Was die beiden miteinander schrieben, gilt als "geheim" – die Abgeordneten dürfen nur abhörsicher darüber reden.

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Seit Monaten treibt den Ibiza-Untersuchungsausschuss eine Frage um: Warum gibt es in seinem Aktenbestand keine SMS von oder an Kanzler Sebastian Kurz? Hat der ÖVP-Chef nie mit seinem Vizekanzler Heinz-Christian Strache (damals FPÖ), dem jetzigen Öbag-Chef Thomas Schmid oder dem türkisen Finanzminister Hartwig Löger kommuniziert? Immerhin sind deren Smartphones schon lange sichergestellt und teilweise ausgewertet worden.

Die Antwort darauf ist etwas kompliziert – und Inhalt eines Rechtsstreits: So fanden die Ermittler der zuständige Soko Tape sowie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) natürlich Chats, an denen Kurz beteiligt war. Allerdings fand kein einziger davon den Weg in den Strafakt. Die Nachrichten sind aus Sicht der WKStA also strafrechtlich nicht relevant. Der U-Ausschuss erhielt aus der Justiz allerdings nur Strafakten.

Rohdaten als Rohdiamanten

Die Opposition argumentiert hingegen, dass der U-Ausschuss politische Aufklärung betreibt und deshalb auch Zugriff auf andere Informationen hat, die in der Justiz vorliegen, aber nicht strafrechtlich relevant sind. In derselben Fragestellung bezüglich des Ibiza-Videos schaltete der U-Ausschuss den Verfassungsgerichtshof ein, der sich auf die Seite der Opposition stellte. Deshalb werden nun erstmals die sogenannten "Rohdaten" übermittelt.

Diese Woche erhalten die Abgeordneten also Chats zwischen Strache und Kurz, später jene zwischen Kurz und Thomas Schmid. Davon erhoffen sich die Fraktionen intime Einblicke in das politische Agieren des Kanzlers – die Rohdaten als Rohdiamanten für politische Angriffe. Allerdings haben Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien und WKStA den Abgeordneten einen Strich durch die Rechnung gemacht: Sie stufen die SMS als "geheim" ein – im Unterschied zu zahlreichen bisher überlieferten Chats ohne Beteiligung von Kurz, die lediglich "eingeschränkt" oder "vertraulich" waren.

Die Klassifizierung als "geheim" heißt, dass bei der Weitergabe von Informationen durch Abgeordnete sogar eine Haftstrafe droht. Bei Dokumenten, die "eingeschränkt" oder "vertraulich" geliefert werden, steht höchstens ein Ordnungsruf im Raum, sollten sie geleakt werden. Außerdem dürfen sich selbst Abgeordnete, die allesamt die SMS kennen, nur in abhörsicheren Räumen über deren Inhalt unterhalten. Kommen sie im U-Ausschuss zur Sprache, wird die Medienöffentlichkeit ausgeschlossen. Das sorgt bei der Opposition für Verärgerung.

Hintergrundgespräch nach Journalisten-Anzeige

Die "Gegenseite", also das Bundeskanzleramt, ärgert hingegen das von Peter Pilz gegründete Medium Zackzack. Dessen Chefredakteur Thomas Walach soll Hinweise auf strafrechtlich relevantes Verhalten von Kurz an die Justiz übermittelt haben, Walach wurde dann dazu einvernommen. Als Reaktion darauf wurden ausgewählte Medien wie Kurier, Presse und APA zu einem Hintergrundgespräch eingeladen; DER STANDARD war nicht dabei. In der "Presse" war zu lesen, dass Kurz die Ereignisse als "Beispiel für Dirty Campaigning" präsentierte. Wenig später waren Journalisten der genannten Medien im Besitz des Einvernahmeprotokolls von Walach aus dem Casinos-Akt.

Der Journalist hatte angegeben, Kurz habe die PR-Beraterin Gabi Spiegelfeld bei seinem Urlaub in Mallorca besucht; Kurz stellte das in Abrede und legte eine Rechnung vor. Spiegelfeld ist am Donnerstag im U-Ausschuss geladen; sie organisierte zahlreiche Veranstaltungen im Wahlkampf von Kurz. Am Mittwoch stehen die Befragungen von ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior und Berater Stefan Steiner bevor. Beide zählen zu den engsten Vertrauten des Kanzlers. (Fabian Schmid, 2.3.2021)