Die anhaltende Corona-Misere in Österreich und zahlreichen anderen europäischen Staaten hat eine Hauptursache: Es gibt zu wenig Impfstoff. Wäre heute bereits ein signifikanter Anteil der Bevölkerung geimpft, dann könnte man auf viele Corona-Maßnahmen verzichten.

Der heutige Mangel hat seine Wurzeln in Fehlentscheidungen des Vorjahrs: Statt schon im Vorfeld die Errichtung von Produktionsstätten für alle potenziellen Impfstoffe mit öffentlichen Geldern oder Garantien anzukurbeln, hat die EU erst abgewartet, welche Vakzine sich in den Tests bewähren. Nun erweist sich die schleppende Impfstoffproduktion als Flaschenhals, der die wirtschaftliche Erholung verhindert und unzählige Menschenleben kostet. Dieses Versäumnis lässt sich nicht wiedergutmachen.

Corona-Impfstraße in Wien.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Ein Ausstieg einzelner EU-Staaten aus der gemeinsamen Brüsseler Einkaufspolitik hätte hingegen nichts gebracht. Ein kleines Land wie Israel konnte dank eines Sondervertrags mit einem Impfstoffhersteller vorpreschen; 27 Staaten mit insgesamt 450 Millionen Einwohnern können das nicht. Deshalb wäre ein Alleingang Österreichs heute genauso falsch wie vor einem Jahr.

Auch der Besuch von Bundeskanzler Sebastian Kurz in Israel am Donnerstag wird nichts dazu beitragen, das Impftempo jetzt zu beschleunigen. Eine Kooperation bei der Impfstoffentwicklung oder Lehren aus den volldigitalisierten Gesundheitssystemen in Israel und Dänemark werden Österreich erst in der nächsten Pandemie etwas nützen.

Jeder Tag zählt

Man muss auch nicht erneut darüber diskutieren, ob Bund oder Länder die Impfungen durchführen sollen. Das macht keinen großen Unterschied. Es gibt jedoch viele kleine Schritte auf der europäischen, nationalen und Bundesländerebene, die helfen könnten, schneller aus der Pandemie zu kommen.

Bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) laufen die Zulassungsverfahren immer noch zu langsam. Es gibt keinen Grund, den Impfstoff von Johnson & Johnson nicht sofort zuzulassen. Er hat seine Zuverlässigkeit bereits bewiesen. Dass die EMA nun den russischen Impfstoff Sputnik V prüft, ist ein richtiger Schritt. Aber auch das sollte nicht Monate dauern. Die Vorsicht, die bei anderen Arzneien immer angebracht ist, ist in einer Pandemie lebensgefährlich. Da zählt jeder Tag.

In Österreich war die Entscheidung richtig, den Bezirk Schwaz zuerst durchzuimpfen. Die effiziente Eindämmung von gefährlichen Mutationen ist wichtiger als regionale Gleichbehandlung. Genauso richtig ist es, dass die Stadt Wien mit dem Astra-Zeneca-Vakzin auch über 65-Jährige impft, die den Schutz am dringendsten brauchen. Andere Bundesländer sollten rasch folgen.

Und es wäre sinnvoll, alle verfügbaren Dosen sofort zu verimpfen und nicht bis zu ein Viertel für die zweite Impfung zurückzuhalten. Es wird laufend Impfstoff geliefert, und der empfohlene Drei-Wochen-Abstand zwischen den Dosen kann im Notfall ruhig um ein paar Tage überschritten werden.

Derzeit sind die aggressiveren Virusvarianten schneller als die bedächtige Impfkampagne. Aber mit Flexibilität, Pragmatismus und weniger Zögerlichkeit kann Österreich diesen Rückstand in den kommenden Wochen aufholen – und so den Menschen ein Frühjahr ermöglichen, das nicht von Lockdowns und Entbehrungen gezeichnet ist. (Eric Frey, 4.3.2021)