Vor den politischen Entscheidungen über die weitere Vorgangsweise kamen die Zahlen auf den Tisch, die über das aktuelle Infektionsgeschehen in Österreich Auskunft geben. Zum Sprechen gebracht werden die nüchternen Daten von den Einschätzungen der Expertengruppe, der etwa die Virologin Dorothee von Laer (Med-Uni Innsbruck), die Epidemiologin Eva Schernhammer und der Labordiagnostiker Oswald Wagner (beide Med-Uni Wien) angehören.

Was aber sind nun die entscheidenden Zahlen, auf deren Basis die Regierung beschließen muss, ob sie weitere oder nur lokal begrenzte Öffnungsschritte wagen soll? Wie sieht das aktuelle Infektionsgeschehen in Österreich tatsächlich aus? Und wie könnte es sich in den nächsten Tagen und Wochen weiterentwickeln?

Dazu hilft ein Blick auf die vergangenen drei Wochen seit dem 8. Februar, als die letzten leichten Öffnungsschritte bei den Schulen und im Handel vollzogen wurden. Zwar sind die Zahlen der Covid-Patienten in Spitälern (von 1.299 auf aktuell 1.022) zurückgegangen, und jene auf den Intensivstationen blieben mit 283 gleich. Doch alle anderen Richtwerte weisen einen ungünstigen Trend auf. Und obwohl sich aktuell vor allem junge Leute anstecken, schlägt der Trend mittlerweile schon wieder leicht auf die Spitalsbelegungen durch, die ein bis zwei Wochen hinter den Infektionszahlen hinterherhinken.

Stark gestiegene Inzidenzen

Die Sieben-Tage-Inzidenz (Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner pro Woche) stieg in den vergangenen drei Wochen von etwas über 100 auf 161, die Zahl der aktiven Infektionsfälle von knapp 19.000 auf über 27.000. Dieser Anstieg geht nach Schätzungen der Corona-Kommission nur zu einem geringen Teil auf die Zunahme der Tests zurück, nämlich zu zehn bis 15 Prozent, zumal das Testvolumen auch schon vor drei Wochen ähnlich hoch war.

Der Hauptanteil des Anstiegs ist der ansteckenderen "britischen" Variante B.1.1.7 geschuldet, die sich im Laufe der letzten Wochen in Österreich durchgesetzt hat: Machte diese Variante laut den jüngsten Zahlen der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) vor fünf Wochen "nur" knapp 33 Prozent österreichweit aus, betrug ihr Anteil vor zwei Wochen bereits 59 Prozent (siehe Grafik). Dort, wo ihr Anteil bei unter 50 Prozent liegt (in Vorarlberg und Tirol), sind im Übrigen auch die Infektionszahlen deutlich geringer, in Vorarlberg liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei 73,3.

"Die britische Variante ist in Österreich durch und zur neuen Normalität geworden", sagt Ulrich Elling vom Institut für Molekulare Biotechnologie (Imba) der ÖAW, der mit Luisa Cochella vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) die meisten Sequenzierungen durchführt. Zuletzt seien bei ihren Analysen von jeweils 2.400 Virenproben so gut wie keine "Normaltypen" mehr dabei gewesen.

Babyelefant hat ausgedient

Der Hauptgrund dafür, warum sich B.1.1.7 so schnell durchgesetzt hat, sei die geringere Virendosis, die es bei dieser Variante zur Ansteckung braucht, erklärt Elling. "Genau aus dem Grund reicht bei B.1.1.7 der Babyelefant als Abstand auch nicht mehr aus."

Diese höhere Infektiosität schlägt sich in einer höheren effektiven Reproduktionszahl (R) nieder. Das ist jene Zahl, die angibt, wie viele andere Personen eine infizierte Personen im Schnitt ansteckt: Laut Corona-Kommission betrug R beim Normaltyp in Österreich aufgrund der Maßnahmen zuletzt 0,96. Dieser Wert würde bedeuten, dass die Fallzahlen leicht sinken.

Doch für B.1.1.7 ermittelten die Experten einen Wert von 1,22. Das klingt erstens abstrakt und zweitens nach wenig, dürfte sich in den nächsten Tagen und Wochen aber höchst unangenehm auswirken. Sollte diese Reproduktionszahl auch nur annähernd bei diesem Wert bleiben, ist zu befürchten, dass die Fallzahlen demnächst "durch die Decke gehen" könnten, so Ellings Befürchtung.

Öffnungen wären für ihn in dieser Situation im Grunde "nur ein zynisches Spiel", weil sie nur falsche Hoffnungen und Erwartungen wecken würden, aber angesichts der prognostizierten Entwicklungen vermutlich in kurzer Zeit schon wieder zurückgenommen werden müssten. "Wir würden uns auf diese Weise nur Zeit aus der Zukunft leihen."

Öffnungen nur im Freien

Regionalisierungen hält Elling schon eher für sinnvoll – aber wenn, dann in beide Richtungen. Das würde etwa auch strengere regionale Maßnahmen bei hohen Sieben-Tage-Inzidenzen jenseits der 200 oder 300 bedeuten.

Und wenn Öffnungen schon unbedingt sein sollen, dann nur im Freien: "Wir müssen in den nächsten Wochen möglichst viel nach draußen verlagern, und dafür könnte man schon jetzt alle Vorkehrungen treffen und – Stichwort Schanigarten – etwa Verkehrsflächen großzügig umwidmen." (Klaus Taschwer, 2.3.2021)