Der Schritt war überfällig: Die EU-Abgeordneten der ungarischen Regierungspartei Fidesz verlassen die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP). Zwischen ihnen kriselt es schon seit Jahren. Ungarn, wo die Partei von Premier Viktor Orbán mit absoluter Mehrheit regiert, liegt mit Brüssel und den europäischen Partnern systematisch im Clinch – etwa wegen Gängelung kritischer Medien und NGOs, einer radikal restriktiven Flüchtlingspolitik oder wegen Vorwürfen massiver Korruption rund um den Bezug von EU-Geldern.

In Ungarn regiert die Partei Fidesz von Premier Viktor Orbán mit absoluter Mehrheit.
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Die Kritik an Budapest kommt nicht nur von links, sondern auch aus den Reihen der bürgerlichen Mitte. Gerade dort sehen viele den Minimalkonsens über gemeinsame Grundwerte durch Orbáns Alleingänge mehr und mehr infrage gestellt. Freilich hatten auch die Verfechter eines Verbleibs des Fidesz – darunter viele aus der ÖVP – ihre Argumente. Sie reichten von der erhofften Einhegung Orbáns bis hin zu strategischen Interessen: Immerhin stellten die zwölf Fidesz-Abgeordneten eine der größten Gruppen in der EVP-Fraktion, nun könnten sie im EU-Parlament rechtere Fraktionen stärken.

Doch am Ende zählen trotz allem die Inhalte. Wer sich über Politikverdrossenheit und niedrige Beteiligungen bei EU-Wahlen beklagt, muss den Wählerinnen und Wählern reinen Wein einschenken. So zu tun, als hätte Orbáns Fidesz einen Platz in der christlich-sozialen Parteienfamilie, ist eine politische Lüge. Nicht mehr an ihr festzuhalten ist ein Fortschritt.(Gerald Schubert, 3.3.2021)