Immer mehr Proben weisen auf Mutationen hin. Österreichweit beträgt der Anteil der britischen Mutante im Schnitt schon 60 Prozent.

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Die geplanten österreichweiten Lockerungen samt Öffnung der Schanigärten am 27. März hängen an einem seidenen Faden. Am Donnerstag wurden mit 2.324 Neuinfektionen in 24 Stunden erneut wieder weit mehr als 2.000 Fälle registriert. Und derzeit zeichnet sich beim kontinuierlichen Anstieg der Zahlen im Wochenschnitt keine Trendwende ab.

Das Covid-Prognose-Konsortium des Gesundheitsministeriums geht davon aus, dass sich die Sieben-Tage-Inzidenz von aktuell 169 bis zum 10. März bereits auf rund 228 erhöhen wird. Die Marke von 3.000 Neuinfektionen in 24 Stunden wird demnach bereits nächste Woche wieder überschritten werden. Im Schnitt soll sich die Fallzahl in nur sechs Tagen auf 2.800 erhöhen.

Anstieg auf über 300 Intensivpatienten

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) zeigte sich am Donnerstag ob dieser Prognose alarmiert. "Das Ruder zeigt leider in die falsche Richtung." Ob die geplanten Öffnungsschritte zu Ostern halten können, ließ er offen: Das müsse bis zum 15. März evaluiert werden. Der Minister verwies auch darauf, dass sich die Zahl der von Corona-Fällen belegten Intensivbetten in den letzten sieben Tagen um 20 Prozent erhöht hat. Aktuell liegen knapp über 300 Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen.

Dabei wird es nicht bleiben, wie Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), ausführte. In der Hauptvariante der Prognose wird davon ausgegangen, dass sich diese Zahl bis 17. März auf rund 420 Intensivpatientinnen und -patienten erhöhen wird. Das wäre im Zeitraum von knapp zwei Wochen eine Steigerung um mehr als ein Drittel.

Anschober warnt vor "Wiederholung des Herbstes"

Anschober sagte, dass ihn die Situation an den Herbst 2020 erinnere, als noch vor dem zweiten Lockdown ab etwa 23. Oktober die Zahlen bei den Neuinfektionen in kurzer Zeit in die Höhe schossen. Ende November wurden dann auf dem Höhepunkt 709 "schwerkranke Covid-Patienten" in den Intensivstationen gezählt. Der Gesundheitsminister warnte vor einer "Wiederholung des Herbstes".

Was die damalige Situation vom Status quo unterscheidet? Im Herbst gab es noch keine Impfungen – aber auch keine Mutationen und signifikant weniger Tests. Zwar konnten mittlerweile im Bereich der Alten- und Pflegeheime erste Impferfolge und deutliche Rückgänge bei den Neuinfektionszahlen verzeichnet werden. Durch die bisher zäh verlaufene Impfkampagne erhielten aber erst 6,4 Prozent der impfbaren Bevölkerung in Österreich über 16 Jahren einen Erststich. Mit zwei Impfungen vollimmunisiert ist etwa die Hälfte davon. Insgesamt wurden rund 730.000 Impfungen verabreicht. Nach Ostern, sagte Anschober, sollten aber bereits rund zwei Millionen Dosen verimpft sein.

Britische Mutation in Österreich weiter auf dem Vormarsch

Sorgen bereitet die Ausbreitung von sehr ansteckenden Virusmutationen – und hier vor allem die britische Variante B.1.1.7. Diese sei bereits in allen Bundesländern bis auf Vorarlberg in der Mehrheit, so Ostermann. Österreichweit wird der Anteil auf 60 Prozent geschätzt – in der Ostregion deutlich höher.

Das Problem: Mit den aktuellen Eindämmungsmaßnahmen hätte man nur den "Wildtyp" des Virus im Griff und könnte die effektive Reproduktionszahl um 1 halten. Bei der britischen Mutante sei man hingegen derzeit bei einer effektiven Reproduktionszahl zwischen 1,2 und 1,4. Eine infizierte Person steckt also im Schnitt deutlich mehr als eine weitere Person an. Der Anstieg bei den Fallzahlen ist auch nicht auf die signifikant gesteigerten Corona-Tests pro Tag zurückzuführen. Es handle sich um einen "tatsächlichen Anstieg", so Ostermann.

"Keine Bestätigung" für Verdachtsfall der brasilianischen Mutante

Neben der Südafrika-Mutation mit dem Hotspot Tirol wurde zuletzt auch ein Verdachtsfall einer brasilianischen Mutation in Salzburg bekannt. Anschober sprach am Donnerstag auf Anfrage des STANDARD aber von einem "Auflösen des Verdachts". Demnach hat es "keine Bestätigung" für die Mutation gegeben. Hans Georg Mustafa vom Salzburger Labor Medilab – er hatte die Probe zur Sequenzierung eingereicht – zeigte sich über die Aussage verwundert. Bei ihm sei "noch kein Befund eingelangt".

Ausreisekontrollen im Kärntner Hermagor

Für den von Sars-CoV-2 (beziehungsweise der Variante B.1.1.7) aktuell besonders betroffenen Kärntner Bezirk Hermagor mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 670 werden Ausfahrtskontrollen eingeführt. Ab Dienstag ist dafür der Nachweis eines negativen Corona-Tests (maximal 48 Stunden alt) oder einer überstandenen Infektion innerhalb der letzten sechs Monate zu erbringen. Die Polizei kontrolliert an sieben Checkpoints. Für pendelnde Schüler wird auf Distance-Learning umgestellt.

Kärntens Gesundheitslandesrätin Beate Prettner (SPÖ) fordert zudem eine "Impfstudie" und die Impfung aller Bewohner im Bezirk nach Vorbild des Tiroler Bezirks Schwaz, wo das wegen der Südafrika-Mutation geplant ist. Der Vorstoß mutet einigermaßen schräg an, weil auch in vielen anderen Regionen Österreichs B.1.1.7 mittlerweile über 80 Prozent der Neuinfektionen ausmacht und zur "neuen Normalität" geworden ist. Zudem ist bereits erwiesen, dass die schon zugelassenen Impfstoffe auch gegen diese "britische" Mutante wirken. (David Krutzler, Klaus Taschwer, 4.3.2021)