Rund zehn Euro erbeuteten eine Mutter und ihr Sohn beim Aufbruch mehrerer Zeitungskassen. Zwei Diebstahlsversuche in einem Geschäft brachten noch weniger Beute ein.

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Wien – Die Mutterliebe gilt als eine der stärksten emotionalen Bindungen, zu denen Lebewesen fähig sind. Man kann sie aber auch übertreiben, wie der Fall von Frau M. zeigt, die sich vor Richterin Martina Frank wegen Diebstahls und Sachbeschädigung verantworten muss.

Die 45-Jährige wird von zwei Polizisten in Zivil in den Saal gebracht, die sie in der Früh abgeholt haben. "Warum sind Sie denn letztes Mal nicht gekommen?", fragt die Richterin die Angeklagte. Deren Verteidigerin Martina Schweiger-Apfelthaler antwortet: "Sie hat sich verspätet. Als ich ging, stand sie gerade unten bei der Einlasskontrolle." – "Und Sie waren nicht fähig, hier anzurufen und zu sagen, dass Sie später kommen?", will Frank von M. wissen. "Es tut mir leid", sagt die Arbeitslose leise.

Zeitungskassen und Elektronik

Leid tue ihr auch, was sie zwischen dem 19. April und dem 13. Mai 2019 gemacht hat, sagt M. der Richterin. Nämlich gemeinsam mit ihrem damals 15 Jahre alten Sohn Zeitungskassen aufgebrochen und bei einem Elektronikhändler Diebstähle versucht zu haben.

Frank beginnt mit den Zeitungskassen: "Wie kommt man auf die Idee?", fragt sie die Angeklagte. "Der Rene wollt ma halt helfen. Finanziell", sagt die Angeklagte. "Wer hatte die Idee?" – "Der Rene. Und ich wollte ihn nicht verlieren, daher bin ich mitgegangen." – "Warum haben Sie ihm die Idee nicht ausgeredet?" – "Er hat gemeint, wir werden eh nicht erwischt." – "Das meinen die meisten. Wenn es so wäre, wären wir hier arbeitslos", weist die Richterin auf die arbeitsplatzsichernde Komponente delinquenten Verhaltens hin.

Die Beute betrug damals übrigens rund zehn Euro. "Nicht sehr viel. Zeitungskassen knacken ist von Haus aus keine recht glorreiche Idee", erlaubt sich Frank noch anzumerken. Der angerichtete Schaden war ungleich größer: 235,50 Euro will die Firma. M., die derzeit von rund 700 Euro bedarfsorientierter Mindestsicherung lebt, verspricht, das zu zahlen.

Freund des Sohnes und Partner der Mutter

Bei einem der beiden Diebstahlsversuche war auch Herr M. dabei. Und soll die Idee gehabt haben, Videospiele und Handyhüllen mitgehen zu lassen. Der 29-Jährige ist einerseits ein Freund Renes und war andererseits auch kurz in einer Beziehung mit der Angeklagten. "Was war da jetzt der Grund?", fragt die Richterin die Angeklagte, die versuchte, das Diebesgut in ihrem Einkaufstrolley aus dem Geschäft zu schmuggeln. "Der M. wollte das haben. Und der Rene hat mitgemacht." – "Mir kommt vor, als wäre es bei Ihnen verdreht. Der Rene ist das Kind. Sie müssen ihm sagen, was zu tun ist."

M. erzählt, selbst das Jugendamt habe keinen Rat mehr gewusst. Der Teenager brach die Schule ab, die geschiedene Mutter musste Strafe wegen Verletzung der Schulpflicht zahlen. "Und wie ist die Situation mit Rene jetzt?", interessiert sich Frank. "Er ruft nur noch ab und zu an, wenn er was braucht. Ich habe ihn aus der Wohnung meiner Mutter geschmissen. Es ist gar nicht mehr gegangen. Er wurde handgreiflich und hat nur noch wüst geschimpft."

"Rotzfrecher" 17-Jähriger

Verteidigerin Schweiger-Apfelthaler steht ihrer Mandantin bei und berichtet von ihren beruflichen Kontakten mit dem heute 17-Jährigen. "Selbst bei Einvernahmen vor der Polizei ist er rotzfrech, unter aller Kanone", sagt sie über den mehrfach vorbestraften Jugendlichen. Für eine dieser Vorstrafen hat auch Frau M. eine bekommen – sie log für ihren Sohn und Herrn M. und hatte einen Handyraub vorgetäuscht. Drei Monate bedingt bekam sie im März 2019.

Frank sieht von einem Widerruf dieser offenen Strafe ab und verurteilt M. rechtskräftig zu sechs Monaten bedingt. "Sie sind eine erwachsene Frau, Sie müssen stark sein, besonders gegenüber einem Kind", erklärt die Richterin der Angeklagten. Die verspricht unter Tränen: "Ich mach nix mehr!" Als sie den Saal verlässt, wünscht Frank ihr noch alles Gute. (Michael Möseneder, 3.3.2021)