Therese Johaug hat einige Goldene versäumt und ist deshalb umso erpichter auf Jubelszenen.

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Jessie Diggins hat den Weltcup schon sicher. Einzel-WM-Gold fehlt ihr noch.

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Trotz eines Sturzes am Ende doch eine halbe Minute vor der ersten Verfolgerin – Therese Johaug hat schon im Skiathlon am vergangenen Samstag gezeigt, wohin die Reise in Oberstdorf gehen soll: zu Gold in allen von ihr in Angriff genommenen Bewerben. Beginnend mit dem heutigen Skatingrennen über zehn Kilometer, das auch Teresa Stadlober mit Hoffnungen auf einen Platz unter den besten 15 schmückt, hat die Norwegerin noch drei weitere Chancen, viele meinen, klare Auflagen.

Allerdings, gerade die Zehner bescherten der aktuell elfmaligen Weltmeisterin die empfindlichsten Niederlagen der jüngeren Zeit. Beim Weltcup in Falun belegte Johaug am 30. Jänner im klassischen Massenstartrennen über diese Distanz lediglich Platz drei. Schlimmer noch war aber Rang zwei im Skatingrennen über zehn Kilometer tags zuvor. Schließlich hieß die Siegerin da Jessie Diggins.

Das Kommando

Die 29-jährige US-Amerikanerin aus Afton, Minnesota, gilt schließlich nur als bessere Platzhalterin für die Loipenkönigin, die wie ihr Landsmann Johannes Hösflot Kläbo wegen der Pandemie wochenlang den Weltcup mied.

Diggins übernahm in Johaugs Abwesenheit nach und nach das Kommando, gewann die Tour de Ski und hat den Gesamtweltcup bereits sicher, da nach Absage der Rennen in Oslo und des Finales in Peking nach der WM nur noch zwei Bewerbe im Engadin auf dem Programm stehen. Diggins Chancen, Johaug auch als Gewinnerin des Distanzweltcups zu beerben, stehen blendend. Könnte sie ihr auch noch eine der programmierten Goldmedaillen von Oberstdorf nehmen, wäre das ein ziemlicher Tiefschlag für den Liebling Norwegens.

Der Test

Schließlich hat Johaug ihrer und der Meinung vieler Landsleute nach unverdient einen Rückstand auf die ehemalige Teamkollegin Marit Björgen, die mit acht olympischen und 18 WM-Goldmedaillen nebst vier Gesamtweltcupsiegen als erfolgreichste Langläuferinnen aller bisherigen Zeiten gilt.

Johaug könnte "Gold-Marit" schon wesentlich näher sein, wäre sie nicht 18 Monate wegen Dopings gesperrt gewesen. Im September 2016 war sie bei einer Trainingskontrolle in Livigno, Italien, positiv auf das anabole Steroid Clostebol getestet worden. Mannschaftsarzt Fredrik Bendiksen nahm die Schuld auf sich. Er habe die Creme Trofodermin zur Versorgung eines Sonnenbrands auf der Lippe verordnet. Leider hatten sowohl der erfahrene Mediziner als auch die sonst so professionelle Athletin den verbotenen Inhaltsstoff übersehen.

Fis-Nachschlag

Von der norwegischen Anti-Doping-Agentur nach einer aufsehenerregenden, tränenreichen Anhörung in Oslo nur für 13 Monate gesperrt, fasste Johaug nach einer Berufung des Weltverbands Fis doch eineinhalb Jahre aus. Erst Ende April 2018 war sie wieder rennberechtigt – zu spät für die Olympischen Spiele in Pyeongchang, weshalb die Staffelolympionikin von 2010 Björgen unter den Ringen nicht mehr stellen können wird. Johaug ist 32 Jahre alt, nächstes Jahr in Peking kann sie ihrer bisher einzigen Goldenen bei Olympia wohl maximal vier weitere hinzufügen. 2026 wäre die Bauerntochter aus Roros schon in einem Alter, in dem Björgen zurückgetreten ist.

Nur etwas ernster

Schon unmittelbar nach ihrer Sperre vermeinte sich Johaug nicht mehr motivieren zu können. Dass ihr die Sponsoren allesamt treu blieben und schlechtestenfalls nach einer Schampause zu ihr zurückkehrten, hat geholfen. Die Zuneigung der Nation sowieso. Nur ganz kurz musste die 1,62 Meter große Athletin die Leidende geben, dann ließ sich ihr sonniges Naturell wieder vermarkten. Nur etwas ernster sei sie geworden, heißt es.

Ob sie es auch mit einer zweiten Karriere ernst meint, wird sich zeigen. Im Juni des Vorjahres lief Johaug in Oslo alleine gegen die Uhr die 10.000 Meter innert 31:40,69 Minuten und unterbot die Norm für die Leichtathletik-WM 2022 in Eugene. Die Nummer eins wäre sie in Oregon nicht, nicht einmal die Nummer eins Europas. Für diese Rolle hat Johaug aber kein Talent. (Sigi Lützow, 2.3.2021)