Mag. Jürgen Roth ist seit 2019 Präsident von Junior Achievement Austria.

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Der Steirer Mag. Jürgen Roth (47) ist seit 2019 Präsident von Junior Achievement Austria und im Familienunternehmen Geschäftsführer der Tank Roth GmbH.

Sie sind selbst als Unternehmer bekannt: Musste das wachgekitzelt werden oder war Ihnen die Rolle in die Wiege gelegt?
Jürgen Roth:
Durch meine Adern fließt tatsächlich Unternehmerblut, bildlich gesprochen. Speziell väterlicherseits waren vom Urgroßvater über den Großvater bis zum Vater und seinen fünf Geschwistern alle unternehmerisch tätig. Das wurde auch von mir erwartet. Was nicht heißt, dass ich selbst immer Unternehmer werden wollte.

Sondern?
Tennislehrer oder -profi. Ich habe gedacht, das wäre ein schlechter Deal, wenn ich im Familienunternehmen ganz unten einsteigen muss – als Tennislehrer würde ich viel mehr verdienen. Das hat sich zum Glück umgekehrt. Heute bin ich dankbar, denn eine profunde Ausbildung ist das Beste, was einem passieren kann.

Es heißt oft, Bildung sei in Österreich vererbt. Auch Unternehmertum?
Die Schule kann ein Grundgerüst und Weitblick geben. Aber praxisorientiert war an meiner Ausbildung in Österreich gar nichts, im Gegensatz zu den USA. Deshalb steckt für mich in der Junior-Devise so viel Wahrheit: "Learning business by doing business". Man lernt vor allem durchs Selber-Tun.

Wie haben Sie es gelernt?
Ich habe im Betrieb alles durchlaufen, war im Verkauf, der Kundenakquise, der Buchhaltung, bin mit Fahrern mitgefahren. Das hat mir gezeigt: Ich weiß trotz fixfertigem Studium gar nichts vom tagtäglichen Wirtschaftsleben.

Was kann das Junior-Programm da bewirken?
Die Initialzündung. Wenn Kinder für etwas begeistert werden, machen sie das gerne. Es braucht dafür auch die engagierten Pädagoginnen und Pädagogen. Lernen funktioniert am besten, wenn es nicht statisch ist, sondern erlebbar wird.

Gibt es ein Unternehmer-Gen, das der eine hat, der andere nicht?
Das Zeug dazu hätte wahrscheinlich jeder. Mein Ziel wäre, dass jeder Mensch in Österreich einmal in seiner Ausbildung mit Unternehmertum in Kontakt kommt. Wie bei der Talentesichtung im Sport: Je mehr die Chance erhalten, sich zu beweisen, umso mehr findet man, die Spaß daran finden. Es ist erstaunlich. Ich habe einmal Studierende der Wirtschaftsuni befragt. Bei 75 bis 80 Prozent waren die Eltern unternehmerisch tätig, trotzdem wollten nur 20 Prozent diesen Weg einschlagen.

Was ist der Grund? Risiko-Aversion?
Also, die Gründerzahlen sind in Österreich ja trotz Krise top. Viele sehnen sich nach Selbstständigkeit. Aber Europa ist in einem saturierten Zustand. So ehrlich muss man sein: Wenn der Großvater und Vater viel geschaffen haben, ist es einfacher, Erreichtes nur zu verwalten. Ich denke, das wird auch China sehen, sobald der Mittelstand dort gewissen Wohlstand erreicht. Und wir hier diskutieren über 30-Stunden-Wochen, Grundeinkommen und wann endlich das Wochenende anfängt. Die junge Generation sollte hungrig bleiben und etwas erreichen wollen.

Wie lässt sich dieses Mindset wandeln?
Unternehmer müssen Vorbilder sein, nicht Feindbilder. Vereinzelt gibt es einige wenige schwarze Schafe, aber ein aufrichtiger und g‘standener Unternehmer, der Arbeitsplätze, Wohlstand über Generationen schafft und nachhaltig am Standort investiert – das ist doch mehr als positiv. Man weiß zum Beispiel auch von unserem Bundeskanzler Sebastian Kurz, dass er in seiner Schulzeit eine Übungsfirma gründete. Nicht jeder muss also am Ende Unternehmer werden, aber sollte so viel wie möglich mitnehmen. Vielleicht wollen dann nicht alle Jugendlichen Influencer und YouTuber werden, sondern eifern Marketleaders wie Didi Mateschitz nach. Wem beim Junior-Bewerb 200 Mitschüler zujubeln, der spürt schon etwas Popstar-Flair. Und wenn sogar Geld überbleibt – na bitte!

Wie bekämpft man das oft beklagte Stigma des Scheiterns?
Auch mit Vorbildern und Best Practice. Das Schönste, das Österreich passieren könnte, wäre ein Unicorn (milliardenschweres Startup, Anm.). Ein wenig amerikanischer Spirit wäre gut. Das wahre Asset des Silicon Valley ist, dass viele erfolgreiche Gründer ihre Millionen sofort reinvestieren. In Österreich liegt das Geld am Sparbuch. Wir vernichten inflationsbedingt Kapital und fallen in Rankings zurück.

Kann man sich auf etwas wie die Corona-Pandemie vorbereiten?
Meine Antwort auf die Frage "was soll ich lernen?" galt vor, während und nach der Krise: Je breiter gefächert deine Ausbildung ist, umso besser kannst du auf Marktumstände reagieren. Deshalb ist lebenslanges Lernen so wichtig, über den Tellerrand schauen, ins Ausland gehen. Das kann auch als Österreich-Sieger im Junior-Bewerb sein.

Apropos: Was erwarten Sie sich vom Junior-Wettbewerb?
Viele Teilnehmer erzählen: "Wir dachten, das Geld kommt von selber rein. Jetzt wissen wir, was man alles bedenken muss, wie viel Arbeit und Sorgen es macht. Dass man als Team funktionieren muss." Je mehr Schulen und Junior Companies teilnehmen, umso besser kommt diese Erfahrung an. Wir wollen verstärkt die Lehrerinnen und Lehrer an Bord und vor den Vorhang holen und die Eltern ansprechen. Im Vorjahr hätten wir 400 Fans beim Bundesfinale in Wien gehabt, wäre nicht Corona dazwischen gekommen. Ich würde heuer gerne viele wehende Fahnen im Publikum sehen.