Viele junge Frauen kehren den Landgemeinden den Rücken zu. Je kleiner die Stadt oder Gemeinde ist, desto schlechter sind Frauen auch in der Politik repräsentiert.

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2.095 Bürgermeisterposten gibt es in Österreich, nur 197 sind davon derzeit mit Frauen besetzt. Das sind neun Prozent, wie aus den Daten des Sora-Gleichstellungsindex 2021 im Auftrag des Städtebunds hervorgeht. Der Frauenanteil in politischen Ämtern ist auf kommunaler Ebene besonders gering. Er wächst zwar, aber nur langsam. 2019 waren erst 7,6 Prozent der Bürgermeisterämter mit Frauen besetzt. Zum Vergleich: In Europa liegt der Frauenanteil unter den Bürgermeisterinnen bei 15 Prozent.

Warum stellen sich so wenige Frauen der Wahl zur Bürgermeisterin? Tanja Kreer, SPÖ-Bürgermeisterin von Straßwalchen im Salzburger Flachgau, meint, dass es sich viele Frauen nicht zutrauen. "Die Männer sind immer von sich selbst überzeugt und Frauen sehr bescheiden." Es brauche mehr Role-Models, die aufstehen und vorangehen. Ein Hauptproblem sei, dass Frauen immer noch mit dem Großteil der Kindererziehung beauftragt sind. "Man braucht einen emanzipierten Mann, wie ich einen habe, dann geht es", betont die Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern.

Bürgermeister Josef, 60 plus

Gesellschaftliche Rollenzuschreibung hält auch die jüngste Bürgermeisterin Österreichs für einen Grund. "In den Köpfen der Menschen ist der Bürgermeister ein Beruf, den am besten ein Josef, 60 plus, ausführt", sagt Bernadette Schöny (ÖVP) aus Kaltenleutgeben in Niederösterreich. Sie sei so erzogen worden, "dass ich machen kann, was ich will", erklärt die 28-Jährige. Wenn man Mädchen auch vermittelt, "dass sie starke Indianer sein müssen und nicht nur mit der Puppe zu spielen", dann werden sie auch mutig und trauen sich etwas zu.

Von Treffen mit anderen Bürgermeisterinnen weiß Schöny, dass viele ihrer Amtskolleginnen eher zufällig zu dem Posten gekommen sind, nachdem etwa der Altbürgermeister verstorben sei und es kein Mann machen wollte. "Oft sind Frauen sehr kurzfristig eingesprungen – wie im Haushalt, wenn keiner da ist, dann macht es eine Frau."

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In Niederösterreich und Oberösterreich ist der Anteil der Ortschefinnen im Gegensatz zu den anderen Bundesländern zumindest zweistellig. Wien liegt mit sieben Bezirksvorsteherinnen bei einem Frauenanteil von 30 Prozent. 2019 war Salzburg noch das Schlusslicht, nach der Gemeinderatswahl wurde dieser Negativrekord jedoch durchbrochen. Jetzt liegt Tirol mit einem Frauenanteil von nur 6,09 Prozent hinten.

Stadtchefin statt Ministerin

Das liege an der Mehrfachbelastung, sagt auch Elisabeth Blanik (SPÖ), die seit zehn Jahren Bürgermeisterin von Lienz ist. Die 55-Jährige hat für die Rolle als Stadtchefin sogar ein Ministerinnenamt ausgeschlagen, das ihr Ex-Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) angeboten hatte. Junge Frauen müssten neben ihrer politischen Karriere auch ihre berufliche verfolgen und würden dafür schon mehr Energie benötigen als Männer, sagt Blanik. Um mehr junge Frauen für Kommunalpolitik zu begeistern, bedarf es "direkter Ansprache" und "der Zusicherung von Unterstützern, gerade von männlicher Seite".

Auch Blanik habe im Zuge ihrer Karriere die Erfahrung machen müssen, dass Frauen in der Kommunalpolitik anders behandelt werden als Männer. "Aber ich habe gelernt, das für mich zu nutzen. Wenn es etwa darum ging, dass nach Sitzungen noch ein informeller Teil mit Zusammensitzen folgt, habe ich mit damit entschuldigt, dass ich heim muss kochen oder die Kinder betreuen. Nie hätte ein Mann daran gezweifelt", erzählt die Bürgermeisterin schmunzelnd.

In den Reihen unter dem Ortsoberhaupt sieht es mit dem Frauenanteil etwas besser aus. Bei den Bürgermeisterstellvertretungen liegt der Frauenanteil bei 19 Prozent. In der Gemeinde oder Bezirksvertretung sind österreichweit 24 Prozent der Mandatare weiblich. Auch das ist im EU-Vergleich keine Glanzleistung – hier liegt der Schnitt bei 31 Prozent. In Frankreich sind es 49 und in Schweden 48 Prozent. Einen derart hohen Frauenanteil schafft in Österreich nur Wien, mit ebenfalls 48 Prozent. In Tirol wiederum sind nur 20 Prozent der Gemeinderatsposten von Frauen besetzt.

Das Stadt-Land-Gefälle ist groß

Je größer die Stadt oder Gemeinde ist, desto besser sind Frauen dort repräsentiert. Nicht verwunderlich, denn gerade gut ausgebildete Frauen zieht es seit Jahren in die Städte. In 40 österreichischen Gemeinden ist überhaupt keine Frau im Gemeinderat vertreten.

Oft ehrenamtlich, mit Sitzungen am Abend und Terminen am Wochenende, ist die Kommunalpolitik nicht familienfreundlich, sagen die Bürgermeisterinnen unisono. "Man muss es schon sehr gerne machen und viel Privatleben hergeben", sagt die Vöcklabrucker Stadchefin Elisabeth Kölbinger (ÖVP). Sie ist erst im Dezember ins Amt gewählt worden und muss sich heuer der Wahl stellen, gemeinsam mit einer Vizebürgermeisterin, "weil wir keinen Mann gefunden haben". Das sei zwar eine blöde Überlegung, aber man frage sich eben, wie das beim Wähler ankommen werde. Anders behandelt als ihre männlichen Kollegen, werde sie als Frau nicht, sagt die frisch gebackene Bürgermeisterin.

Bei der 28-jährigen Bürgermeisterin Schöny ist das anders: "Babyboomer-Männer packen das gar nicht, dass da auf einmal eine junge Frau sitzt – und beginnen dann zu diktieren, was ich jetzt machen soll." Schöny sieht das aber gelassen. "Vermutlich kennen sie es nicht anders. Ich sag dann ,Danke für den Input‘ und mach es wahrscheinlich anders." (Stefanie Ruep, Steffen Arora, 4.3.2021)