Wer glaubt, Ghostwriter organisieren sich im Hintergrund, irrt. Hunderte deutschsprachige Agenturen bieten online ihre Dienste an. Zu den größten in Österreich tätigen Agenturen gehören Acadwrite, Business And Science (BAS) und Gwriters. Sie schreiben Seminar- und Masterarbeiten, erstellen Businesspläne und unterschriftsreife Arbeitszeugnisse.

Agieren im Dunkeln: Ghostwriter. Aber aus verstreuten schmuddeligen Angeboten ist eine professionelle Dienstleistungsbranche geworden, die Millionen umsetzt.
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Dabei handelten sie bislang in einer Grauzone. Wer an der Uni eine fremdverfasste Arbeit als eigenes Gedankengut einreichte, wurde rechtlich belangt – nicht die Ghostwriter. Die Novelle des Universitätsgesetzes (UG) sieht künftig eine strafrechtliche Sanktionierung von Ghostwriting und im Falle von Gewerbsmäßigkeit Strafen von bis zu 60.000 Euro vor.

Aus verstreuten schmuddeligen Angeboten ist eine professionelle Dienstleistungsbranche geworden, die Millionen umsetzt – und die Öffentlichkeit sucht. Die großen Agenturen bespielen Pressespiegel, Hotlines und Social-Media-Kanäle. Acadwrite hat seit der Gründung 2004 mehr als 20.300 akademische Projekte begleitet, Gwriters zählt 18.678 Kunden seit 2011.

"Mir wird schlecht, wenn ich das höre", sagt Bettina Perthold dazu. Sie ist Juristin am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Wien. "Diese Zustände sind unerträglich für jemanden, der an der Uni arbeitet und lehrt." Ihr sei nicht bewusst gewesen, "welche Ausmaße das angenommen hat", räumt sie ein und berichtet von "vereinzelten Aushängen am schwarzen Brett".

Verbot laut Agenturen unwirksam

Piotr Snuszka, der 2016 die Agentur BAS gegründet hat und selbst jahrelang als Ghostwriter tätig war, ärgert sich über die UG-Novelle. Es sei wie in der Prostitution: "Ein Verbot würde das Geschäft in den Untergrund verlagern, aber nicht zum Stillstand bringen." Davon würden nur unseriöse Anbieter profitieren – jene mit "unmoralischen und kriminellen Geschäftsgebaren und Täuschungsabsichten". Durch qualitative Projektumsetzung, Transparenz und Corporate Identity grenze er sich ab. Snuszka klingt, als habe er nichts zu verlieren. Auf seiner Webseite wirbt er offensiv: "Nutzen Sie wie viele Doktoranden einen Ghostwriter, indem Sie Ihre Doktorarbeit schreiben lassen."

BAS verlangt mindestens 72 Euro pro Seite – Lektorat, Plagiatsprüfung und Formatierung kosten zusätzlich. Die Agenturen dürften kräftig am Schaffen ihrer Schreiber mitschneiden. Eine bei einer Agentur tätige Ghostwriterin aus Wien, die anonym bleiben will, berichtet von einem Seitensatz von 20 Euro.

Sorgen um sein Geschäft macht sich Snuszka dennoch nicht: Er hält die Novelle für ein "Verbot, das leicht umgangen werden kann". Denkbar sei, dass Anbieter schlicht "den Wortlaut auf der Website anpassen". Hier sind manche Agenturen schon jetzt vorsichtig. "Selbstverständlich", schreibt Gwriters, erbringe man "keine Abschlussarbeiten oder andere Arten von Prüfungsleistungen", sondern nur eine "hochqualitative Mustervorlage".

Umgehungskonstruktionen unzulässig

Juristin Perthold hält solche Umgehungskonstruktionen nach Inkrafttreten der Novelle für unzulässig: "Sobald eine Agentur auf ihrer Webseite solche Leistungen öffentlich anbietet und angenommen werden kann, dass die Arbeit unter falschem Namen eingereicht wird, kann sie verwaltungsstrafrechtlich belangt werden." Das gilt auch, wenn der Anbieter – wie die großen Agenturen – seinen Sitz nicht in Österreich hat, weiß der auf Internetrecht spezialisierte Jurist Nikolaus Forgó. "Das ändert nichts daran, dass hier Verstöße gegen österreichisches Recht begangen werden und damit österreichische Strafverfolgungsbehörden auch örtlich zuständig sein können."

Allerdings könne sich laut Forgó der Prozess der Beweissicherung und Rechtsdurchsetzung langwierig und schwierig gestalten – insbesondere bei unübersichtlichen Firmengeflechten. Unseriöse Agenturen verfügten über hunderte Domains und würden ihr Impressum faken, sagt BAS-Chef Snuszka. Doch auch die Geschäftsstruktur der renommierteren Gwriters erstreckt sich über mehrere Kontinente und Tochterfirmen.

Gewissensbisse plagen Snuszka nicht. "Wir lehnen akademisches Ghostwriting ab, wenn wir merken, dass Studierenden fundamentales Fachwissen fehlt", sagt er. "Auch wenn man es kaum glauben mag, besitzen wir eine moralische Grenze." Davon abgesehen hätten vollständige "Vorlagen für wissenschaftliche Arbeiten" vor Corona nur zehn Prozent der Geschäfte ausgemacht, seit Jahren würden geschäftliche oder private Reden stärker nachgefragt. Die Kunden seien nicht nur "lernresistente und finanzstarke Studierende", sondern auch Politiker.

Snuszka schlägt daher statt eines Verbots eine Kooperation mit Unis vor: Studierende mit Wissenslücken sollten an Agenturen vermittelt werden. Diese böten dann Coaching statt Ghostwriting an. Perthold sagt dazu: "Das klingt so, als würde ein Drogendealer sagen, er hört nur dann auf zu dealen, wenn man ihn zum Suchttherapeuten macht." (Maria Retter, 8.3.2021)