister bestens kennt.

Die beiden sind freundschaftlich miteinander verbunden, hielten zum Beispiel gemeinsam Seminare an der Wirtschaftsuniversität Wien. Brandstetter bestreitet die Vorwürfe mit Nachdruck, der einstige Justizminister – der von der ÖVP nominiert worden war – befindet sich derzeit im Krankenhaus.

Die Causa rund um Tojner ist nicht die einzige, bei der Pilnacek Unregelmäßigkeiten rund um eine Hausdurchsuchung vorgeworfen werden. So gab der Sektionschef im U-Ausschuss an, er habe von der Razzia bei Öbag-Chef Thomas Schmid erst im Nachhinein erfahren. Justizinterne Dokumente, die ein Hinweisgeber an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geschickt hatte, zeigten jedoch, dass Pilnacek doch vorab "fernmündlich" von der anstehenden Hausdurchsuchung erfahren hatte. Schon zuvor hatte die WKStA vor einer Befangenheit des Sektionschefs gewarnt.

Wegen des Verdachts auf Falschaussagen im Ibiza-Ausschuss ermittelte die Staatsanwaltschaft Innsbruck, bei der bereits ein anderes Verfahren gegen Pilnacek anhängig war. Hier ging es um die Frage, ob der Sektionschef widerrechtlich in die Ermittlungen zur Causa Stadterweiterungsfonds eingegriffen habe. Die WKStA ermittelte damals gegen mehrere Sektionschefs im Innenministerium, denen Malversationen bei der Auflösung des Stadterweiterungsfonds vorgeworfen worden waren. Die Ermittlungen drehten mehrere Runden in der Weisungskette, ein für die Beweisführung zentraler Strang wurde per Weisung eingestellt. Erst im Jänner wurden die Sektionschefs nun rechtskräftig freigesprochen.

Hoher Einsatz für Justiz

In beiden Verfahren, die die Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen Pilnacek führt, wurde bereits ein Vorhabensbericht an das Justizministerium übermittelt. Dort prüfen nun Generalanwälte der Generalprokuratur die Ermittlungsergebnisse: Der Zugriff auf "externe" Juristen soll erfolgen, um Befangenheiten zu vermeiden, in Innsbruck liegt das Verfahren, weil auch die für die StA Wien zuständige Oberstaatsanwaltschaft Wien betroffen ist.

Das dritte Verfahren im Zusammenhang mit der Tojner-Hausdurchsuchung wird in Wien geführt, weil bezüglich einer Vorabinfo zur Tojner-Hausdurchsuchung schon länger gegen unbekannte Täter ermittelt worden ist. Pilnaceks Anwalt Rüdiger Schender wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern – es gilt die Unschuldsvermutung.

Und welche Bedeutung hätten, rein hypothetisch, mögliche Verurteilungen von Brandstetter und Pilnacek für die Strafverfahren und Weisungen, die in ihre Amtszeit fielen? "Wenn jemand zu Unrecht verurteilt wurde und Pilnacek die entsprechende Weisung erteilt hat, könnte es allenfalls zu einer Wiederaufnahme der Verfahren kommen", sagt der Verfassungsexperte Heinz Mayer. "Wenn jemand zu Unrecht nicht angeklagt wurde, dann wird man wohl nichts tun können, weil die Fälle verjährt sind." (Fabian Schmid, 2.3.2021)