Für die FPÖ ist das Thema mehr oder weniger erledigt, seit sie Ende 2019 einige Aufsätze über die "braunen Flecken" in der Partei vorlegt hat. Die Texte wurden von der FPÖ als "Historikerbericht" bezeichnet, während sie von mit dem Thema befassten Wissenschaftern als "ziemlich oberflächliche Arbeit", bei deren Erstellung "wissenschaftliche Standards nicht eingehalten wurden", regelrecht zerrissen wurden. Immerhin war es die erste offizielle FPÖ-Publikation, in der zu lesen ist, dass sich in ihren Reihen "mehr als bei den anderen Parteien ehemalige Nationalsozialisten in Führungspositionen fanden".

Anton Reinthaller, der erste Parteichef der FPÖ. Das Foto wurde vor 1945 aufgenommen.
Foto: Archiv/holocaustresaerchproject.org

Eine Feststellung, die seit der Gründung der FPÖ im Jahr 1956 bekannt war. Schließlich kam der erste Parteiobmann direkt aus dem Zentrum des NS-Systems. Der Oberösterreicher Anton Reinthaller war bereits vor dem sogenannten Anschluss bekennender Nationalsozialist, trat 1938 der SS bei und wurde Reichstagsabgeordneter und Unterstaatssekretär des Großdeutschen Reiches. Nach dem Krieg wurde Reinthaller wegen seiner Verstrickung in das NS-Regime zu drei Jahren Kerker verurteilt. Um ihn herum tummelten sich massenhaft hohe SS-Männer, NS-Propagandisten und -Funktionäre, die ihrer politischen Überzeugung treu geblieben sind und nur selten daraus einen Hehl machten.

Stramme Antikommunisten für den Kalten Krieg

Ein Thema sorgte hingegen kaum für Aufsehen. Als stramme Antikommunisten wurden freiheitliche Politiker im beginnenden Kalten Krieg vom US-Armeegeheimdienst Counter Intelligence Corps (CIC) und der Organisation Gehlen (OG), dem Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes (BND), rekrutiert. Zu einem Komplex, der im "FPÖ-Historikerbericht" keine Erwähnung findet, haben nun die beiden Historiker Thomas Riegler und Gerhard Sälter für einen aktuellen Beitrag im "Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies" ("JIPSS") neue Quellen erschlossen.

Demnach fanden sich im 1949 gegründeten FPÖ-Vorläufer VdU (Verband der Unabhängigen) im Führungspersonal zahlreiche Informanten und Agenten der US-Amerikaner. Einer war der VdU-Gründer und Frontmann Herbert Kraus, der unter anderem "nachrichtendienstliche Operationen gegen die KPÖ mit in die Wege geleitet" hat und beim CIC zeitweise hoch im Kurs stand, wie die beiden Historiker in ihrem Artikel festhalten – so hoch, dass sogar die zwischenzeitlich gegründete CIA noch 1954/55 überlegte, Kraus für sich zu rekrutieren.

Strippenzieher Wilhelm Höttl.
Foto: holocaustresaerchproject.org

Der Salzburger Kraus hatte im Zweiten Weltkrieg als Abwehroffizier in der Ukraine gedient und sich dort an der Ausbildung von zur Partisanenbekämpfung eingesetzten Truppen beteiligt. Die Agitation gegen die Entnazifizierung machte Kraus in seiner Klientel bekannt. So sagte er beispielsweise in einer VdU-Versammlung Anfang Juni 1949: "In keinem anderen Staat der Welt hat eine so grausame Verfolgung der Mitläufer des NS-Regimes stattgefunden wie in Österreich." Es waren derartige Sprüche, die aus dem VdU ein Sammelbecken für Nazis machten.

Guerillakampf hinter den feindlichen Linien

Die USA wiederum wollten im beginnenden Kalten Krieg die antikommunistischen Kräfte in Österreich stärken und unterstützten daher die Gründung des VdU. Für Kraus und seinen Anhang vermittelte das CIC Kontakte zu einem einflussreichen braunen Netzwerk in Oberösterreich, dem "Gmundner Kreis". Die Ex-Nazis halfen kräftig mit, die neue politische Partei zu gründen, indem sie Geld besorgten, Kontakte zu den Großparteien ÖVP und SPÖ herstellten und Informationen lieferten. Neben Erich Kernmayr, dem ehemaligen Pressechef von Wiens Gauleiter Josef Bürckel, traf sich Kraus in jenen Tagen mit Wilhelm Höttl, ehemals Direktor des Nazi-Geheimdienstes SD (Sicherheitsdienst) in Wien und später in Südosteuropa. Mit dabei war auch der SS-Mann und spätere FPÖ-Generalsekretär Karl Kowarik. Das Trio hatte schon 1948 für das CIC Field Office Gmunden Agentennetzwerke aufgebaut.

