Marita Kramer in der Spur. Nach dem Schanzentisch kommt ihre Stärke, ein epochales Fluggefühl.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Gold und Bronze hat Marita Kramer schon.

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"Ich wollte schon als Kind immer gewinnen und ganz oben stehen." Sagt das Marita Kramer, bevor sich heute (17.15 Uhr, ORF 1) erstmals in der nordischen Geschichte Skispringerinnen auf einer Großschanze um WM-Medaillen bemühen, können sich die Konkurrentinnen ungeachtet des Vorfrühlings in Oberstdorf eher warm anziehen.

Der 19-jährigen Salzburgerin war in den vergangenen Tagen jedenfalls die Normalschanze unter dem Schattenberg zu klein geworden, was sich auch in leichten Beinhautentzündungen manifestierte. Dass sie nicht alles gewinnen konnte – im Einzel wurde sie nach einer, nun ja, ungeschickten Jury-Entscheidung als beste Springerin des Abends nur Vierte, im Mixed trug die frischgebackene Teamweltmeisterin das Optimum zu Rang drei bei –, hat Kramer locker weggesteckt.

Immer weiterkämpfen

"Ich weiß einfach sehr gut, was ich will, und kann meinen Fokus schnell nach vorne und auf das Positive richten." Negatives zu verarbeiten musste sie schon als Achtjährige auf besonders harte Weise durch den Tod ihrer Mutter lernen. Sie habe wie ihre drei Geschwister früh mitbekommen, "dass man immer weiterkämpfen muss".

Kein Kampf im eigentlichen Sinn ist für Kramer das Skispringen. Allenthalben wird ihr unglaubliches Fluggefühl hervorgehoben, eine Gabe, die sich deutlich schlechter schulen lässt als Technik und Athletik. Gerade in diesen Bereichen habe die Sportlerin des SK Saalfelden noch Entwicklungspotenzial, sagt auch ihr Vereinstrainer Philipp Amon.

Amons Zuspruch

Der ehemaliger B-Kader-Athlet des österreichischen Skiverbands (ÖSV) hat ein gerüttelt Maß Anteil daran, dass Kramer derzeit das Staunen der Szene ist. Noch im Frühjahr 2019, nach nicht gerade berauschendem Abschneiden bei den Juniorinnenweltmeisterschaften in Lahti, hatte sein Schützling darüber nachgedacht, das Springen sein zu lassen. Amons Zuspruch ließ Kramer umdenken, der Erfolg stellte sich bald ein – im Jänner 2020 gelang der erste Weltcupsieg in Sapporo, zwei Monate später gab’s Einzelgold bei den Juniorinnen-WM in Oberwiesenthal.

Drei Siege und zwei dritte Plätze in dieser Saison sowie die aktuellen Auftritte bei der WM trotz vorhergehender Rückschläge in Hinzenbach (Disqualifikation) und Rasnov (kein Start wegen eines offenbar fälschlich positiv ausgewerteten Corona-Tests) kündigten nichts weniger als eine neue Ära bei den Skispringerinnen an.

Systemfrage

Kramer, im Gespräch eher zurückhaltend, ist in ihrer Zielsetzung erstaunlich offensiv. Sie möchte "den Sport auf das nächste Level heben und noch mehr Menschen dafür begeistern. Das Fliegen ist ja auch unglaublich inspirierend – da fühlt man sich so frei und leicht. Das Gefühl stellt sich umso intensiver ein, desto besser das Flugsystem funktioniert. "Mit dem kann ich viel herausholen", sagt Kramer, ohne ins Detail zu gehen. Im Finale des Normalschanzeneinzels habe es nur im zweiten Teil des Sprungs funktioniert, "aber das war zu spät". Im Teambewerb habe sie dieses System gleich wieder über dem Vorbau gefunden, "das hat wieder zusammengepasst – vom Absprung ins Flugsystem". So weit, so unklar.

Klipp und klar sagen kann Kramer, dass ihr die Großschanze unter dem Schattenberg sehr liegt. Im Oktober des Vorjahres und im Jänner heuer absolvierten die Österreicherinnen Trainingskurse in der Audi-Arena zu Oberstdorf. Kramer: "Die Schanze ist zum Fliegen ganz lässig. Wenn du einen guten Sprung erwischst, ist sie megacool."

Eine Rekordlerin

Das kann auch Chiara Hölzl bezeugen, neben Daniela Iraschko-Stolz und Sophie Sorschag die Vierte im Bunde. Hölzl gewann in der Vorsaison zwei Weltcupspringen auf der Schattenbergschanze und stellte mit 141,5 Metern den einschlägigen Rekord auf. Für die Sprungdoyenne Iraschko-Stolz ist die Sache wie auch für Kramer kein Selbstläufer, weil "du musst da halt wirklich gut springen, damit du auch weit springst". (Sigi Lützow, 3.2.2021)