Die Jugend bildet den Motor, den wir spätestens nach der Pandemie wieder brauchen.

Foto: Anna Breit

Jung sein bedeutet schon lange nicht mehr Freiheit – junge Menschen stellen sich Verantwortungen und Sorgen, die ihre Vorgänger ihnen hinterlassen haben. Finanzkrisen, die Klimakrise und zuletzt die Pandemie.

Junge Menschen der "Generation Z" sind politisch viel aktiver als die Millennials oder Boomer oder kämpfen mit Armut oder einer ungewissen Zukunft. Vor diversen Lockdowns streikten sie auf den Straßen, politisierten sich gemeinsam. Für viele damals schon zentral: Zukunftsangst. Und Angst entmutigt.

Bitte nehmt euch zurück!

"Der grenzenlose Mutwille der Jugend ist ein Zeichen, dass der Weltuntergang nah bevorsteht", heißt es nach Melanchthon, die Philosophie und das Feuilleton sind Meister des Echauffierens über den jungen Menschen. Es schwebt immer ein Hauch Narzissmus der Vorgängergenerationen in der Luft, als würden sie ihnen übelnehmen, diese Freiheiten zu besitzen. Aber der ist gar nicht mehr nötig. Spätestens jetzt könnte man diesem Gedanken entschieden widersprechen.

Allen jungen Menschen fehlt derzeit die Erlaubnis, mit ihrem Mut den Weltuntergang zu verhindern.
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Pauschalisierung ist selten positiv besetzt, aber allen jungen Menschen fehlt derzeit die Erlaubnis, mit ihrem Mut den Weltuntergang zu verhindern. Es macht Sorge, dass junge Menschen vermehrt über Finanzen sprechen, über reale politische Visionen und Angst. Viele ihrer Gedanken verharren im Hier und Jetzt, das Morgen scheint irrelevant, es ist nicht sichtbar.

Das allgegenwärtige Jetzt ist vor allem anstrengend und wenig ermutigend: Die Matura, der Abschluss, auf den man so lange gewartet hat, ein krönender Abschluss dieser jungen, unbelasteten Zeit, wird zur Tortur. Der unumgängliche Zwang der Eigenverantwortung, das Pensum des Alltags allein zu meistern, wurde vorausgesetzt.

Von Beginn an wurde den Jungen vermittelt, sie sollen sich doch bitte zurücknehmen, ihre Bedürfnisse verringern. Folgen dieses Zurücknehmens zeichnen sich jetzt ab. In der Schweiz gibt es seit Pandemiebeginn 40 Prozent mehr Notfälle in psychologischen Einrichtungen. Mehr junge Menschen, die unter Depressionen leiden oder dem Druck toxischer Familien nicht länger standhalten können.

Gezwungene Erwachsene

Man warf der Jugend zu Beginn der Pandemie gerne vor, sie seien eine Gefahr, auf sie sei kein Verlass. Sie würden sich draußen treffen, die Regeln brechen und Corona nicht ernst nehmen. Eine falsche Annahme. Mehr als die Hälfte aller Jugendlichen macht sich große Sorgen, ihre Familien anzustecken oder selbst zu erkranken.

Die Pandemie hat junge Menschen zu gezwungenen Erwachsenen gemacht.
Foto: Anna Breit

Das heißt bis heute: zu Hause bleiben, keine Reisen, Nebenjobs, Praktika, die das Erhaschen der eigenen Zukunft ermöglichen. Kein Austausch mit Gleichaltrigen außer über soziale Netzwerke. Die Gen Z ermahnte sich selbst via Tiktok oder Instagram mit Hashtags und Videos wie #StayAtHome, aufeinander Rücksicht zu nehmen, man tauschte sich aus über den familiären Stress, bat sich gegenseitig Unterstützung an.

Die Pandemie hat junge Menschen zu gezwungenen Erwachsenen gemacht, sie sind spätestens jetzt mündig, auch wenn ältere Generationen besonders in Bezug auf politische Themenfelder wie die Klimakrise es ihnen immer wieder absprechen. Sie können sich aber keine Gedanken um die Zukunft machen, wenn die Gegenwart so ungewiss ist. Ihnen ist klar, dass dies verlorene Zeit ist.

Reihe von Enttäuschungen

Einerseits hat die Jugend die Gewissheit, noch kein Opfer dieser Pandemie zu sein, andererseits später auf diese Jahre blicken zu müssen und festzustellen, dass sie für sich selbst verantwortlich waren. Daneben reihen sich Enttäuschungen: der abgesagte Schulball, keine Mottowoche, kein Austausch in der Schule – ihre Anpassungen wurden ohne Hinterfragen angenommen. Diese Generation hat im letzten Jahr gelernt, dass Sicherheit vor Mut kommt, dass Zurückstecken vor einem Virus schützt.

Junge Menschen fühlen sich alleingelassen und empfinden eine Bringschuld – für ihre eigene Zukunft.
Foto: Anna Breit

Junge Menschen fühlen sich alleingelassen und empfinden eine Bringschuld – für ihre eigene Zukunft. Das sorgt für Pessimismus, diesen nehmen ihnen viele auch noch übel, als Junger müsse man doch optimistisch bleiben. Ein Teufelskreis der Paradoxitäten. Keineswegs ist dieser Pessimismus aus der Luft gegriffen, er wurde geprägt durch Zukunfts- und Existenzängste.

Dazu gehört die Ungewissheit, wie lange man noch zur Schule muss, ob man das Schuljahr schafft, es fehlen klare Aussagen. Mal wird überlegt, ob es Schichtunterricht geben soll oder getrennte Klassen, Unterricht im Freien, und dann sind da die Lehrer, die Schüler Arbeitsblätter aus der Schule abholen lassen. Sehr viel Unklarheit inmitten vermeintlicher Sicherheit.

Wir sind der Motor

In Talkshows wird seit Beginn der Pandemie das Narrativ der wilden jungen Menschen, die nur sich selbst und ihr Lebensglück kennen, bestärkt. Man kann eine Jugend mit Forderungen nicht gebrauchen, der Fokus liegt auf der überalternden Gesellschaft und jenen, die die Wirtschaft am Leben halten. In Österreich machen junge Menschen ein Fünftel der Gesellschaft aus, in Deutschland sind es ein Zehntel.

Die Jugend bildet den Motor, den wir spätestens nach der Pandemie wieder brauchen. Sie ist das Licht am Ende dieses Tunnels, sie erhält diese Welt am Leben, sie baut sie weiter auf. Sie ist aber vor allem eine Generation, die Sicherheit und Selbstschutz erlernt hat, wenn auch einiges dafür auf der Strecke blieb. Daraus kann etwas Positives entstehen, wenn man diese Kooperation genügend anerkennt. (Yasmine M’Barek, 6.3.2021)