Wie andere Nazis hatte Höttl den USA seine Dienste angeboten, als er merkte, dass sich das Kriegsglück gewendet hatte. Der CIC sperrte ihn zunächst ein und transferierte ihn zum Nürnberger Kriegsverbrechertribunal, wo er sich als Zeuge der Anklage zu Verfügung stellte. Höttl sagte aus, dass ihm Adolf Eichmann, den er von Wien her kannte und der für die Transporte von Juden in verschiedene Vernichtungslager zuständig war, erzählte, dass er "sechs Millionen Juden in den Tod geschickt habe". Danach wurde Höttl zu einem der wichtigsten Ansprechpartner des US-Geheimdienstes, der auch Gelder verteilen durfte. Dabei war das CIC von der Angst getrieben, die KPÖ könnte in Österreich putschen, nachdem 1948 die Kommunisten in Ungarn und der Tschechoslowakei die Macht übernommen hatten.

FPÖ-Generalsekretär Karl Kowarik arbeitete gleich für mehrere Geheimdienste.
Foto: Wiener Stadtarchiv

Um dies zu verhindern, kamen den US-Amerikanern Leute wie Höttl und Kowarik gerade recht. Sie sollten die KPÖ ausspionieren, Waffenlager anlegen und Kämpfer rekrutieren, die im Falle eines sowjetischen Angriffs einen Guerillakampf hinter den feindlichen Linien führen sollten.

Die Rolle des CIC beim Aufstieg der "dritten Partei" war substanziell

Allerdings lieferte Höttl den US-Amerikanern meist nutzlose Informationen, sodass sie 1952 den Kontakt zu ihm ganz abbrechen sollten. Der CIC-Operationschef in Salzburg, Major James V. Milano, meldete seinen Vorgesetzten, dass Höttl zwar ein "exzellenter" Nachrichtendienstler sei, aber auch "extremely dangerous". Tatsächlich hatten Höttl, Kernmayr und Kowarik die Ressourcen des CIC genutzt, um ein privates politisches Projekt zu verfolgen, die Sammlung und politische Reintegration ehemaliger Nationalsozialisten in einer "dritten Partei", dem VdU.

Doch Kraus brach mit dem "Gmundner Kreis" bald nach dem Wahlerfolg von 1949, der dem VdU 16 Mandate einbrachte. Höttl, Kowarik und Kernmayr mussten sich nach neuen Dienstherrn umsehen. Nach dem Bruch mit den US-Amerikanern war Höttl noch kurz für den Friedrich-Wilhelm-Heinz-Dienst, einen kurzlebigen westdeutschen Nachrichtendienst, aktiv – ehe ihn 1953 ein wenig schmeichelhafter Artikel im "Spiegel" outete. Kowarik wiederum war schon 1948 doppelgleisig unterwegs gewesen, indem er neben dem CIC auch für die Organisation Gehlen tätig wurde. Auch Kernmayr unterhielt noch Mitte der 1950er-Jahre kurz Kontakte zum nunmehrigen BND und fiel danach als Autor revisionistischer Romane auf.

Die Rolle von Höttl, Kernmayr und Kowarik sowie des CIC beim Aufstieg der "dritten Partei" war substanziell: Neben der Finanzierung durch einige Industrielle war es ihre Unterstützung, "die den VdU zu einer schlagkräftigen Organisation werden ließ", schreiben Riegler und Sälter in ihrem Artikel. Nach dem Einzug ins Parlament 1949 verschob sich das innerparteiliche Machtgefüge weiter nach rechts, auch wenn die Akteure aus dem Geheimdienstmilieu ihre wichtige Position bald verloren. Nach mehreren Wahlniederlagen und Abspaltungen wurde am 3. November 1955 die FPÖ gegründet, in welcher der VdU aufging. "Die unbeabsichtigte Finanzierung durch westliche Geheimdienste, deren Geldmittel und Personal zweckentfremdet wurden, führte zur politischen Stärkung ehemaliger Nationalsozialisten", so die Historiker.

Bis zu seinem Ableben im Jahr 1987 fiel Kowarik immer als Antikommunist auf. Er engagierte sich in der World Anti-Communist League (WACL), besuchte rechtsgerichtete Diktaturen und wurde im Weißen Haus in den USA empfangen, wie in einem Nachruf einer rechtsextremen Zeitschrift zu lesen war.

Viel ist vom "Dichterstein Offenhausen" nicht mehr übrig.
Foto: Markus Sulzbacher

Der 1991 verstorbene Erich Kernmayr war eine Größe in der rechtsextremen Szene in Deutschland und Österreich. Er war Chefredakteur der "Deutschen Soldaten-Zeitung", dem Vorläufer der 2019 eingestellten "National Zeitung", Mitglied der rechtsextremen Gesellschaft für freie Publizistik oder gab das Verbandsblatt der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS (HIAG) heraus. 1982 wurde er mit dem Dichtersteinschild des 1999 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung in Österreich verbotenen Vereins Dichterstein Offenhausen ausgezeichnet.

Höttl gründete hingegen eine Maturaschule in Bad Aussee, zu deren Schülern auch Kinder aus betuchten Familien zählten. 1995 erhielt er unter anderen dafür das Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark. Er verstarb im Jahr 1999. (Markus Sulzbacher, 3.3.2021)